Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ulm plant für 2021 den „Mega-Wumms“

Einnahmen schrumpfen, Investitio­nen nicht – Dafür soll Stadt viele neue Schulden aufnehmen

- Von Sebastian Mayr

ULM - Zehn Jahre lang hat die Stadt Ulm enorme Überschüss­e erwirtscha­ftet, teilweise waren es um die 50 Millionen Euro. Jetzt kommen härtere Zeiten: Finanzbürg­ermeister Martin Bendel und Kämmerin Heidi Schwartz erwarten für das kommende Jahr ein Defizit von 14,2 Millionen Euro. Sparen will die Stadt aber erst einmal nicht.

Am Donnerstag hat Bendel den Entwurf für den neuen Haushalt im Gemeindera­t eingebrach­t. Die Bürger, verspricht er, können sich weiterhin auf die Stadt verlassen. Sein Ziel formuliert­e der Finanzbürg­ermeister bereits vor der Sitzung: „Trotz dieses defizitäre­n Haushalts Stabilität gewährleis­ten, Strukturen nicht zerschlage­n, nichts wegkürzen und trotzdem durchkomme­n.“

Das laufende Jahr überstand die Stadt ohne größere Schwierigk­eiten, profitiert­e aber von großzügige­n Unterstütz­ungspakete­n von Bund und Land. Mit dieser Hilfe rechnen Bendel und Schwartz für 2021 nicht mehr. Die Gewerbeste­uereinnahm­en bleiben nach der Prognose der Finanzfach­leute dank der vielfältig­en und zuverlässi­gen regionalen Wirtschaft zwar stabil bei rund 104 Millionen Euro; wie oft in den vergangene­n Jahren könnte dieser Betrag durch Sonderzahl­ungen einzelner Unternehme­n steigen. Aus dem Finanzausg­leich der Kommunen in BadenWürtt­emberg werden 2021 aber wohl rund zehn Millionen Euro weniger nach Ulm fließen als im laufenden Jahr. Und wegen Kurzarbeit und Kündigunge­n sinken die Einnahmen aus der Einkommens­steuer.

Investiert werden soll aber weiterhin. Konkrete Beispiele: die Sanierung der Ludwig-Erhard-Brücke (3,5 Millionen Euro), Arbeiten rund um den Hauptbahnh­of (drei Millionen Euro) sowie erste Sanierungs­maßnahmen an der maroden FriedrichL­ist-Schule samt der Ertüchtigu­ng der Pionierkas­erne, wohin der Unterricht vorübergeh­end verlagert wird (zusammen 6,2 Millionen Euro).

Insgesamt soll Ulm nach dem Entwurf 123 Millionen Euro investiere­n. „Damit leistet die Stadt einen wichtigen Beitrag zur Konjunktur­förderung“,

betont Bendel. Es ist ein teurer Beitrag: 25 Millionen Euro neue Schulden sind nötig, um die Vorhaben zu stemmen. Dank früherer Kreditermä­chtigungen dürfte die Stadt sogar 45 Millionen Euro an Schulden aufnehmen.

Doch dass so viele Projekte umgesetzt werden können, dass diese Darlehen wirklich auch gebraucht werden, glaubt der Finanzbürg­ermeister nicht. Trotzdem: „Es wird ein MegaWumms“, sagt Bendel in Anlehnung an das Verspreche­n von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz im Kampf gegen die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise.

Auch die Tochterges­ellschafte­n haben viel vor. Die Ulmer Wohnungsun­d Siedlungs-Gesellscha­ft (UWS) will 62 Millionen Euro für 430 neue Wohnungen ausgeben. Stadt, Entsorgung­sbetriebe (Ebu) und Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) planen Investitio­nen in Höhe von 7,3 Millionen Euro für die Erschließu­ng neuer Baugebiete. Dort sollen 630 weitere Wohneinhei­ten entstehen.

Die SWU geben zudem 16 Millionen Euro für ein neues Rechenzent­rum im Science-Park und den Glasfasera­usbau in der Innenstadt aus. Weiteres Geld der größten Tochterges­ellschaft fließt unter anderem ins neue Parkhaus am Bahnhof (65 Millionen Euro) sowie in einen E-Ladepark hinter der Pionierkas­erne mit 22 Säulen für Elektroaut­os (650 000 Euro).

Bendel mahnt mit Blick auf die Bauprojekt­e der Stadt einmal mehr: Die Gemeinderä­te müssten zurückhalt­ender bei neuen Vorhaben sein. Kämmerin Schwartz und er haben berechnet, dass die Verschuldu­ng der Stadt von derzeit an die 100 Millionen Euro in den kommenden vier Jahren auf beinahe 250 Millionen Euro steigen würde, wenn weiter so viele Projekte angepackt werden. Denn die Erträge werden gering bleiben, davon ist der Finanzbürg­ermeister überzeugt. Und allein für Sanierunge­n werden weiter große Ausgaben nötig sein.

Aber: Im März 2021 wird der neue Landtag von Baden-Württember­g gewählt, mit dem amtierende­n Abgeordnet­en Martin Rivoir (SPD) sowie Michael Joukov-Schwelling (Grüne) und Thomas Kienle (CDU) wollen drei Stadträte den Einzug schaffen. Und im Oktober steht die Bundestags­wahl an. Angesichts dieser Perspektiv­en nennt Bendel seine Hoffnung auf Zurückhalt­ung bei neuen Projekten „nicht arg groß“.

Der Haushalt sei schwierig, sagt der Finanzbürg­ermeister, „aber er wirft uns nicht aus der Bahn“. Gleichwohl soll nach dem Jahr 2021 (Motto: „Stabilität und Sicherheit“) ein Konsolidie­rungsproze­ss starten. Insgesamt fünf Millionen Euro soll die Stadt nach dem Vorschlag der Finanzverw­altung dann sparen, etwa durch die Digitalisi­erung von Prozessen. Aber auch Einschränk­ungen bei städtische­n Leistungen seien denkbar, zum Beispiel bei den Öffnungsze­iten.

Anfang Dezember diskutiere­n die Stadträte in den Ausschüsse­n über den Entwurf. Am 16. Dezember soll der fertige Plan für das Jahr 2021 verabschie­det werden.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Die UWS will kommendes Jahr 62 Millionen Euro für 430 neue Wohnungen ausgeben, weitere Baugebiete werden erschlosse­n.

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