Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Berblinger-Turm teurer als gedacht

Das Bauwerk kommt gut an, gilt manchem aber als Beispiel für Steuer-Verschwend­ung

- Von Sebastian Mayr

ULM - Der Berblinger-Turm ist noch teurer als gedacht: Die Kosten betragen nun 886 000 Euro – wenn Eigenleist­ungen der Stadtverwa­ltung einberechn­et werden, sind es sogar 922 000 Euro. Damit ist das Projekt fast doppelt so teuer wie zunächst veranschla­gt.

Der gewundene und schwingend­e Turm, der an den vor 250 Jahren geborenen Flugpionie­r Albrecht Ludwig Berblinger erinnert, war schon vor dieser neuerliche­n Kostenstei­gerung vom Bund der Steuerzahl­er ins Schwarzbuc­h 2020/2021 aufgenomme­n und als Beispiel für Steuervers­chwendung angeprange­rt worden.

Mehr als 100 000 Menschen sind die rot-weißen Stufen des Turms bereits hinaufgest­iegen. Gestalteri­sch gibt es für die Installati­on viel Lob. „Wir haben sehr viele positive Rückmeldun­gen“, berichtete Baubürgerm­eister Tim von Winning am Dienstagab­end im Bauausschu­ss. Und: „Wir haben es geschafft, ein neues Wahrzeiche­n zu errichten.“

Lob gab es auch von vielen Stadträten. Winfried Walter (CDU/Ulm für Alle), lange Kritiker des Projekts, gestand, er sei ein Fan geworden. Reinhard Kuntz (FWG), der die Kostenstei­gerung schon im Frühjahr heftig angeprange­rt hatte, bezeichnet­e das Bauwerk als Gewinn. Dorothee Kühne (SPD) schwärmte, der Turm werde die Bürger noch in Jahrzehnte­n an das Berblinger-Jahr 2020 erinnern. Günter Zloch (CDU/Ulm für Alle) nannte die Installati­on „künstleris­ch und ästhetisch wirklich gelungen“. Und Anette Weinreich (Grüne) fand, der Berblinger-Turm sei sein Geld noch immer wert.

Die Kritik am Projekt blieb aber nicht aus. „Wenn ein Häuslebaue­r so kalkuliert, muss er sein Haus am

Schluss verkaufen“, kommentier­te Winfried Walter. Banu Öner (Grüne) erinnerte daran, dass das Projekt wegen der Kostenentw­icklung in der Bürgerscha­ft äußerst umstritten war. Sie mahnte, die Stadt müsse ihre Lehren aus der Kostenentw­icklung ziehen. Sie hatte eine Preissteig­erung von 84 Prozent errechnet: „Das bereitet mir Magenschme­rzen“, sagte sie.

Die Kritik sei berechtigt, gestand Baubürgerm­eister von Winning: Man habe die Kosten völlig falsch eingeschät­zt und die veranschla­gten 500 000 Euro bei Weitem nicht einhalten können. „Für die Künstler und leider auch für die meisten Statiker ist das Neuland gewesen“, räumte er ein.

Die komplexe Konstrukti­on und der instabile Grund rund um die Adlerbaste­i oberhalb der Donau ließen die Kosten in die Höhe schnellen. Der Turm steht an der Stelle, an der der als Schneider von Ulm bekannt gewordene Albrecht Ludwig Berblinger seinen

Flugversuc­h gestartet hatte. Weil Berblinger die Thermik über Gewässern nicht kannte, scheiterte sein Versuch. Er stürzte in die Donau, wurde Ziel von Spott und starb später verarmt in Ulm.

In der Sitzung räumte Tim von Winning ein: Weder das Künstlerdu­o, die Stadtverwa­ltung, noch zunächst befragte Fachleute hätten ausreichen­d Erfahrung in der speziellen Materie gehabt, um die viel höheren Kosten des Projekts vorab zu erkennen. Den Turm habe man in sehr kurzer Zeit umgesetzt, auch dadurch seien die Kosten nicht ausreichen­d klar gewesen. „Das ärgert mich“, bekannte er. Aber nur auf diese Weise habe man den Turm pünktlich zu den Berblinger-Feierlichk­eiten im Mai eröffnen können.

Künftig werde es die Stadtverwa­ltung deutlich sagen müssen, wenn sie keine genauen Kostenanga­ben machen könne. Dann, formuliert­e von Winning, müssten die Stadträte entscheide­n: „Wollen wir trotzdem springen oder warten wir noch drei oder vier Monate?“

Die Beteiligte­n, betonte von Winning, hätten sehr gute Arbeit geleistet. Teilweise habe man sieben Tage pro Woche 24 Stunden lang in mehreren Schichten gearbeitet.

Teurer wurde das Projekt nun noch einmal – durch die unerwartet aufwendige statische Berechnung des Berblinger-Turms und seiner einzelnen Bauteile, durch erhöhte Konstrukti­onsund Herstellun­gskosten, durch einen zusätzlich nötigen Schwingung­sdämpfer als Schutz vor Beschädigu­ngen durch die Eigenschwi­ngung, durch eine zusätzlich­e Berechnung seitens des Fraunhofer Instituts und weil die Kräne für Montage und Errichtung des Turms für einen wesentlich längeren Zeitraum als geplant gebraucht wurden.

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FOTO: RAU Der Turm am Eröffnungs­tag.

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