Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Berblinger-Turm teurer als gedacht
Das Bauwerk kommt gut an, gilt manchem aber als Beispiel für Steuer-Verschwendung
ULM - Der Berblinger-Turm ist noch teurer als gedacht: Die Kosten betragen nun 886 000 Euro – wenn Eigenleistungen der Stadtverwaltung einberechnet werden, sind es sogar 922 000 Euro. Damit ist das Projekt fast doppelt so teuer wie zunächst veranschlagt.
Der gewundene und schwingende Turm, der an den vor 250 Jahren geborenen Flugpionier Albrecht Ludwig Berblinger erinnert, war schon vor dieser neuerlichen Kostensteigerung vom Bund der Steuerzahler ins Schwarzbuch 2020/2021 aufgenommen und als Beispiel für Steuerverschwendung angeprangert worden.
Mehr als 100 000 Menschen sind die rot-weißen Stufen des Turms bereits hinaufgestiegen. Gestalterisch gibt es für die Installation viel Lob. „Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen“, berichtete Baubürgermeister Tim von Winning am Dienstagabend im Bauausschuss. Und: „Wir haben es geschafft, ein neues Wahrzeichen zu errichten.“
Lob gab es auch von vielen Stadträten. Winfried Walter (CDU/Ulm für Alle), lange Kritiker des Projekts, gestand, er sei ein Fan geworden. Reinhard Kuntz (FWG), der die Kostensteigerung schon im Frühjahr heftig angeprangert hatte, bezeichnete das Bauwerk als Gewinn. Dorothee Kühne (SPD) schwärmte, der Turm werde die Bürger noch in Jahrzehnten an das Berblinger-Jahr 2020 erinnern. Günter Zloch (CDU/Ulm für Alle) nannte die Installation „künstlerisch und ästhetisch wirklich gelungen“. Und Anette Weinreich (Grüne) fand, der Berblinger-Turm sei sein Geld noch immer wert.
Die Kritik am Projekt blieb aber nicht aus. „Wenn ein Häuslebauer so kalkuliert, muss er sein Haus am
Schluss verkaufen“, kommentierte Winfried Walter. Banu Öner (Grüne) erinnerte daran, dass das Projekt wegen der Kostenentwicklung in der Bürgerschaft äußerst umstritten war. Sie mahnte, die Stadt müsse ihre Lehren aus der Kostenentwicklung ziehen. Sie hatte eine Preissteigerung von 84 Prozent errechnet: „Das bereitet mir Magenschmerzen“, sagte sie.
Die Kritik sei berechtigt, gestand Baubürgermeister von Winning: Man habe die Kosten völlig falsch eingeschätzt und die veranschlagten 500 000 Euro bei Weitem nicht einhalten können. „Für die Künstler und leider auch für die meisten Statiker ist das Neuland gewesen“, räumte er ein.
Die komplexe Konstruktion und der instabile Grund rund um die Adlerbastei oberhalb der Donau ließen die Kosten in die Höhe schnellen. Der Turm steht an der Stelle, an der der als Schneider von Ulm bekannt gewordene Albrecht Ludwig Berblinger seinen
Flugversuch gestartet hatte. Weil Berblinger die Thermik über Gewässern nicht kannte, scheiterte sein Versuch. Er stürzte in die Donau, wurde Ziel von Spott und starb später verarmt in Ulm.
In der Sitzung räumte Tim von Winning ein: Weder das Künstlerduo, die Stadtverwaltung, noch zunächst befragte Fachleute hätten ausreichend Erfahrung in der speziellen Materie gehabt, um die viel höheren Kosten des Projekts vorab zu erkennen. Den Turm habe man in sehr kurzer Zeit umgesetzt, auch dadurch seien die Kosten nicht ausreichend klar gewesen. „Das ärgert mich“, bekannte er. Aber nur auf diese Weise habe man den Turm pünktlich zu den Berblinger-Feierlichkeiten im Mai eröffnen können.
Künftig werde es die Stadtverwaltung deutlich sagen müssen, wenn sie keine genauen Kostenangaben machen könne. Dann, formulierte von Winning, müssten die Stadträte entscheiden: „Wollen wir trotzdem springen oder warten wir noch drei oder vier Monate?“
Die Beteiligten, betonte von Winning, hätten sehr gute Arbeit geleistet. Teilweise habe man sieben Tage pro Woche 24 Stunden lang in mehreren Schichten gearbeitet.
Teurer wurde das Projekt nun noch einmal – durch die unerwartet aufwendige statische Berechnung des Berblinger-Turms und seiner einzelnen Bauteile, durch erhöhte Konstruktionsund Herstellungskosten, durch einen zusätzlich nötigen Schwingungsdämpfer als Schutz vor Beschädigungen durch die Eigenschwingung, durch eine zusätzliche Berechnung seitens des Fraunhofer Instituts und weil die Kräne für Montage und Errichtung des Turms für einen wesentlich längeren Zeitraum als geplant gebraucht wurden.