Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mitbewerber bremst Häuslebauer aus
Antrag beim Verwaltungsgericht stellt Vergabepraxis für Bauplätze in Öpfingen infrage
ÖPFINGEN - Schlechte Kunde für die Bauwilligen, die im Vergabeverfahren für die 24 Plätze im Baugebiet Halde in Öpfingen zum Zuge kommen sollen: Ein Mitbewerber hat beim Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt und das Verfahren damit vorerst gestoppt. Das wurde am Dienstag in der öffentlichen Gemeinderatssitzung bekannt. Wie lange sich eine Gerichtsentscheidung hinziehen wird und wie es danach weitergeht, ist derzeit völlig unklar.
Noch lange nach dem Ende des öffentlichen Teils der Sitzung stand etwa ein Dutzend der Besucher draußen vor der Öpfinger Mehrzweckhalle. Darunter vermutlich auch Bauplatzbewerber, die ein alles andere als schönes vorweihnachtliches Geschenk bekommen hatten. Wohl nichts wird aus dem Traum vom baldigen Baubeginn fürs Eigenheim am Heimatort. Der Mitbewerber, der den Gang vors Gericht gewählt hat, bemängelt die angeblich fehlende Transparenz des Vergabeverfahrens, außerdem sieht er sich durch aus seiner Sicht ungerechte oder fehlende Kriterien benachteiligt. Das erklärte der Ulmer Rechtsanwalt und Ex-OB Ivo Gönner, dessen Kanzlei das Punktesystem für die Online-Plattform Baupilot ausgearbeitet und als „rechtssicher“eingestuft hatte. Nicht nur Öpfingen, auch Oberdischingen und zahlreiche andere Gemeinden in der Region setzen auf diesen Weg der Bauplatzvergabe.
Gönner bedauert die Entwicklung im Fall des Baugebiets Halde in Öpfingen. „Wir waren mit dem Verfahren fast durch“, sagte er in der Ratssitzung. Tatsächlich hatte die Gemeindeverwaltung die Punktevergabe für die 114 Bauplatzbewerbungen anhand der festgelegten ortsbezogenen und sozialen Kriterien abgeschlossen und die 35 punktbesten Bewerbungen nochmals auf ihre Korrektheit überprüft. „Mit höchster Sorgfalt und immer im Vier-Augen-Prinzip“, betonte Gönner. Bei einigen Fällen von Punktgleichheit entschied das Los, auch das sei im Beisein der beiden nicht befangenen stellvertretenden Bürgermeister Dominik Maier und Wolfgang Reitmayer geschehen, betonte Maier als Leiter dieses Tagesordnungspunkts. Bürgermeister Andreas Braun und Hauptamtsleiter Axel Prosser sind als Beteiligte im Bewerberverfahren befangen und waren vom Ratstisch abgerückt.
Maier erläuterte den bisherigen Ablauf des Prozederes von der Ausschreibung der Bauplätze und deren öffentlicher Bekanntmachung über das Mitteilungsblatt und die Homepage der Gemeinde bis hin zur Benachrichtigung der Bewerber über ihre Platzierung und die Aufforderung, innerhalb der Frist von 14 Tagen ihre Bauplatz-Priorisierung mitzuteilen. Am Dienstag wollte nun der Gemeinderat die Vergabe beschließen.
Darauf verzichtete das Gremium, auch auf Anraten von Ivo Gönner: „Wir schaffen damit keine weiteren Fakten, sodass sich das Gericht gründlich und ohne Druck mit dem Antrag befassen kann.“Wie lange es bis zur Entscheidung dauern werde, könne er nicht sagen. „Erfahrungsgemäß einige Wochen“, meinte er. Doch danach ist weiter Geduld gefragt. Denn: Weist das Verwaltungsgericht den Antrag zurück, hat der Antragssteller die Möglichkeit der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, erklärte Gönner. Gibt das VG dem Antrag statt, muss binnen drei Monaten das Hauptsacheverfahren eingeleitet werden. „Die Bewerber auf den Plätzen 1 bis 35 werden dann zu dem
Verfahren hinzugeladen“, erklärte Gönner. Bereits jetzt seien sie vom Gericht als Beigeladene geführt und darüber informiert. Alle Bewerber, so Dominik Maier, seien von der Verwaltung über die aktuellen Entwicklungen in Kenntnis gesetzt worden.
Auf den Hinweis aus dem Rat, dass es die im Vorfeld viel zitierte „Rechtssicherheit“womöglich nicht gebe, antwortete Gönner: „Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen zusammen mit dem Gemeinderat die Kriterien festgelegt.“Dabei seien sowohl ortsbezogene als auch soziale Gesichtspunkte berücksichtigt und letztere sogar etwas höher bewertet worden. So stünden Erstbewerbungen „und nicht die Anhäufung von Immobilien“im Mittelpunkt, Familien hätten die Aussicht auf ein Eigenheim, und wer Kinder hat, würde belohnt, weil die Gemeinde ein Interesse daran habe, dass ihre Betreuungseinrichtungen auch besucht würden.
Auch habe man „keinerlei Veranlassung, daran zu zweifeln, dass die Verwaltung formell alles richtig gemacht hat“, so Gönner. Es liege eine lückenlose Dokumentation vor, die man dem Verwaltungsgericht übergebe. Gönners Kanzlei Derra, Meyer und Partner als Schöpfer des „Ulmer
Vergabemodells“wird die Interessen der Gemeinde in der Angelegenheit juristisch vertreten. Gönner räumte im SZ-Gespräch ein, dass das Ulmer Modell erstmals Gegenstand eines Antrags beim Verwaltungsgericht sei. „Aber das ist noch kein Urteil“, meinte er. Der Antragssteller reklamiere eine Benachteiligung. „Wir sagen: Die Argumente stechen nicht.“
Ob der Antrag und ein mögliches Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht Auswirkungen auf die Bauplatzvergabe anderer Gemeinden habe, wurde der Rechtsanwalt in der Ratssitzung gefragt. Es sei nicht auszuschließen, antwortete Gönner, dass es zu einer Art obergerichtlichen, für alle Kommunen verbindlichen Entscheidung kommen wird. Aber bis dahin sei es ein langer Weg. „Vielleicht wird Öpfingen zum Testfall fürs ganze Land. Diese ,Ehre’ wollten Sie bestimmt nicht haben“, meinte Gönner. Und dass er trotz der unangenehmen Situation den Humor nicht verloren hat, bewies er mit seinem abschließenden Appell an die jungen Menschen: „Studieret Jura und machet Verwaltungsrecht!“
Diese Aussage zauberte selbst den Bauwilligen im Publikum zumindest ein kurzes Lächeln ins Gesicht.