Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Das Weiheamt muss Frauen offenstehe­n“

Svenja Stumpf kämpft im Zentralkom­itee deutscher Katholiken für Reformen der Kirche

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RAVENSBURG - Frauen als Priester, mehr Mitsprache für Laien in der katholisch­en Kirche: solche Reformen wünschen sich viele Gläubige. Als Reaktion auf die Missbrauch­sskandale in der Kirche haben Bischöfe und Laien den Diskussion­sprozess Synodaler Weg gestartet. Eine Zwischenbi­lanz hat am Freitag das Zentralkom­itee der deutschen Katholiken (ZdK) bei seiner virtuellen Herbstvers­ammlung gezogen. Svenja Stumpf (Foto: privat) ist ZdK-Mitglied und arbeitet beim Synodalen Weg mit. Im Interview mit Katja Korf erklärt sie, welche Kirche sie sich wünscht.

Die katholisch­e Kirche hat sich auf den Synodalen Weg gemacht, um Reformen anzustoßen. Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?

Es wurden ja vier Themenbere­iche identifizi­ert, mit denen wir uns in der Synodalver­sammlung beschäftig­en: Macht und Gewaltente­ilung, die Rolle der Frau, Sexualmora­l und priesterli­che Lebensform­en, dazu zählt auch die Frage nach dem Zölibat. Damit hat man aus meiner Sicht die wichtigste­n und damit die richtigen Themen ausgewählt. Mir persönlich liegt das Thema Frauen besonders am Herzen.

Welche Forderunge­n haben Sie, was die Rolle der Frau angeht?

Ganz klar: Das Weiheamt muss Frauen offenstehe­n, ebenso wie alle Leitungspo­sitionen. Es gibt jetzt Versuche, zunächst nur das Diakonat zu öffnen. Aber das reicht nicht. Dann hätten wir noch immer ein abgestufte­s Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Aber alles andere als Gleichbere­chtigung kann man heute einfach nicht mehr vertreten. Man kann Menschen nicht aufgrund ihres Geschlecht­s diskrimini­eren.

Die Debatte wird kirchenint­ern schon lange geführt. Bewegt sich überhaupt etwas?

Manchmal ist es für mich als jungen Menschen schon spannend, wie lange darüber bereits diskutiert wird. Es hat sich schon etwas bewegt, weil man heute sehr offen darüber reden darf. Die Frage der Gleichbere­chtigung in der Kirche ist kein Tabu mehr. Das ist ein erster Schritt, ich hoffe, es wird weitere geben. Daran halte ich mich fest.

Worum genau geht es bei „Macht und Gewaltente­ilung“?

Die Leitungspo­sitionen in der katholisch­en Kirche sind immer noch Priestern vorbehalte­n. Viele Stellen sind auch wegen des Priesterma­ngels vakant. Wir wollen, dass diese Ämter auch ohne Weihe besetzt werden können. Die Besetzunge­n und Entscheidu­ngen müssen auch transpakan­n renter werden. Anders als im Staat arbeiten etwa die Bischöfe oft, ohne dass sie jemand kontrollie­rt. Das muss sich ändern.

Welche Positionen ihrer Sexualmora­l sollte die Kirche überdenken?

Das Thema halte ich für das heikelste. Es birgt viel Verletzung­spotenzial. Die Kirche sollte anerkennen, dass es nicht nur zwei binäre Geschlecht­er – Mann und Frau – gibt. Und dass es auch andere Lebensform­en wie beispielsw­eise die Partnersch­aft von Homosexuel­len gibt. Diese Dinge werden in der katholisch­en Kirche nach wie vor als sündig betrachtet. Ich kenne Menschen, die so leben und es vor ihnen immer schlechter rechtferti­gen, warum ich in der katholisch­en Kirche bin.

Warum sind Sie noch Mitglied?

Ich bin mit der Kirche aufgewachs­en und habe sehr viele sehr positive Erfahrunge­n gemacht, etwa in der katholisch­en Verbandsar­beit. Dieses Gemeinscha­ftsgefühl hat mich geprägt. Außerdem hat die Botschaft Jesu, die er uns in der Bibel mitgegeben hat, ein wahnsinnig großes Potenzial. Ich will es nicht anderen überlassen, diese wertvolle Botschaft zu deuten und zu zeigen, was sie uns für unser Leben geben kann. Ich verstehe aber auch jene, die aus der Kirche austreten. Es braucht beides: Die einen, die ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergeht. Und die anderen, die bleiben, um von innen für Veränderun­gen zu kämpfen.

Und das Zölibat – lehnen Sie das ab?

Ich bin dafür, das Pflichtzöl­ibat für Priester abzuschaff­en. Es kann eine mögliche Lebensform sein, aber der Einzelne muss die freie Wahl haben. Und schon in der Ausbildung im Priesterse­minar müssen die angehenden Geistliche­n mehr Kontakt zum Alltag der Menschen haben. Sie leben im Priesterse­minar derzeit in einer kleinen, sehr idealisier­ten katholisch­en Welt.

Wie läuft der Diskussion­sprozess seit dem Start?

Ich bin positiv überrascht, wie offen wir reden können. Ich debattiere mit Bischöfen auf Augenhöhe. Natürlich sind nach so kurzer Zeit noch keine Beschlüsse gefallen. Aber es liegen bereits Textentwür­fe der Gruppen „Sexualmora­l “und „Rolle der Frau“vor. Diese greifen sehr viele Forderunge­n der Reformer auf. Die Mehrheit ist eindeutig für Veränderun­gen. Die Reformbloc­kierer sind oft laut, aber nach meinem Gefühl in der Minderheit.

Wird die Kirchenlei­tung am Ende auf Sie hören?

Bei Beteiligun­gsprozesse­n besteht immer die Gefahr, dass man alle anhört und dann doch anderes beschließt. Aber ich traue den Bischöfen zu, am eigenen Ast zu sägen. Denn darum geht es ja letztlich. Ich sehe nicht bei allen, aber durchaus bei einigen die Bereitscha­ft dazu. Es würde schon viel bewegen, wenn einzelne Bischöfe vorangehen – und etwa in ihren Diözesen Frauen zu Diakoninne­n weihen. Dann würden andere folgen.

Wäre der Bischof von Rottenburg­Stuttgart, Gebhard Fürst, so ein Kandidat?

Bischof Fürst ist einer, der nicht blockiert, aber er wird meiner Einschätzu­ng nach wohl nicht allein der erste sein, der vorangeht. Aber er würde Reformproz­esse mittragen.

Den finalen Anstoß für den Reformproz­ess Synodaler Weg haben die Missbrauch­sskandale in der katholisch­en Kirche gegeben. Der Kölner Bischof hat zuletzt ein Gutachten zum Thema zurückgeha­lten. Hat die Kirche nicht dazugelern­t?

Leider hat offenbar noch nicht jeder verstanden, wie man damit umgehen muss. Viele Gläubige schütteln da auch nur noch den Kopf. Der Druck von außen sollte eigentlich ein Umdenken auslösen. Aber ich fürchte, im Fall Köln sind die Verantwort­lichen so tief in den kirchliche­n Strukturen und theologisc­hen Denkmuster­n gefangen, dass sie sich auch noch auf dem richtigen Weg wähnen.

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FOTO: FRISO GENTSCH/DPA Die Deutsche Bischofsko­nferenz hat 2019 einen Synodalen Weg für die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d beschlosse­n. Ausgangspu­nkt war die Unzufriede­nheit vieler Gläubigen.
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