Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Sie hat Töpfer in der ganzen Welt besucht
Mit 10 000 DM fing alles an – Die Keramikerin Irmela Stark feiert 50-jähriges Werkstatt-Bestehen
LAUPHEIM - „Ich bin eine der SoloSelbstständigen, die von der CoronaPandemie besonders betroffen sind.“Irmela Stark steht mit Schürze, die Hände in die Seiten gestemmt, in ihrer Keramikwerkstatt in Laupheim. In den Regalen stehen ihre selbstgefertigten Schüsseln, Töpfe und Tassen. Der Boden ist mit einer feinen Schicht aus Tonstaub belegt. Eigentlich wollte die Keramikermeisterin in diesem Jahr ihr 50-jähriges Werkstatt-Bestehen feiern. Doch in Feierlaune ist sie dieses Jahr nicht.
Aber nicht nur das: Irmela Stark ist sehr stark auf die Kunsthandwerkermärkte angewiesen, um ihre Produkte zu verkaufen. Doch die fallen dieses Jahr zum Großteil aus. Ihre Einnahmen sind deshalb auf ein Minimum zurückgegangen. „Auf den großen Märkten wie zum Beispiel in Dießen am Ammersee habe ich sonst die Produktion von zwei bis drei Monaten verkauft“, erzählt die 71-Jährige. „Das fehlt jetzt komplett.“Laufkundschaft kommt so gut wie gar nicht in ihren Laden in der Straße Hinter der Burg. Lediglich ihre Stammkunden würden im Moment gelegentlich vorbeischauen – meistens mit telefonischer Voranmeldung.
Am 6. November hat Irmela Stark trotzdem mit einem Glas Sekt angestoßen. Denn an diesem Tag vor genau 50 Jahren eröffnete sie ihre Werkstatt – mit nur 21 Jahren und damit als jüngste Keramikermeisterin ihres Jahrgangs in der Keramikschule Landshut. 10 000 D-Mark Starthilfe bekam sie dafür von ihrer Großmutter und renovierte damit ihre damalige Werkstatt in der Hasenstraße 4. Tatkräftige Unterstützung bekam sie dabei von den ortsansässigen
Handwerkern, die ihr auch den ein oder anderen Zahlungsaufschub gewährten.
„Die Werkstatt war ein richtiger Treffpunkt“, erinnert sich Stark. „Ich habe Konzerte und Feste veranstaltet.“Nur im Winter sei es dort ziemlich ungemütlich geworden. „Die Fenster waren undicht. Wenn es kalt war, ist immer das Wasser in den Schüsseln gefroren.“Auch deshalb habe sie 1998 schließlich ihre eigene Werkstatt Hinter der Burg gebaut – in direkter Nachbarschaft der Eltern, denen das Grundstück gehörte.
In den vergangenen 50 Jahren hat sie einiges erlebt. Auf verschiedenen Reisen hat sie Töpfer in der ganzen Welt besucht, unter anderem in Usbekistan, dem Iran, Indien und auf Martinique. „Das Schöne dabei war, dass wir uns immer sofort mit Händen und Füßen über unseren Beruf unterhalten konnten“, sagt die Keramikermeisterin. In der Karibik habe sie sogar ein Jobangebot bekommen, sich schweren Herzens dann aber doch für Laupheim entschieden, erzählt Stark mit einem Augenzwinkern.
Auch das Kommen und Gehen von Trends hat sie hautnah miterlebt. Aromalampen seien eine Zeit lang in Mode gewesen, ebenso wie Stövchen oder Windlichter. Während der Ölkrise sei die Nachfrage nach Kachelöfen sehr gestiegen. Doch eine Entwicklung schmerzt bis heute: „Irgendwann sind die Leute nicht mehr zu uns auf den Kunsthandwerkermarkt gekommen, sondern weiter in das nächste Kaufhaus gegangen.“Auch die Laupheimer Firmen hätten immer weniger bei ihr eingekauft, sondern auf Massenware aus der Industrie gesetzt. Dazu kam die zunehmende Konkurrenz aus Indonesien und China, die billiger produzieren konnten. In den vergangenen Jahren sei aber langsam wieder ein Wechsel zu erkennen. „Die Leute wollen wieder mehr regional einkaufen. Und sie merken, dass die Schüsseln und Töpfe aus den Einrichtungsketten qualitativ nicht so hochwertig sind“, sagt Stark.
Mittlerweile seien aber die Standgebühren auf den Kunsthandwerkermärkten so hoch geworden, dass sie sich immer wieder überlegen müsse, ob sie hinfahre, erzählt Stark: „Eine Standmiete auf einem Markt kostet heute zum Teil 350 Euro. Dazu kommen noch die Fahrtkosten und die Unterkunft für mich und meinen Verkäufer. Wenn ich dann nur ungefähr 1500 Euro einnehme, kann ich gleich zu Hause bleiben.“
Dass sie keine Miete für ihre Werkstatt zahlen müsse, sei ein großer Vorteil. „Bei meinen 100 Quadratmetern wären das mehr als 1000 Euro Miete. Ich weiß nicht, wie ich das erwirtschaften sollte“, sagt Stark. Mit 71 Jahren ist sie außerdem mittlerweile in Rente. Ihr gehe es deshalb in der Krise vergleichsweise gut, meint Stark. Deshalb hat sie auch keine Corona-Hilfen beantragt: „Ich fand es einfach nicht gerechtfertigt.“Denn ihr gehe es im Vergleich zu anderen Solo-Selbstständigen gut. Irmela Stark kenne andere Keramikerinnen, die seit einigen Monaten auf einem Bauernhof oder im Pflegedienst arbeiten müssten.
Eigentlich könnte sie die Krise als Vorwand nehmen aufzuhören. Ihr Ziel war es immer, das fünfzigste Werkstattjubiläum zu feiern. Doch Irmela Stark hat vor dem Ruhestand noch einige Pläne. Wenn Treffen in größeren Gruppen wieder möglich sind, möchte sie Töpferkurse anbieten oder Kindergeburtstage feiern. Denn bis jetzt gibt sie nur ihren Enkeln ihr Wissen weiter. Ein anderer Plan ist es, die Werkstatt einmal pro Woche als ein Kreativ-Café zu öffnen. Ein weiterer Grund: Die Arbeit macht Irmela Stark noch viel zu viel Spaß. „Das Interessante an Ton ist, dass man so viel daraus machen kann. Es wird nie langweilig.“