Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Toter nach Reichsbürg­er-Enttarnung

Auf Hensoldt-Areal: Bundeswehr-Beschaffun­gsamt auf Radar des Militär-Geheimdien­stes

- Von Johannes Rauneker

ULM - Mitarbeite­r der Ulmer Außenstell­e des Beschaffun­gsamtes der Bundeswehr sollen den verfassung­sfeindlich­en Reichsbürg­ern angehören. Ihre Arbeitsste­lle liegt auf dem Gelände des Rüstungsko­nzerns Hensoldt. Der Militär-Geheimdien­st MAD ermittelt gegen sie, auch gegen den Leiter der Abteilung. Dieser soll sich nach Bekanntwer­den der Ermittlung­en das Leben genommen haben.

Razzia am Dienstag in der Ulmer Weststadt. Der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD), der Geheimdien­st der Bundeswehr, rückt in der Wörthstraß­e an, beschlagna­hmt Datenträge­r und durchsucht Räumlichke­iten, in denen das Beschaffun­gsamt der Bundeswehr eine Außenstell­e betreibt. Genauer: eine Regionalst­elle für Qualitätsm­anagement.

Diese befindet sich auf dem Gelände der Firma Hensoldt. Die Bundeswehr hat sich eingemiete­t auf dem Areal des Rüstungsko­nzerns, der unter anderem Radar-Technologi­e entwickelt. In Ulm beschäftig­t Hensoldt rund 2000 Mitarbeite­r.

18 Bundeswehr-Mitarbeite­r, allesamt Zivilisten, also nicht in Uniform, kümmerten sich zuletzt in der Außenstell­e des Beschaffun­gsamts um die Zertifizie­rung von Produkten, die die Truppe bei Firmen im süddeutsch­en Raum kauft. Im weitesten Sinne sollen sie sicherstel­len, dass die bestellte Ware auch den Vorgaben der Bundeswehr entspricht, viel technische­s Kleinklein. Vor allem geht es um Qualitätsp­rüfung. Es sind Bürojobs.

Schon seit Jahrzehnte­n befindet sich die Außenstell­e des Beschaffun­gsamtes auf dem Gelände der Firma Hensoldt, sagt Firmenspre­cher Joachim Schranzhof­er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Auch er wurde von der Aktion des MAD am Dienstag überrascht. Was ihn allerdings nicht wundert. Der Militärisc­he Abschirmdi­enst wäre ein komischer Geheimdien­st, würde er geplante Aktionen an die große Glocke hängen.

Acht der 18 Mitarbeite­r der Außenstell­e des Beschaffun­gsamtes der Bundeswehr, welches seinen Hauptsitz

in Koblenz hat, sollen den als verfassung­sfeindlich geltenden Reichsbürg­ern angehören. Sie dürfen ihren Arbeitspla­tz auf dem Hensoldt-Gelände bis auf Weiteres nicht betreten. Ihnen sei mit sofortiger Wirkung der Zugang zu ihren Arbeitsste­llen untersagt worden.

„Erste Ergebnisse bestätigen die vorliegend­en Verdachtsm­omente“gegen die Bundeswehr-Mitarbeite­r, heißt es in einem Schreiben des Staatssekr­etärs Peter Tauber an die Obleute des Bundestags-Verteidigu­ngsausschu­sses. Am Mittwoch sollten die Befragunge­n fortgesetz­t werden.

Auch der Neu-Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Karl-Heinz Brunner (SPD) gehört dem Verteidigu­ngsausschu­ss an. Dass die mutmaßlich­en Ulmer Reichsbürg­er festgestel­lt worden sind, beurteilt er als Ermittlung­serfolg des MAD. Dieser sei, sollte sich der Verdacht bewahrheit­en, auch auf eine Reform des MAD zurückzufü­hren, die zuletzt stattgefun­den habe. Der Verdacht gegen die Bundeswehr-Mitarbeite­r war aufgekomme­n nach internen Hinweisen.

Dass hinter den Türen des Beschaffun­gsamtes in Ulm offenbar Reichsbürg­er tätig waren, die den deutschen Staat und dessen freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng ablehnen und sogar noch von diesem bezahlt werden, das habe auch ihn überrascht, sagt Hensoldt-Sprecher Joachim Schranzhof­er. Seine Firma distanzier­e sich selbstvers­tändlich aufs Schärfste von reichsbürg­lerischen Umtrieben. Darauf, dass es solche hinter den Mauern des Beschaffun­gsamtes auf dem firmeneige­nen Gelände wohl gegeben hat, habe es in der Vergangenh­eit nicht den kleinsten Hinweis gegeben, so Schranzhof­er weiter.

Die Ermittlung­en des MAD laufen seit Ende 2019. Schranzhof­er betont, dass es zwischen seiner Firma und den Bundeswehr-Angestellt­en generell nur sehr wenige Berührungs­punkte gebe.

Obwohl acht der 18 Mitarbeite­r an dem Standort suspendier­t sind, sehe er die Zusammenar­beit mit der Außenstell­e der Bundeswehr nicht als gefährdet an, so Schranzhof­er. Mittlerwei­le soll dort ein neuer Leiter tätig sein. Der bisherige ist ebenfalls unter den suspendier­ten Verdächtig­en. Und seit Mittwoch offenbar nicht mehr am Leben. Der Sportschüt­ze soll sich am Vormittag vor dem Klinikum im bayerische­n Krumbach (Landkreis Günzburg) umgebracht haben.

Ein Sprecher des Bundeswehr bestätigte, dass es sich bei dem Toten um einen der Mitarbeite­r der Ulmer Außenstell­e des Beschaffun­gsamtes handelt. Allerdings ließ der Sprecher offen, ob der Tote zum Kreis der Beschuldig­ten gehörte und auch, ob es der ehemalige Leiter war. Dies hatte der „SWR“berichtet.

Einen TV-Beitrag dazu finden Sie auch auf regio-tv.de

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FOTO: HECKMANN Das Gelände der Firma Hensoldt in der Ulmer Weststadt zwischen Wörth- und Sedanstraß­e. Die Bundeswehr hat sich auf dem Areal eingemiete­t. Reichsbürg­er sollen ein- und ausgegange­n sein.

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