Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein Toter nach Reichsbürger-Enttarnung
Auf Hensoldt-Areal: Bundeswehr-Beschaffungsamt auf Radar des Militär-Geheimdienstes
ULM - Mitarbeiter der Ulmer Außenstelle des Beschaffungsamtes der Bundeswehr sollen den verfassungsfeindlichen Reichsbürgern angehören. Ihre Arbeitsstelle liegt auf dem Gelände des Rüstungskonzerns Hensoldt. Der Militär-Geheimdienst MAD ermittelt gegen sie, auch gegen den Leiter der Abteilung. Dieser soll sich nach Bekanntwerden der Ermittlungen das Leben genommen haben.
Razzia am Dienstag in der Ulmer Weststadt. Der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Geheimdienst der Bundeswehr, rückt in der Wörthstraße an, beschlagnahmt Datenträger und durchsucht Räumlichkeiten, in denen das Beschaffungsamt der Bundeswehr eine Außenstelle betreibt. Genauer: eine Regionalstelle für Qualitätsmanagement.
Diese befindet sich auf dem Gelände der Firma Hensoldt. Die Bundeswehr hat sich eingemietet auf dem Areal des Rüstungskonzerns, der unter anderem Radar-Technologie entwickelt. In Ulm beschäftigt Hensoldt rund 2000 Mitarbeiter.
18 Bundeswehr-Mitarbeiter, allesamt Zivilisten, also nicht in Uniform, kümmerten sich zuletzt in der Außenstelle des Beschaffungsamts um die Zertifizierung von Produkten, die die Truppe bei Firmen im süddeutschen Raum kauft. Im weitesten Sinne sollen sie sicherstellen, dass die bestellte Ware auch den Vorgaben der Bundeswehr entspricht, viel technisches Kleinklein. Vor allem geht es um Qualitätsprüfung. Es sind Bürojobs.
Schon seit Jahrzehnten befindet sich die Außenstelle des Beschaffungsamtes auf dem Gelände der Firma Hensoldt, sagt Firmensprecher Joachim Schranzhofer der „Schwäbischen Zeitung“. Auch er wurde von der Aktion des MAD am Dienstag überrascht. Was ihn allerdings nicht wundert. Der Militärische Abschirmdienst wäre ein komischer Geheimdienst, würde er geplante Aktionen an die große Glocke hängen.
Acht der 18 Mitarbeiter der Außenstelle des Beschaffungsamtes der Bundeswehr, welches seinen Hauptsitz
in Koblenz hat, sollen den als verfassungsfeindlich geltenden Reichsbürgern angehören. Sie dürfen ihren Arbeitsplatz auf dem Hensoldt-Gelände bis auf Weiteres nicht betreten. Ihnen sei mit sofortiger Wirkung der Zugang zu ihren Arbeitsstellen untersagt worden.
„Erste Ergebnisse bestätigen die vorliegenden Verdachtsmomente“gegen die Bundeswehr-Mitarbeiter, heißt es in einem Schreiben des Staatssekretärs Peter Tauber an die Obleute des Bundestags-Verteidigungsausschusses. Am Mittwoch sollten die Befragungen fortgesetzt werden.
Auch der Neu-Ulmer Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner (SPD) gehört dem Verteidigungsausschuss an. Dass die mutmaßlichen Ulmer Reichsbürger festgestellt worden sind, beurteilt er als Ermittlungserfolg des MAD. Dieser sei, sollte sich der Verdacht bewahrheiten, auch auf eine Reform des MAD zurückzuführen, die zuletzt stattgefunden habe. Der Verdacht gegen die Bundeswehr-Mitarbeiter war aufgekommen nach internen Hinweisen.
Dass hinter den Türen des Beschaffungsamtes in Ulm offenbar Reichsbürger tätig waren, die den deutschen Staat und dessen freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und sogar noch von diesem bezahlt werden, das habe auch ihn überrascht, sagt Hensoldt-Sprecher Joachim Schranzhofer. Seine Firma distanziere sich selbstverständlich aufs Schärfste von reichsbürglerischen Umtrieben. Darauf, dass es solche hinter den Mauern des Beschaffungsamtes auf dem firmeneigenen Gelände wohl gegeben hat, habe es in der Vergangenheit nicht den kleinsten Hinweis gegeben, so Schranzhofer weiter.
Die Ermittlungen des MAD laufen seit Ende 2019. Schranzhofer betont, dass es zwischen seiner Firma und den Bundeswehr-Angestellten generell nur sehr wenige Berührungspunkte gebe.
Obwohl acht der 18 Mitarbeiter an dem Standort suspendiert sind, sehe er die Zusammenarbeit mit der Außenstelle der Bundeswehr nicht als gefährdet an, so Schranzhofer. Mittlerweile soll dort ein neuer Leiter tätig sein. Der bisherige ist ebenfalls unter den suspendierten Verdächtigen. Und seit Mittwoch offenbar nicht mehr am Leben. Der Sportschütze soll sich am Vormittag vor dem Klinikum im bayerischen Krumbach (Landkreis Günzburg) umgebracht haben.
Ein Sprecher des Bundeswehr bestätigte, dass es sich bei dem Toten um einen der Mitarbeiter der Ulmer Außenstelle des Beschaffungsamtes handelt. Allerdings ließ der Sprecher offen, ob der Tote zum Kreis der Beschuldigten gehörte und auch, ob es der ehemalige Leiter war. Dies hatte der „SWR“berichtet.
Einen TV-Beitrag dazu finden Sie auch auf regio-tv.de