Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Corona erhöht Kosten des Mädchenhei­ms

Weil die Schulen geschlosse­n sind, müssen die Mädchen in Indien in ihrem Heim bleiben

- Von Franz Liesch

MIETINGEN - Viele Tausend Kilometer von Mietingen entfernt im Bundesstaa­t Kerala/Indien steht das „Mutter Teresa-Mädchenhei­m“. Es ist ein gemeinsame­s Projekt der Seelsorgee­inheit Mietingen-Baltringen-Walpertsho­fen. Davon kündet eine Tafel am Gebäude. Die Initiative zu diesem Internat für Mädchen hat Mietingens Seelsorger Johnson Kalathinka­l ergriffen. Kerala ist seine Heimatregi­on. „Dieser Distrikt ist einer der unterentwi­ckeltsten und abgelegens­ten im Bundesstaa­t“, erläutert der Geistliche.

Derzeit wird diese Einrichtun­g von Krisen geschüttel­t. Denn die Corona-Pandemie macht um Indien keinen Bogen. Sie hat insbesonde­re den Bundesstaa­t Kerala fest im Griff. Ein Student, der Ende Januar direkt aus Wuhan/China eingereist war, hatte das Virus unbemerkt eingeschle­ppt.

Zumindest zeitweise wurde eine komplette Ausgangssp­erre verhängt. Derzeit wird die Region nach Aussage von Kalathinka­l von einer zweiten Ausbreitun­gswelle erfasst. Die Schulen sind seit März geschlosse­n. Für die Verantwort­lichen des Mädchenhei­ms, vier Nonnen der SanktMarth­a-Kongregati­on, ist das eine besondere Herausford­erung. Denn das bedeutet für das Mädchenhei­m: Lernen im Heim. In normalen Zeiten sind sie tagsüber in der Schule. Sie haben die Chance, die Reifeprüfu­ng abzulegen. Jetzt sind die Schwestern hinterher, dass sich die Internatsb­esucherinn­en den Schulstoff aneignen. Der Lebensunte­rhalt erhöht sich, weil seit fast einem Jahr im Heim statt in der Schule gespeist wird.

Man hilft sich vor Ort durch eine Ausweitung der Selbstvers­orgung. Die Mädchen packen mit an. Eine Bananen-Plantage wurde angelegt, Maniok und verschiede­n Gemüsesort­en angebaut. „Sie sind vermehrt in der Küche tätig und sorgen dafür, dass etwas auf den Tisch kommt“, so Pfarrer Kalathinka­l. „Die jungen Leute eignen sich in Haus und Garten außerschul­ischen Lernstoff an.“Trotz der Selbstvers­orgung sind die Nonnen auf Unterstütz­ung für den Unterhalt angewiesen. Eigentlich sollte das Haus auf eigenen Füßen stehen, zumal die Klostersch­western für Gottes Lohn arbeiten. Doch zwei Taifune mit damit verbundene­n Regenflute­n und jetzt die Corona-Pandemie haben zu einer dramatisch­en Verarmung im Lande geführt. Die Abhängigke­it von Unterstütz­ung aus Deutschlan­d nimmt eher noch zu.

„Ich sehe derzeit keine Gefahr für das Haus, aber wegen der Entwicklun­g müssen wir notfalls die Zahl der Kinder, die das Mädchenhei­m besuchen, herabsetze­n“, befürchtet Pfarrer Kalathinka­l. „Es würde mir sehr leid tun, wenn es so weit kommen würde.“Ein Hoffnungss­chimmer bildet die bevorstehe­nde Trockenzei­t im Bundesland Kerala. Möglicherw­eise reduziert dies die Ansteckung­sgefahr mit dem Coronaviru­s.

Ansonsten setzt man auch in Indien auf Impfung.

20 Mädchen besuchen derzeit das Internat. Wegen der Corona-Krise sind etliche zu ihren Familien zurückgeke­hrt. Doch auch sie dürfen das Haus nicht verlassen und fühlen sich, so Kalathinka­l, eingesperr­t. Hier seien sie auch Gefahren wie Missbrauch ausgesetzt.

In Mietingen hat sich der „Freundeskr­eis Mädchenhei­m“die Sorge um die Einrichtun­g im fernen Land auf den Plan geschriebe­n. Er wird von Hans Ströbele geleitet. „Der Freundeskr­eis ist der Ansprechpa­rtner für alle, die Interesse an der Entwicklun­g des Hauses haben“, sagt Mietingens Seelsorger. Doch auch diese Gruppe sei in ihren Handlungen heuer stark eingeschrä­nkt gewesen. Kalathinka­l selbst konnte in diesem Jahr dem Haus keinen Besuch abstatten. Die Zeit der Anwesenhei­t nutzte er in den vorhergehe­nden Jahren, um zusammen mit der Provinzobe­ren die Abrechnung­en des Hauses durchzugeh­en. Trotz der derzeitige­n Hürden hat Kalathinka­l Visionen für einen weiteren Ausbau des Mädchenhei­ms. „Doch das alles liegt in Gottes Hand“, sagt er und ergänzt: „Für eine weitere Unterstütz­ung bin ich sehr dankbar.“

ANZEIGE

 ?? FOTOS: PRIVAT ?? Die Lebensunte­rhaltskost­en des „Mutter Theresa-Mädchenhei­ms“sind gestiegen, seit die Mädchen nicht mehr zur Schule gehen können und im Heim unterricht­et werden müssen.
FOTOS: PRIVAT Die Lebensunte­rhaltskost­en des „Mutter Theresa-Mädchenhei­ms“sind gestiegen, seit die Mädchen nicht mehr zur Schule gehen können und im Heim unterricht­et werden müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany