Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Corona erhöht Kosten des Mädchenheims
Weil die Schulen geschlossen sind, müssen die Mädchen in Indien in ihrem Heim bleiben
MIETINGEN - Viele Tausend Kilometer von Mietingen entfernt im Bundesstaat Kerala/Indien steht das „Mutter Teresa-Mädchenheim“. Es ist ein gemeinsames Projekt der Seelsorgeeinheit Mietingen-Baltringen-Walpertshofen. Davon kündet eine Tafel am Gebäude. Die Initiative zu diesem Internat für Mädchen hat Mietingens Seelsorger Johnson Kalathinkal ergriffen. Kerala ist seine Heimatregion. „Dieser Distrikt ist einer der unterentwickeltsten und abgelegensten im Bundesstaat“, erläutert der Geistliche.
Derzeit wird diese Einrichtung von Krisen geschüttelt. Denn die Corona-Pandemie macht um Indien keinen Bogen. Sie hat insbesondere den Bundesstaat Kerala fest im Griff. Ein Student, der Ende Januar direkt aus Wuhan/China eingereist war, hatte das Virus unbemerkt eingeschleppt.
Zumindest zeitweise wurde eine komplette Ausgangssperre verhängt. Derzeit wird die Region nach Aussage von Kalathinkal von einer zweiten Ausbreitungswelle erfasst. Die Schulen sind seit März geschlossen. Für die Verantwortlichen des Mädchenheims, vier Nonnen der SanktMartha-Kongregation, ist das eine besondere Herausforderung. Denn das bedeutet für das Mädchenheim: Lernen im Heim. In normalen Zeiten sind sie tagsüber in der Schule. Sie haben die Chance, die Reifeprüfung abzulegen. Jetzt sind die Schwestern hinterher, dass sich die Internatsbesucherinnen den Schulstoff aneignen. Der Lebensunterhalt erhöht sich, weil seit fast einem Jahr im Heim statt in der Schule gespeist wird.
Man hilft sich vor Ort durch eine Ausweitung der Selbstversorgung. Die Mädchen packen mit an. Eine Bananen-Plantage wurde angelegt, Maniok und verschieden Gemüsesorten angebaut. „Sie sind vermehrt in der Küche tätig und sorgen dafür, dass etwas auf den Tisch kommt“, so Pfarrer Kalathinkal. „Die jungen Leute eignen sich in Haus und Garten außerschulischen Lernstoff an.“Trotz der Selbstversorgung sind die Nonnen auf Unterstützung für den Unterhalt angewiesen. Eigentlich sollte das Haus auf eigenen Füßen stehen, zumal die Klosterschwestern für Gottes Lohn arbeiten. Doch zwei Taifune mit damit verbundenen Regenfluten und jetzt die Corona-Pandemie haben zu einer dramatischen Verarmung im Lande geführt. Die Abhängigkeit von Unterstützung aus Deutschland nimmt eher noch zu.
„Ich sehe derzeit keine Gefahr für das Haus, aber wegen der Entwicklung müssen wir notfalls die Zahl der Kinder, die das Mädchenheim besuchen, herabsetzen“, befürchtet Pfarrer Kalathinkal. „Es würde mir sehr leid tun, wenn es so weit kommen würde.“Ein Hoffnungsschimmer bildet die bevorstehende Trockenzeit im Bundesland Kerala. Möglicherweise reduziert dies die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus.
Ansonsten setzt man auch in Indien auf Impfung.
20 Mädchen besuchen derzeit das Internat. Wegen der Corona-Krise sind etliche zu ihren Familien zurückgekehrt. Doch auch sie dürfen das Haus nicht verlassen und fühlen sich, so Kalathinkal, eingesperrt. Hier seien sie auch Gefahren wie Missbrauch ausgesetzt.
In Mietingen hat sich der „Freundeskreis Mädchenheim“die Sorge um die Einrichtung im fernen Land auf den Plan geschrieben. Er wird von Hans Ströbele geleitet. „Der Freundeskreis ist der Ansprechpartner für alle, die Interesse an der Entwicklung des Hauses haben“, sagt Mietingens Seelsorger. Doch auch diese Gruppe sei in ihren Handlungen heuer stark eingeschränkt gewesen. Kalathinkal selbst konnte in diesem Jahr dem Haus keinen Besuch abstatten. Die Zeit der Anwesenheit nutzte er in den vorhergehenden Jahren, um zusammen mit der Provinzoberen die Abrechnungen des Hauses durchzugehen. Trotz der derzeitigen Hürden hat Kalathinkal Visionen für einen weiteren Ausbau des Mädchenheims. „Doch das alles liegt in Gottes Hand“, sagt er und ergänzt: „Für eine weitere Unterstützung bin ich sehr dankbar.“
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