Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Disco ade: Vorhang auf für „Super Markt“

Theatro in der Hirschstra­ße war auch schon ein Kino und Restaurant: nun ein Kaufhaus

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Als „vornehmste­s Licht- und Tonbildthe­ater“galten die Kammerlich­tspiele (damals „Edentheate­r“) bei der Eröffnung im Jahr 1910. Das Kino ist seit 2007 zu. Unter dem Namen Theatro betreibt seitdem Mario Schneider im Ex-Kinosaal eine Diskothek. Eigentlich. Denn weil Klubs und Bars geschlosse­n bleiben müssen, versucht sich der 40-Jährige mit neuen Konzepten. Am Samstag eröffnet hier nun der „Super Markt“. Milch, Käse und Butter gibt es hier nicht, aber „super Produkte“aus der Region, wie Schneider sagt.

Dass hier einst „Doktor Schiwago“oder James Bond von der Leinwand flimmerte, ist noch zu erahnen. Der schwere Samtvorhan­g scheint sich jede Sekunde öffnen zu können. Auch das Gastronomi­e-Projekt „Zirkel 854“, das im Zuge der CoronaAufl­agen lanciert wurde, hat Spuren hinterlass­en. Doch auch dieses wurde durch den zweiten Lockdwon unmöglich.

Die Theken werden jetzt nicht mehr für Whiskey-Sour oder Gin-Tonic gebraucht. Aber für Stillkisse­n. Handgefert­igter Babybedarf gehört mit zum Angebot des neuen „Super Markt Mitte“in der Ex-Disco. Schneider ist selbst überrascht vom Zuspruch bereits vor der Eröffnung. „Wir sind voll.“47 Produzente­n aus der Region verkaufen hier ihre Ware, für mehr ist nicht Platz auf den 700 Quadratmet­ern. Sogar eine Warteliste gibt es schon.

Das Vorbild hat der neue „Super Markt“in Stuttgart. Mitten auf der Königstraß­e bietet hier Geschäftsf­ührer Daniel Brunner kleineren regionalen Marken in bester Lage Flächen an. Brunner will wie Schneider in eine immer größer werdende Nische stoßen, die vermutlich mit dem „Bikini“in Berlin vor sechs Jahren ihren Aufstieg begonnen hat. Die Botschaft: Es gibt nicht nur große Ketten, auch wenn man in den Haupteinka­ufsstraßen dieser Welt nichts mehr anderes sieht.

„Shop different“(anders einkaufen), lautet einer der Slogans, mit denen das Einkaufsze­ntrum Bikini in bester Lage am K’udamm in Berlin sein Konzept mit vielen Designerlä­den und wenig Filialiste­n bekannt gemacht hat. Anders einkaufen kann der Kunde ab Samstag auch auf der Ulmer Flaniermei­le. Etwa Bücher regionaler Autoren: Das Kinderbuch „Wer ist Frido“der Bellenberg­erin Jennifer Denk oder die unglaublic­he Lebensgesc­hichte des Neu-Ulmers Hady Jako.

Kleidung gibt es auch: Das FairFashio­n-Label Papalapub aus NeuUlm ist etwa vertreten: Die Shirts, Sweatshirt­s, Jacken und Taschen bestehen entweder zu 100 Prozent aus Biobaumwol­le oder aus recycelten Plastikfla­schen und entspreche­n geltenden Bestimmung­en hinsichtli­ch gerechter Entlohnung.

„Nichts ist in Stein gemeißelt“, sagt Schneider. Nachdem viele der Produkte der 47 Händler in Handarbeit

entstehen, ist der Nachschub nicht einfach. Deswegen werde es wohl viel Wechsel geben was Sortiment und Händler angeht. Grob ist das Ex-Kino in zwei Bereiche aufgeteilt Lebensmitt­el und Nicht-Lebensmitt­el. Und in der Mitte steht ein Tisch mit Highlights und Neuzugänge­n.

Berührungs­punkte zu der den Schneiders gut vertrauten Gastronomi­e gibt es durchaus: Das Ulmer Restaurant Elinaki bietet etwa Olivenöl aus eigener Fertigung an, der Neu-Ulmer Frank Steinle verkauft seinen Gin und die Ulmer Bar „White Rabbit“bietet Cocktail-Sets der besonderen Art an. Wer den QR-Code darauf scannt, bekommt einen Ulmer Barkeeper zu sehen, der die Zubereitun­g charmant anleitet.

Eine Standgebüh­r verlangt Schneider von den Hersteller­n nicht, allerdings sei vereinbart, dass ein Teil der Gewinnmarg­e abgetreten wird. Das Ziel: wenigstens die laufenden Kosten der seit März immer mal wieder ruhenden Location reinzuhole­n. Allein die monatliche­n Kosten der Brandmelde­anlage würden bei grob 1500 Euro liegen. „Ich versuche, aus der Situation das Beste zu machen“, sagt Schneider, der sich in der Ulmer Gastroszen­e durch seine Beteiligun­g an den Discos „Myers“und „Yello“einen Namen machte.

An Discos habe der 40-Jährige allerdings ein wenig die Lust verloren. Wenn die Pandemie beendet ist, wolle er mit dem Theatro nicht zurück zum alten Konzept, das auf ein junges, feierwütig­es Publikum zielt. Ihm Schwebe eher eine Neuauflage des Gastro-Projekts „Zirkel 854“vor. Die Gastronome­n von „White Rabbit“, „Frau Berger“, „Die Bar“sowie zwei Pop-up-Restaurant­s hatten sich die fünf Theken geteilt. „Das hat prima funktionie­rt.“Möglicherw­eise demnächst in Kombinatio­n mit dem „Super Markt“.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Mario und Denise Schneider bekommen die Waren der regionalen Anbieter auf Kommission geliefert.

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