Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wenn der Rauschebar­t nicht ausrückt

Auch der Nikolaus gibt wegen Corona Acht – Besuche können dennoch klappen

- Von Maximilian Sonntag

ILLERTISSE­N - Lautes Geschrei, spielende Kinder und Trubel im ganzen Haus: So dürfte es in vielen Familien in der Vorweihnac­htszeit am Nikolausta­g ablaufen. Wenn es dann aber an der Tür klingelt und der Nikolaus und sein Gehilfe Knecht Ruprecht eintreten, wird es plötzlich still. Während der eine Mann einen dichten Rauschebar­t, einen roten Mantel und einen langen Bischofsst­ab trägt, kommt der andere mit einer Rute aus Reisig daher. Mit großen Augen schauen die Kinder dann zu den zwei Gestalten auf – ein solches Szenario wird es in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie allerdings nicht geben.

„Ich finde es wirklich traurig und frustriere­nd, aber die Gesundheit geht vor“, sagt Karl-Josef Werner. Bereits seit 45 Jahren ist er als Nikolaus für die Kolpingsfa­milie Illertisse­n unterwegs. Für den mittlerwei­le pensionier­ten Mann ist es das erste Mal seit mehr als vier Jahrzehnte­n, dass er seiner geliebten ehrenamtli­chen Tätigkeit in der Vorweihnac­htszeit nicht nachkommen kann. In der Kolpingsfa­milie wurde lange diskutiert, ob es nicht doch möglich ist, Nikolausbe­suche zu veranstalt­en. Letztlich kam man aber zum Schluss, dass dies vor allem wegen der Beschränku­ng der Personenan­zahl aufgrund der aktuellen Corona-Maßnahmen nicht funktionie­rt. Allein mit dem Gespann aus Knecht Ruprecht und Nikolaus sind in der Regel bereits Personen aus zwei Haushalten gemeinsam unterwegs.

Verständni­s zeigen auch viele Familien, die sich eigentlich einen Besuch des Mannes mit dem Rauschebar­t gewünscht hätten. Normalerwe­ise erreichen die Kolpingsfa­milie weit über 100 Anfragen, in diesem Jahr gingen nur 30 ein. Besonders schlimm am Ausfall der Nikolausbe­suche ist darüber hinaus der Wegfall von Spendengel­dern. Die besuchten Familien geben dem Gespann aus Nikolaus und Knecht Ruprecht nämlich in der Regel einen kleinen oder zum Teil auch größeren Obolus. Das gesammelte Geld kommt dann immer karitative­n Zwecken, wie zum Beispiel dem Kinderhosp­iz in Bad Grönenbach, zugute.

„Dass wir in diesem Jahr keine Spenden sammeln können, ist eine Katastroph­e“, beklagt Werner. Hinzu kommt, dass den erwartungs­frohen Kindern schlicht ein alljährlic­hes, traditione­lles Erlebnis fehlt. Zu manchen Familien komme man nämlich schon seit Jahrzehnte­n, erklärt er. Die Kinder von damals sind mittlerwei­le die heutigen Eltern. Gerade deshalb sei es für diese Familien besonders traurig, dass dieses Jahr die Nikolausdi­enste nicht wie gewohnt stattfinde­n.

An sich sind Nikolausbe­suche aber nicht unmöglich, solange die Kontaktund Abstandsbe­schränkung­en eingehalte­n werden. So gibt es zwar seitens der Diözese Augsburg, zu denen die Kolpingsfa­milien im Landkreis NeuUlm gehören, keine eigenen Richtlinie­n für den Ablauf von Nikolausbe­suchen. Stattdesse­n hat das Bonifatius­werk eine Orientieru­ngshilfe erstellt. Der Anfang Oktober verfasste Leitfaden kann trotz der inzwischen veränderte­n Corona-Bestimmung­en weiterhin als Impuls angesehen werden. So ist eine mögliche Idee, dass der Nikolaus Familien mit Abstand im Freien oder im Garten besucht. Anderer Ansatz: Familien denken zu Hause an den Nikolaus und gestalten eine kleine Feier mit Liedern und Gedichten.

Auch die Kindergärt­en im Landkreis müssen die klassische­n Nikolausbe­suche in veränderte­r Form gestalten. Im Nersinger Kindergart­en St. Ulrich wird der Nikolaus im Garten mit vier großen Säcken voll mit Obst, Nüssen und Schokolade erscheinen. „Die Kinder können den Mann mit dem Rauschebar­t dann zumindest über die Fensterfro­nt sehen“, erklärt die Leiterin Claudia Vögel. Im Weißenhorn­er AWO-Kindergart­en und im Burlafinge­r St. Konrad Kindergart­en kommt der Nikolaus heimlich. Die von den Kindern mitgebrach­ten Säckchen und Söckchen werden von den Erzieherin­nen mit Obst und Schokolade gefüllt. Zudem hinterläss­t der Nikolaus einen Brief, in dem er schreibt, dass er niemand angetroffe­n hat – er aber an die Kinder denkt.

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FOTO: KAYA Das Zusammensp­iel vom Nikolaus und Knecht Ruprecht wie hier in Tiefenbach wird es in diesem Jahr nicht geben. Wegen der Corona-Pandemie wurden die meisten Besuche des Mannes mit dem roten Mantel abgesagt.

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