Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Wir wollen weiter überdurchschnittlich viel investieren“
OB Gerold Rechle über das Corona-Jahr, Optionen in der „Rathausfrage“und den neusten Stand beim Ärztehaus
LAUPHEIM - Wie hat Laupheim bisher die Corona-Krise gemeistert? Welche Optionen sieht Gerold Rechle, um in der Frage Rathaussanierung oder -neubau weiterzukommen? Wie ist der aktuelle Stand beim Projekt Ärztehaus und beim Museum? Diese und andere Fragen hat Roland Ray im Silvester-Interview mit dem Oberbürgermeister erörtert.
SZ: Herr Rechle, ein Virus hat dieses Jahr unser aller Leben geprägt. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie Bilanz ziehen?
Rechle: Die Corona-Pandemie ist ein einschneidendes Ereignis, das vieles relativiert hat. Auch vermeintlich große Probleme waren plötzlich nachrangig. Und wir haben schnell begriffen: Gesundheit ist unser höchstes Gut; das steht auch für mich über allem.
Wie ist Laupheim bisher durch die Krise gekommen?
Im Frühjahr lagen die Infektionszahlen hier weit unter dem Durchschnitt. Es hat sich ausgezahlt, schnell und umfassend zu reagieren und zu veranlassen, was auf örtlicher Ebene möglich ist. Wir waren unter den ersten Kommunen, die einen Krisenstab eingerichtet haben. Fast täglich hat dieses Gremium überlegt: Wie können wir die Bevölkerung am besten schützen?
Jetzt sind wir mitten in der zweiten Welle...
Sie war leider absehbar. Ich hätte mir gewünscht, dass Bund und Länder schneller auf den Anstieg der Infektionszahlen im Herbst reagieren. Jetzt haben wir, was niemand wollte: Erneut steht alles still. Ich gehe nicht davon aus, dass die Restriktionen bereits am 10. Januar gelockert werden, sondern dass der Lockdown mindestens bis Ende Januar andauert.
Können Sie positive Erkenntnisse aus der Krise ziehen?
Im Rückblick muss ich sagen: Es ist ein riesengroßes Geschenk, wie die Laupheimerinnen und Laupheimer in der Krise miteinander umgegangen sind und sich gegenseitig unterstützt haben. Wie sie sich ganz überwiegend sehr diszipliniert verhalten haben. Und ich möchte die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervorheben – sie haben einen tollen Job gemacht, weit über Normal.
Haben Sie Verständnis für Menschen, die wegen der Corona-Verordnungen die Grundrechte in Gefahr sehen?
Über mangelnde Resonanz in Zeiten der Pandemie
Das ist ein hoch spannendes Thema. Wir wissen aus unserer Geschichte, wie wichtig zum Beispiel die Meinungsfreiheit ist. Ich finde aber, dass es abzuwägen gilt und dass auch Grundrechte an Grenzen stoßen, wenn durch sie andere Grundrechte wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gefährdet werden. Deshalb halte ich den allergrößten Teil der Maßnahmen, die Bund und Länder in der Corona-Krise verfügt haben, für verhältnismäßig und richtig. Sie setzen kein Grundrecht komplett außer Kraft, sondern schränken manche für einen begrenzten Zeitraum ein, weil anderen in der aktuellen Situation höheres Gewicht beigemessen wird. Das ist in meinen Augen absolut vertretbar. Zu überlegen wäre, ob nicht die Parlamente in stärkerem Maß in solche Entscheidungen einzubinden sind. Da muss man gegebenenfalls nachjustieren.
Die Krise ist noch nicht vorbei. Muss man sich sorgen um die städtischen Finanzen?
Ich bin da verhalten optimistisch und sehe derzeit keinen Grund, vom eingeschlagenen Kurs abzuweichen. Zuversichtlich sollte uns auch ein Blick in die jüngste Vergangenheit stimlicht men: In den letzten drei Jahren haben wir allein im städtischen Haushalt rund 35 Millionen Euro in den Hochund Tiefbau investiert, so viel wie noch nie in einem vergleichbaren Zeitraum – trotz der haushalterischen Rumpfwirtschaftsjahre 2018 und 2020, trotz der Pandemie. Und obwohl wir weit überdurchschnittlich investiert haben, verbleibt jetzt zum Jahresende eine Liquidität von mehr als 25 Millionen Euro und der städtische Haushalt ist im Prinzip schuldenfrei.
Die Reserven werden rasch aufgebraucht sein, wenn es beim aktuellen Investitionsprogramm bleibt.
Ich glaube schon, dass wir noch genauer darauf achten müssen, die vorhandenen Mittel ausgewogen einzusetzen.
Größter Ausgabenposten im Haushalt sind die Personalkosten, sie steigen scheinbar unaufhörlich. Wie wollen Sie den Anstieg bremsen?
Zunächst muss man sehen, was den Stellenzuwachs der vergangenen Jahre verursacht hat. Wir mussten vor allem bei der Kinderbetreuung massiv aufstocken und haben, was absehbar war, als Große Kreisstadt zusätzliche Aufgaben bekommen. Das Personal der Kernverwaltung wurde aufgrund eines vom Gemeinderat beauftragten Organisationsgutachtens in Teilen aufgestockt. Bund und Land delegieren ständig neue Aufgaben an die Kommunen, ohne für die Kosten geradezustehen. Das doppische Rechnungswesen hat einen Wust an zusätzlicher Arbeit gebracht. Um die Kosten einzudämmen, hat die Verwaltung dieses Jahr nur einen Bruchteil dessen realisiert, was der vom Gemeinderat bewilligte Stellenplan an neuen Stellen ermöghätte. Für 2021 ist keine einzige neue Stelle im Rathaus beantragt.
Unter dem neuerlichen Lockdown leiden nicht zuletzt Einzelhandel und Gastronomie. Die CDU hat beantragt, die Parkgebühren für sechs Monate zu vergünstigen, um die Kundenfrequenz zu beleben. Ein guter Vorschlag?
Wir werden das in aller Ruhe ausarbeiten und beraten. Ich kann den Vorschlag einerseits unterstützen, wenn er dem Handel hilft. Es ist aber ein zweischneidiges Instrument, weil wir ja auch das Ziel verfolgen, nicht immer noch mehr Verkehr in die Innenstadt zu ziehen.
Ein Mittel, Autos an der Peripherie zu halten, soll das im September eröffnete Parkhaus Rabenstraße sein. Bis jetzt steht es aber weitgehend leer. Haben sich Gemeinderat und Stadtverwaltung mit dem Standort verkalkuliert?
Das Parkhaus an diesem Standort war von einer großen Mehrheit gewollt. Es war gerade mal zwei Monate in Betrieb, als die Corona-Restriktionen wieder verschärft wurden. Das Angebot hatte mithin noch keine echte Chance, sich unter normalen Umständen zu etablieren. Wir müssen der Sache also noch ein bisschen Zeit geben.
In Ihrer Haushaltsrede haben Sie auf Entscheidungen gedrängt, in welchem Umfang die Stadt beim geplanten Ärztehaus an der Bronner Straße investieren soll und wie gegebenenfalls die Mietkonditionen für die Ärzte aussehen. Droht da etwas anzubrennen?
Es ist eines meiner wichtigsten Anliegen in 2021, die Planungen für das künftige Gesundheitszentrum voranzutreiben. Dazu muss klar sein, wer in ein Ärztehaus geht und in welcher Form die Stadt sich engagiert.
Das schien zuletzt doch vorgezeichnet. Die Stadt wollte zur Sicherstellung vor allem der hausärztlichen Versorgung Teileigentum erwerben und Räumlichkeiten an Haus- und Fachärzte vermieten.
Leider gibt es mittlerweile erneut Bedenken der Hausärzteschaft, die sich nicht auf die Stadt, sondern auf die Gesamtkonstellation im neuen Ärztehaus beziehen. Ob sich diese Bedenken zerstreuen lassen oder ob die Ärzteschaft ein etwaiges Angebot eines anderen Investors an anderer Stelle in der Stadt annimmt, müssen die weiteren Gespräche in den nächsten Wochen zeigen. Klar ist allerdings: Sollten die Hausärzte als Mieter im künftigen Ärztehaus wegbrechen, dann hätte die Stadt keinen triftigen Grund mehr, sich dort – mit Ausnahme der Kita – als Investor zu betätigen.
Sie haben für 2021 die Gestaltung eines weiteren Jugendtreffpunkts angekündigt. Was ist damit gemeint?
Zu Erneuerung der Dauerausstellung im Laupheimer Museum
Konkret ist noch nichts, wir wollen uns aber Gedanken über einen solchen Treffpunkt machen. Der Stellenplan sieht eine zusätzliche halbe Stelle für die Jugendarbeit vor; in diesem Kontext lautet das Ziel, neue Strukturen aufzubauen und den Stadtjugendring zu reaktivieren.
Kein kommunalpolitisches Thema in Laupheim hat die Gemüter dieses Jahr mehr erhitzt als die Frage, ob das Rathaus saniert oder ein neues gebaut werden soll. Die Gemengelage ist höchst kompliziert, nicht zuletzt wegen eines immer noch möglichen Bürgerbegehrens wie auch eines möglichen Ratsbegehrens – beides liefe auf einen Bürgerentscheid hinaus. Was tun?
Meines Erachtens gibt es jetzt drei Optionen. Erstens: Wir setzen den Ratsbeschluss vom 20. Juli um und sanieren. Zweitens: Der Gemeinderat bringt ein Ratsbegehren auf den Weg. Drittens: Die Bürgerinitiative nimmt einen neuen Anlauf zu einem Bürgerbegehren. Für die Optionen eins und zwei müssen wir freilich vorab wissen, welche Form der Sanierung wir haben wollen. Das wäre zumal dann zwingend, wenn bei einem Bürgerentscheid gefragt würde, ob die Laupheimerinnen und Laupheimer für oder gegen eine Sanierung sind. Das Spektrum reicht von einer einfachen Pinselsanierung bis zu einer Kernsanierung mit gleichzeitiger Erweiterung des Rathauses. Entsprechend stark differieren die Kosten. Um sie einigermaßen seriös bestimmen zu können, egal für welche Variante, braucht es einen weiteren Wettbewerb. Ein solcher wird wohl allein schon wegen des Auftragsvolumens erforderlich sein. Die Voraussetzungen zu erarbeiten, nimmt Zeit in Anspruch.
Zeit, in der die Miete für das in der früheren Rentschler-Zentrale vorbereitete Ausweichquartier der Stadtverwaltung weiter zu entrichten ist. Sieht so ein verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeld aus?
Wir werden sehr bald ernsthaft überlegen müssen, wie wir mit diesem Mietobjekt weiter verfahren. Da sind dann alle städtischen Entscheidungsträger gefordert, Klarheit zu schaffen. Das Rentschler-Gebäude wird 2021 bezugsfertig. Allerdings ist es dort noch enger als im Rathaus, was ein Arbeiten unter Corona-Bedingungen noch schwieriger macht.
In Zeiten rückläufiger Steuereinnahmen wird gern betont, dass der Betrieb kultureller Einrichtungen und Investitionen in diesem Bereich keine kommunalen Pflichtaufgaben sind. Dennoch sieht der Haushaltsentwurf 367 000 Euro für die Erneuerung der Dauerausstellung im Museum zur Geschichte von Christen und Juden vor und bis 2024 weitere 1,2 Millionen. Trägt das der auch im Gemeinderat verbreiteten Überzeugung Rechnung, dass das Museum mit Blick auf die Laupheimer Historie besondere Anstrengungen gebietet?
So ist es, und ich bin froh, dass wir darin übereinstimmen, wie bedeutsam gerade diese Einrichtung ist. Es ist im Grunde tatsächlich eine Pflicht, die Erinnerung an das jüdische Erbe der Stadt hochzuhalten und die wechselvolle christlich-jüdische Koexistenz einschließlich der Lehren, die daraus abzuleiten sind, auch kommenden Generationen angemessen vor Augen zu führen. Umso schöner ist, dass sich eine aussichtsreiche Chance auf einen Bundeszuschuss eröffnet hat, der 50 Prozent der Investitionskosten für die Erneuerung der Dauerausstellung decken würde. Das Haus der Geschichte BadenWürttemberg hat sich dafür eingesetzt, schon in Bälde soll über unseren Förderantrag entschieden werden.
„Das Parkhaus Rabenstraße hatte noch keine echte Chance, sich unter normalen Umständen zu etablieren.“
„Es hat sich eine aussichtsreiche Chance auf einen Bundeszuschuss eröffnet, der 50 Prozent der Investitionskosten decken würde.“
Vorerst nicht berücksichtigt wird laut Haushaltsentwurf der Wunsch des Vereins Volkssternwarte, das Planetarium für Ausstellungsräume und das Schülerforschungszentrum zu erweitern.
Es gibt aber durchaus Ideen für eine Übergangslösung in einer benachbarten Schule oder mithilfe von Containern, bis eine größere Investition realisierbar ist. Auf diese Weise kann das Schülerforschungszentrum gehalten werden. Im Januar setzen wir die Gespräche dazu fort.
Ihr Motto für die kommunale Arbeit im Jahr 2021?
Wir wollen weiter überdurchschnittlich viel in die Verbesserung der städtischen Infrastruktur investieren, ohne von unserer seriösen Linie abzuweichen. Ich bin sicher, das bekommen wir auch im neuen Jahr hin.