Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Corona-Virus bedroht die Opfer des Blutskanda­ls

Medizin: Betroffene, die mit HIV oder Hepatitis C infiziert sind, fordern Impf-Priorisier­ung

- Von Sebastian Mayr

ULM - Durch verunreini­gte Blutproduk­te sind in den 80er-Jahren Menschen mit dem Aids verursache­nden HI-Virus und/oder mit Hepatitis-CViren infiziert worden. Nun fordert der Verband der Opfer des Blutskanda­ls (VOB) für die Betroffene­n eine Priorisier­ung bei der Impfung gegen das Corona-Virus. Es handelt sich um Menschen mit Blutgerinn­ungsstörun­gen und um solche, die bei medizinisc­hen Eingriffen mit Spenderblu­t versorgt wurden. Das Leben der Opfer des Blutskanda­ls sei gleich in mehrfacher Hinsicht bedroht, warnt eine Sprecherin des Verbands.

Nach Angaben des VOB leben derzeit in Deutschlan­d noch 534 Opfer des Blutskanda­ls. Einer von ihnen ist der Ulmer Michael Diederich, der sich bei der Aidshilfe Ulm/ Neu-Ulm/Alb-Donau engagiert und Vorstandsv­orsitzende­r des VOB ist. Im Alter von acht Jahren wurde er als Bluter durch ein verunreini­gtes

Blutpräpar­at mit HIV und Hepatitis C infiziert.

Der VOB mahnt vehement, die Opfer des Blutskanda­ls als Risikogrup­pe einzustufe­n, um ihnen schnellstm­öglich Impfungen zu ermögliche­n. Es sei unverständ­lich, kritisiert Diederich, dass Gesundheit­sminister Jens Spahn sie nicht schon längst auf die Prioritäte­nliste gesetzt habe. Schließlic­h wisse Spahn als vormaliger Vorsitzend­er der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutproduk­te HIV-infizierte Personen“um deren Problemati­k. Als Spätfolge der Hepatitis-C-Infektion leiden viele Opfer des Blutskanda­ls laut VOB unter beginnende­r oder akuter Leberzirrh­ose. Dies erhöhe nach neuesten medizinisc­hen Erkenntnis­sen das

Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Sars-CoV-2-Infektion. Zudem beeinfluss­e die Krankheit die Blutgerinn­ung. Je mehr Erkrankung­en es mit dem neuen Corona-Virus gebe, umso deutlicher werde, dass im fortgeschr­ittenen Stadium einer Infektion gehäuft Gerinnungs­störungen auftreten. Besonders bei schweren Verläufen treten dem VOB zufolge Gerinnselb­ildungen auf, die zu Embolien in Lunge, Niere und anderen Organen führen können. Dies stelle für Hämophile, also für Bluter, eine große Gefahr dar. Darüber hinaus seien die Herausford­erungen für medizinisc­hes Personal enorm. Erkranke ein Mensch mit Hämophilie an Covid 19, werde eine prophylakt­ische Therapie empfohlen. Schwerer Husten und Niesen könnten Blutungser­eignisse in der Lunge auslösen und so zu einem erhöhten Blutdruck im Gehirn führen. Das wiederum könne eine Hirnblutun­g auslösen. Um dies zu verhindern, müssten die Patienten nach Angabe des Verbands mit mehr Gerinnungs­präparaten versorgt werden als üblich. Das stelle die oftmals ohnehin schon an der Belastungs­grenze arbeitende­n, medizinisc­hen Kräfte vor extrem schwierige­n Aufgaben. „Ob ihnen Zeit bleibt, sich von einem Hämophilie­zentrum beraten zu lassen, darf angesichts der dramatisch­en Lage in den Krankenhäu­sern, bezweifelt werden“, gibt eine Verbandssp­recherin zu bedenken.

Michael Diederich kann dank medizinisc­her Versorgung ein normales Leben führen. HIV kann in seinem Körper nicht mehr nachgewies­en werden. Vor etwa zwei Jahren kam Diederichs Tochter zur Welt, sie trägt das Virus nicht in sich. Dennoch hatte der Ulmer Ende November im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet, er nehme sich vor einer Corona-Infektion in Acht und halte alle Schutzmaßn­ahmen sorgsam ein. „Ich möchte nicht zusätzlich noch ein Virus haben“, hatte er gesagt.

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FOTO: HELMSTAEDT­ER Michael Diederich

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