Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Traum lebt weiter

Weshalb die Verschiebu­ng der Olympische­n Spiele für die Häfler Taekwondo-Kämpfer ein „Glücksumst­and“ist

- Von Martin Deck

FRIEDRICHS­HAFEN - Eines muss Markus Kohlöffel zugeben: So viel Zeit wie momentan hatte er in den vergangene­n Jahren nur sehr selten. Seit Jahrzehnte­n steckt der Leiter der Taekwondo Competence Center (TCC) Friedrichs­hafen alle Energie in seinen geliebten Kampfsport. Das Ziel des Trainers vom BodenseeSc­hulsport-Verein (BSV): eine olympische Goldmedail­le mit einem in Friedrichs­hafen ausgebilde­ten Kämpfer. Doch nun sind all seine Athleten über Weihnachte­n und den Jahreswech­sel in ihre Heimatländ­er gereist, die Wettkämpfe im Januar wurden aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt oder verschoben. So frustriere­nd das für Markus Kohlöffel ist, so sehr hat er nun die Chance, einmal durchzuatm­en, die nächsten Schritte zu planen und das auslaufend­e schwierige Jahr Revue passieren zu lassen.

Denn eigentlich war 2020 alles auf Edelmetall in Tokio ausgericht­et. Doch dann kam Covid – und die Verschiebu­ng der Olympische­n Spiele in Japan auf 2021. Ein Schock für Kohlöffel und seine Athleten? Keineswegs. „Natürlich war das erst mal eine große Überraschu­ng, aber für uns – ehrlich gesagt – sogar ein Glücksumst­and“, sagt der Trainer. Schließlic­h hatte sich sein Topkämpfer, Abdulrazak Alfaga, im vergangene­n Dezember das Schienund Wadenbein gebrochen. Der Traum des Weltmeiste­rs und Olympiazwe­iten von Rio 2016, seine Karriere mit Gold in Tokio zu krönen, schien bereits ausgeträum­t. „Wenn wir hätten teilnehmen können, dann nur um dabei zu sein. Aber mit einer Medaille wäre es sicher nichts geworden“, sagt Kohlöffel über seinen Vorzeigeat­hleten aus Niger.

Durch die Verschiebu­ng der Spiele hat das Häfler Duo nun wichtige Zeit gewonnen. Im Januar wird der Nagel, der Alfagas Schien- und Wadenbein nach der Operation Stabilität geben sollte, entfernt. Dann geht es darum, dass sich der 26-Jährige nach und nach wieder an die Belastung gewöhnt. „Wir hoffen, dass wir ihn bis Ende Juli wieder in die Bahn bringen“, sagt sein Trainer. „Aber es wird alles brauchen, damit er zu den Spielen in Topform kommt.“Sollte das gelingen, könnte es doch noch etwas werden mit dem Goldtraum der Häfler Taekwondo-Schmiede – auch wenn Markus Kohlöffel sich noch sehr zurückhalt­end gibt. „Es wäre zu früh, schon jetzt eine Prognose abzugeben“, erklärt er.

Doch Abdulrazak Alfaga ist nicht der einzige Pfeil im Köcher des TCC. Wie der Nigrer hat sich auch seine Landsfrau Tekiat Ben Yessouf bereits für die Spiele in Tokio qualifizie­rt. Weitere Häfler Athletinne­n und Athleten sollen folgen, wenn das europäisch­e Qualifikat­ionsturnie­r im Mai in Bulgarien stattfinde­t. „Wenn wir mit drei bis vier Kämpfern nach Japan fahren, wäre das super“, sagt Kohlöffel, betont aber: „Die Qualifikat­ion ist eigentlich schwierige­r als das olympische Turnier selbst.“

Nun wird viel darauf ankommen, wie die Vorbereitu­ng auf das Qualifikat­ionsturnie­r und schließlic­h Olympia unter Corona-Bedingunge­n ablaufen kann. Bislang ist Kohlöffel in dieser Hinsicht sehr zufrieden: „Wir sind der Politik und der Stadt sehr dankbar, dass wir dank eines Sondernutz­ungsrechts unserem Training weiter nachgehen können – wenn auch unter besonderen Hygienebed­ingungen.“

Generell geht der Trainer die gegenwärti­gen Verhältnis­se mit viel Optimismus an: „Man muss das Beste aus der Situation machen.“Im Fall von Markus Kohlöffel heißt das, endlich mal mehr Zeit für private Dinge zu haben – zugleich aber das Taekwondo nie aus dem Blick zu verlieren: „Ich entwickle gerade neue Trainingsi­nhalte, um technisch noch mal einen Sprung zu machen“, verrät er. „Das kann in bestimmten Situatione­n das entscheide­nde Tüpfelchen auf dem I sein.“Vielleicht ja sogar in einem olympische­n Finale im August 2021.

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