Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Historischer Sieg
Erster schwarzer Senator aus Georgia – US-Demokraten kurz vor Mehrheit in beiden Parlamentskammern
WASHINGTON - Der künftige USPräsident Joe Biden kann sich Hoffnungen machen, mit der Kontrolle seiner demokratischen Partei über den Senat freie Hand für seine Politik zu bekommen. Bei zwei Stichwahlen im Bundesstaat Georgia galt einer der demokratischen Senats-Kandidaten am Mittwoch bereits als Sieger, der andere baute seinen Vorsprung aus.
In einer noch nicht offiziell entschiedenen Abstimmung erklärte sich am Mittwoch der demokratische Kandidat Jon Ossoff zum Sieger. Zuvor hatte sich bereits der Demokrat Raphael Warnock laut Medienberichten in der zweiten Stichwahl durchgesetzt.
Es ist über drei Jahre her, da musste sich Raphael Warnock im Kapitol zu Washington die Hände auf dem Rücken zusammenbinden lassen. Er hatte gegen den Versuch der TrumpAdministrative protestiert, die Gesundheitsreform von Ex-Präsident Barack Obamas auszuhebeln. Als der Pfarrer dann für einen Senatssitz kandidierte, durfte das Kapitel in keiner seiner Wahlkampfreden fehlen: Er wolle diesen wunderbaren Polizisten noch einmal die Gelegenheit geben, ihn zu eskortieren. „Aber diesmal nicht ins Gefängnis, sondern zu meinem Büro.“
Am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) stand so gut wie fest, dass sein Wunsch in Erfüllung gehen wird. Ein amtliches Endergebnis gab es da noch nicht. Aber angesichts eines kaum noch aufzuholenden Vorsprungs nach Auszählung von 98 Prozent der abgegebenen Stimmen erklärten amerikanische Nachrichtensender den 51-Jährigen zum Sieger des Duells mit der republikanischen Amtsinhaberin. Damit hatte Georgia Geschichte geschrieben.
Der Pfarrer der Ebenezer Baptist Church, der Kirche, an der einst Martin Luther King predigte, wird als erster Afroamerikaner überhaupt aus dem „Peach State“in den US-Senat einziehen. Wohlgemerkt, aus einem der alten Südstaaten, die einen Bürgerkrieg in Kauf nahmen, um die Sklaverei zu retten. Aus einem Staat, den die Republikaner zu einer ihrer Hochburgen ausbauten.
Um Geschichte ging es denn auch, als sich Warnock aus seinem Homeoffice heraus an die Wähler wandte. In emotionalen Worten sprach er von seiner Mutter, die im Teenager-Alter „anderer Leute“Baumwolle pflückte, mit 82 Jahren für ihren jüngsten Sohn, das elfte von zwölf Kindern, als Senatsanwärter stimmen konnte. „Heute haben wir bewiesen, dass mit Hoffnung, harter Arbeit und Menschen an unserer Seite alles möglich ist“, beschwor er die Aufstiegschancen Amerikas.
Dem linken Flügel seiner Partei zuzurechnen, gehört der Geistliche zu jenen Demokraten, die mahnen, sich stärker als bisher der Sorgen einer verunsicherten Arbeiterschaft anzunehmen, um Populisten vom Schlage Donald Trumps das Wasser abzugraben. Weit oben auf seiner Agenda steht die Forderung nach einem Gesundheitssystem, das ausnahmslos alle Amerikaner krankenversichert.
Der Ausgang des zweiten Rennens, zwischen dem Republikaner David Perdue und dem Demokraten Jon Ossoff, war zunächst noch offen. Gewinnt Ossoff, ein 33-jähriger Produzent von Dokumentarfilmen, ist er seit vier Dekaden der Jüngste, der den Sprung in die Senatskammer schafft.
Bei den Wahlen dürfte sich wiederholt haben, was Trump bereits im November den Sieg im Präsidentschaftsrennen in Georgia kostete. Weiße Mittelschichtenwähler waren von der Rhetorik des Präsidenten dermaßen abgestoßen, dass sie Joe Biden den Vorzug gaben. Dass der Mann im Weißen Haus seine Niederlage partout nicht anerkennen will und sich mit verzweifelten Manövern zum Sieg zu mogeln versucht, könnte etliche veranlasst haben, seiner Partei nun erst recht einen Denkzettel zu verpassen.
Ersten Analysen zufolge profitierten sowohl Warnock als auch Ossoff zudem von einer ungewöhnlich hohen Beteiligung afroamerikanischer Wähler. Sollten sich am Ende beide durchsetzen, hätten die Demokraten im Senat die Mehrheit. Da sie auch das Repräsentantenhaus kontrollieren, würden den Konservativen die Machthebel fehlen, um Biden auszubremsen.