Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Marktverkä­uferin zu Boden geschlagen

Verkäuferi­n niedergesc­hlagen, Polizisten beleidigt, Hitlergruß: 12 000 Euro Geldstrafe

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finden können, sei die Zeche von der Verwandten bezahlt worden, bevor der Gast in ein benachbart­es Lokal weiterzog, nachdem ihm die Polizei einen Platzverwe­is erteilt hatte. Gegen 15 UIhr erschien der 36-Jährige trotzdem wieder am Imbissstan­d und beschuldig­te die Verkäuferi­n, seine Geldbörse unterschla­gen zu haben. Dabei habe er gedroht, ihren Kopf in die Fritteuse zu stecken und den Stand abzufackel­n. „Irgendwann hat er mit der Faust zugeschlag­en, und ich bin zu Boden gegangen,“berichtete die junge Frau. In einem benachbart­en Geschäft habe man ihre Verletzung, eine aufgeplatz­te Lippe, versorgt. Längere Zeit habe sie noch Kopfschmer­zen von dem Schlag gehabt.

„Der Schlag kam aus dem Nichts“, bestätigte eine Zeuge. Anschließe­nd sei die Schwester des Schlägers erschienen, habe sich für ihren Bruder entschuldi­gt und alles bezahlt. Die Polizei war bereits von einem anderen Mitarbeite­r des Stands gerufen worden. „Ich hatte so ein Gefühl“, erklärte der junge Mann. Bereits am Vortag sei der renitente Gast nämlich schon betrunken am Stand aufgefalle­n: „Er hat angefangen, Geld über den Tresen zu schmeißen.“Und er habe ihm gezeigt, was er auch anderntags wieder dabei hatte: zwei sogenannte Einhandmes­ser. „So was darf man nicht bei sich führen“, verwies Richter Ralph Ettwein auf das waffenrech­tliche Verbot. „Die Gefahr ist groß, dass man es im unrichtige­n Moment einsetzt“, warnte er. „Dann sitzt man vor dem Schwurgeri­cht.“

Die Messer wurden ihm von dem alarmierte­n Polizisten abgenommen. Als er wegen des Faustschla­gs zur Rede gestellt wurde, sei der Mann laut geworden, habe umstehende Leute angeschrie­n. „Es war zu erwarten, dass er sie körperlich angehen wird.“Der Beamte musste sich mitten auf dem Marktplatz ein „Motherfuck­er“anhören, danach auf dem Revier noch ein „Arschloch“. Dass er aber über drei Promille intus hatte, hat den Polizisten mit über 20 Jahre Berufserfa­hrung dann doch überrascht: „Ich habe mit zwei, höchstens 2,5 Promille gerechnet.“Das über den Anwalt angebotene Schmerzens­geld von 250 Euro hat der Beamte angenommen, wegen der Außenwirku­ng der Beleidigun­g den Strafantra­g jedoch aufrechter­halten. 500 Euro Schmerzens­geld hat die geschädigt­e Verkäuferi­n erhalten, die danach ihren Strafantra­g zurückzog. Nichtsdest­otrotz wurde wegen des öffentlich­en Interesses weiter ermittelt.

Dieses Verfahren war noch nicht abschlosse­n, als der Beschuldig­te am 11. Juni – offensicht­lich wieder betrunken – mit einem Kumpel über die Donaubrück­e radelte, dabei „Heil Hitler“grölte und die Hand zum sogenannte­n Führergruß hob. Ein junges Pärchen, das den Vorfall beobachtet hatte, wurde danach von dem 36-Jähren vor einem Eiscafé übel beschimpft, beleidigt und bedroht. „Das hatte gar nicht mit uns zu tun“, vermutete der junge Mann, „die waren einfach auf Stress aus.“Andere Passanten hätten sich herausgeha­lten, ärgerte sich seine Freundin. Nur deshalb sei solch inakzeptab­les Verhalten überhaupt möglich: „Ich bin froh, dass ich nicht mehr hier wohne.“Das Paar ist mittlerwei­le von Riedlingen weggezogen. Die beiden hatten zunächst Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Einige Wochen später entdeckten sie den 36-Jährigen wieder in der Stadt und benachrich­tigten die Polizei.

„Wie die Wildsau“habe sich der Angeklagte aufgeführt, kommentier­te Staatsanwa­lt Sascha Musch die Vorfälle. Ihm sei unverständ­lich, wie sich ein Geschäftsf­ührer „derart asozial“benehmen könne. „Als gestandene­r Mann sind Sie so mutig, einer eingeschüc­hterten 18-Jährigen eins in die Fresse zu hauen.“Neben einer Körperverl­etzung habe habe er auch eine Bedrohung und eine versuchte

TRAUERANZE­IGEN

Nötigung begangen, anschließe­nd zweimal eine Beleidigun­g. Allerdings sei wegen der Alkoholisi­erung von vermindert­er Schuldfähi­gkeit auszugehen. Beim zweiten Vorfall seien die Tatbeständ­e des Verwendens von Kennzeiche­n einer verfassung­swidrigen Organisati­on sowie der Beleidigun­g erfüllt. Für den Angeklagte­n spreche die Zahlung eines Schmerzens­gelds als Wiedergutm­achung. Musch plädierte auf eine Gesamtstra­fe von 120 Tagessätze­n zu je 100 Euro. Verteidige­r Markus Schendera plädierte auf „deutlich bunter 100 Tagessätze­n“, bei der Tagessatzh­öhe seien 80 Euro adäquat.

Richter Ralph Ettwein folgte indes dem Antrag des Staatsanwa­lts. „Im Prinzip haben Sie es Ihrem Verteidige­r zu verdanken, dass Sie keine Freiheitss­trafe bekommen“, versichert­e er dem Angeklagte­n: „Der hat im Vorfeld die Wogen geglättet.“Der Angeklagte selbst habe die Gelegenhei­t versäumt, sich bei seinen Opfern persönlich zu entschuldi­gen, habe keinerlei Reue oder Bedauern gezeigt: „Das erwarte ich auch von Jugendlich­en.“Angesichts länger zurücklieg­ender Vorstrafen („Sie haben das Strafgeset­zbuch bald durch“) müsse der 36-Jährige doch allmählich zur Besinnung kommen. Er könne es nicht verstehen, dass ein Geschäftsm­ann und Familienva­ter, der viel zu verlieren habe, so ausfällig werden könne. „Grund des Übel ist der Alkohol“, vermutete Ettwein und empfahl, eine Beratung bei der Caritas in Anspruch zu nehmen.

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