Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Corona und Pandora

- R.waldvogel@schwaebisc­he.de

der des Prometheus. Obwohl Prometheus (auf Deutsch der alles im Vorhinein Bedenkende) Epimetheus (der alles erst im Nachhinein Bedenkende) vor einem Geschenk des erbosten

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Zeus warnte, nahm dieser die Schöne zu sich, die dann prompt das Gefäß öffnete. In der „Theogonie“des Hesiod, seiner um 700 v. Chr. geschriebe­nen Geschichte von der Erschaffun­g der Welt und der Götter, liest sich das dann so: „Aber das Weib hob ab den mächtigen Deckel und ließ alles heraus, den Men

zu stiften Not, Jammer und Plage.“

Zunächst eine philologis­che Notiz: Heute spricht man von der Büchse der Pandora, doch dies soll auf einem Übersetzun­gsfehler des Erasmus von Rotterdam aus dem 16. Jahrhunder­t beruhen. Pithos (großes irdenes Vorratsgef­äß), wie es noch bei Hesiod hieß, wurde wohl als pyxis (Büchse. Dose) missversta­nden. Nicht näher eingehen können wir hier leider auf die Parallelen zu anderen Mythen von der Erschaffun­g des Menschen, was sich ja anbieten würde – angefangen bei dem durch Eva ausgelöste­n Sündenfall in der Bibel. Nicht ohne Grund gelten sowohl Hesiods Pandora-Episode als auch die Verführung­sszene aus der Genesis in der feministis­chen Literatur als Geburtsstu­nden der Frauenfein­dlichkeit.

Aber wir wollen ja das Ende der Geschichte betrachten: Laut Hesiod schloss Pandora das Gefäß wieder, bevor die letzte der Gaben entweichen konnte: die Hoffnung. Nun ist die Hoffnung – im Gegensatz zu den anderen freigesetz­ten Übeln – eigentlich etwas Positives. Hat Zeus sie also wieder sofort wegschließ­en lassen, um uns zu beweisen, dass sie auch trügerisch sein kann? Für den Pessimiste­n Friedrich Nietzsche lag der Fall klar: Er sah die Hoffnung als die schlimmste der Pandora-Plagen, weil sie dazu führe, dass der Mensch sich vergeblich bemühe und so seine Qualen verlängere.

In der späteren Rezeption des Mythos hat man sich eingedenk dieses Dilemmas auf zweierlei Art beholfen: Entweder man redete gar nicht von dieser letzten, zwiespälti­gen Gabe, oder aber man ging davon aus, dass die Büchse doch irgendwann wieder geöffnet wurde, und die Hoffnung zu unser aller Segen aus ihrem Gefängnis entweichen konnte. Angesichts der immer noch grassieren­den Seuche tendieren wir zur zweiten Version.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel

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