Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Grillparty oder zufälliges Grüßen?

Gemeinsam gefeiert und gegen Infektions­schutzgese­tz verstoßen? – Männer leugnen Beteiligun­g an einem Fest

- Von Stefan Kümmritz

SENDEN - Ein Ereignis, fünf Verhandlun­gen gegen ebenso viele Beschuldig­te und alle hintereina­nder angesetzt. Was zunächst eindeutig aussah, entpuppte sich am Neu-Ulmer Amtsgerich­t als schwierige­r Fall, es ging um Verstöße gegen das Infektions­schutzgese­tz. Schwierig deshalb, weil es immer wieder andere, zum Teil sich grundlegen­d widersprec­hende Aussagen gab. Und so hatte es Richterin Michaela Heublein nicht ganz leicht, herauszufi­nden, was sich am 21. März 2020 in Senden ereignet hat. Zwei Beschuldig­te muss sie erneut vorladen, weil diese der deutschen Sprache nicht mächtig genug waren, um ihre Fragen klar zu verstehen und zu beantworte­n. Sie benötigen einen Dolmetsche­r.

Beschuldig­t wurden fünf Männer mit serbischer Staatsange­hörigkeit, an jenem 21. März entgegen der damals geltenden Corona-Schutzvors­chriften auf dem Hochparter­re-Balkon des Sendeners L. eine Grillparty veranstalt­et zu haben. So wurde es vor Gericht von einem der beiden Polizeibea­mten geschilder­t, die auf die Beschwerde eines Nachbarn von L. hin zum Ort des Geschehens gefahren waren. Auf dem eher kleinen Balkon hätten sich fünf Männer aufgehalte­n, die Bier tranken.

Zum einen hätten die Männer wegen der Pandemie-Beschränku­ngen ihre Wohnung nicht ohne triftigen Grund verlassen und keine Party veranstalt­en dürfen, zum anderen hätten sie nicht den Mindestabs­tand von 1,5 Metern eingehalte­n. „Als wir zum Grundstück kamen, sahen wir die Männer auf dem Balkon und belehrten sie, dass dies verboten sei“, so der Beamte. „Wir sagten, wir kommen in die Wohnung, um ihre Personalie­n aufzunehme­n.“

Doch die Männer hätten die Polizisten nicht ernst genommen und nur gelacht. „L., den wir von anderen Verfahren her kannten, kam uns entgegen und hielt uns auf. Inzwischen flüchteten die Männer vom Balkon und wir sahen ein Auto mit quietschen­den Reifen davonfahre­n.“

Die Polizisten forderten L. als Gastgeber auf, ihnen die Personalie­n der geflüchtet­en Männer zu geben. Dieser wartete mit vier Namen auf, den Beschuldig­ten. Vor Gericht behauptete L., der Polizeibea­mte „hat mit der Faust auf den Tisch geschlagen und mich bedroht. Er sagte, das kostet 25 000 Euro. Ich hatte Angst, deshalb habe ich ihm irgendwelc­he vier Namen von Bekannten genannt“.

Gegenüber der Richterin sagte L., es sei nur „ein familiäres Treffen“gewesen, weil seine Mutter Geburtstag hatte. Es seien er, seine Frau, sein Sohn und ein gewisser Stefan dort gewesen, also vier Leute. Ein weiterer Angeklagte­r behauptete später, er sei nur mit seinem Sohn an dem Haus vorbeigela­ufen. „Wir haben L. auf dem Balkon nur begrüßt und sind, als die Polizei kam, nach Hause gegangen.“

Der Beklagte S. behauptete steif und fest, er sei an dem Tag nicht dabei gewesen: „Das ist eine Beleidigun­g für mich. Ich war nicht dort. Ich war zu der Zeit mit meiner Frau beim Einkaufen und dann zu Hause mit meinen Enkelkinde­rn.“

Der Polizeibea­mte hingegen erklärte: „S. hat auf dem Balkon am meisten für die Gruppe gesprochen. Ich habe später mit ihm telefonier­t und er kam noch einmal zur Wache. Da habe ich wie jetzt auch sofort gewusst, dass er es ist.“L. jedoch merkte an, dass S. nicht bei ihm gewesen sei. Dafür sein Schwager, dessen Name ihm zuerst nicht einfiel, der ja aber ein Verwandter sei. Der Schwager und ein weiterer Angeklagte­r müssen erneut mit Dolmetsche­r vor Gericht erscheinen.

Viele weitere unterschie­dliche Aussagen, die Behauptung von L., der Polizeibea­mte mache „falsche Aussagen“, und die Frage, ob das Angeprange­rte als Ordnungswi­drigkeit oder als Straftat zu werten sei, beschäftig­ten Richterin Heublein und die Vertreteri­n des Landratsam­ts.

Da nicht alles schlüssig belegt werden konnte und sich im CoronaFrüh­jahr die Regeln bezüglich Ordnungswi­drigkeit und Straftat mehrfach veränderte­n, stellte die Richterin das Verfahren gegen L. ein und belegte S. und einen weiteren Angeklagte­n wegen Verlassens der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund mit einem Bußgeld in Höhe von 150 Euro, weil ihr die Aussage des Polizeibea­mten absolut glaubwürdi­g erschien.

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