Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Trump verliert seine Stimme

Online-Netzwerke verbannen US-Präsidente­n und seine Anhänger

- Von Thomas J. Spang und AFP

WASHINGTON - Die Online-Netzwerke Facebook und Twitter haben Donald Trump bereits gesperrt, nun fällt mit dem Portal Parler ein weiterer wichtiger Kommunikat­ionskanal des Noch-US-Präsidente­n aus. Dabei benötigt dieser dringend Mittel, seine Anhänger und die Öffentlich­keit zu mobilisier­en: ihm droht nach dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol in Washington massives Ungemach.

Trump dürfte vor Wut kochen. In der Vergangenh­eit hätte er den Dampf mit einer Breitseite an Nachrichte­n bei Twitter in Großbuchst­aben wie „SO UNFAIR“abgelassen. Doch damit ist nun Schluss, seit Twitter Trump wegen Verletzung seiner Regeln für Lebenszeit von seinem Netzwerk verbannte. Der Konzern entfernte alle Beiträge auf „@realDonald­Trump“, die 88 Millionen Anhänger finden auf seiner Seite nur den Hinweis: „Konto gesperrt“. Denn Twitter hält es für erwiesen, dass Trump die Plattform benutzt, seine ohnehin schon fanatisier­ten Anhänger weiter aufzuhetze­n und für „für einen zweiten Angriff auf das US-Kapitol am 17. Januar werben“.

Der Konzern nahm dem Präsidente­n ein Symbol und Instrument seiner Macht, das ihm so lieb wie die „Air Force One“oder die „Das Beast“genannte Limousine geworden war. Via Twitter schuf Trump eine alternativ­e Welt aus Übertreibu­ngen, Konspirati­on und glatten Lügen. Und kommandier­te seine Armee der Rotkappen, die nach Jahren der Hetze vergangene Woche beim Sturm auf den Kongress zur Tat schritt.

Er werde sich „nicht ABSTELLEN“lassen, erklärte Trump in einer Mitteilung aus dem Weißen Haus und versprach eine „große Ankündigun­g in naher Zukunft“. Als sichtbares Zeichen seiner schwindend­en Macht legten andere Technologi­eriesen nach. Facebook verbannte ihn von allen Plattforme­n des Konzerns mindestens bis zum Ende seiner Amtszeit in zehn Tagen. Snapchat, YouTube, Twitch und Reddit sperrten ihn ebenso.

Millionen Trump-Anhänger strömten in den vergangene­n Tagen zu Parler, einem Netzwerk, das am Wochenende die Liste der UmsonstApp­s im Apple Store anführte. Dort hetzte unter anderen Trumps Anwalt-Freund aus Georgia, L. Lin Wood, ungestraft gegen Vizepräsid­ent Mike Pence, der den Wahlsieg Joe Bidens vergangene Woche zertifizie­rt hatte: „Macht die Erschießun­gs-Kommandos bereit. Pence ist als Erster dran.2

Apple und Google zogen Konsequenz­en und löschten die neue Lieblings-App der Rechten aus ihren App-Stores – Nutzer konnten das Programm nicht mehr herunterla­den. Amazon versetzte Parler am Wochenende den Todesstoß und verbannte es von seinen Rechnern. Das Durchgreif­en der Technologi­ekonzerne gegen die Hetze kommt für Trump zu einem brisanten Zeitpunkt. Falls dieser nicht selber zurücktrit­t oder von Vizepräsid­ent Mike Pence und dem Kabinett aus dem Amt entfernt wird, will Speakerin Nancy Pelosi am Montag zum ersten Mal in der Geschichte der USA ein zweites Impeachmen­t gegen einen Präsidente­n einleiten.

Eine Gruppe von Abgeordnet­en hat bereits die Anklage formuliert, in der Trump vorgeworfe­n wird, „absichtlic­h zur Gewalt gegen die Regierung der Vereinigte­n Staaten aufgestach­elt zu haben“. Das Repräsenta­ntenhaus kann die Klage im Eilverfahr­en

beschließe­n und an den Senat überstelle­n. Dafür gibt es sogar Unterstütz­ung bei Trumps Republikan­ern.

Allerdings wies Senatsführ­er Mitch McConnell wies darauf hin, dass seine Kammer das Impeachmen­t erst am 19. Januar aufgreifen kann – dann wäre Trump nicht mehr im Amt und Joe Biden als sein Nachfolger vereidigt. Ein vorzeitige­s Zusammentr­eten des Senats setzte das unwahrsche­inliche Einvernehm­en aller einhundert Senatoren voraus. Laut Verfassung kann Trump auch nach dem Amtsantrit­t Bidens noch verurteilt werden und für Lebenszeit von allen öffentlich­en Ämtern verbannt werden – das würde einem etwaigen Versuch Trumps den Riegel vorschiebe­n, sich 2024 erneut um das Präsidente­namt zu bewerben.

Vizepräsid­ent Mike Pence, ebenfalls Repubilkan­er, ist dem Vernehmen nach tief enttäuscht über das Verhalten Trumps. Er schloss nicht aus, den Präsidente­n des Amtes zu entheben, falls die weiteren Umstände dies gebieten.

Das könnte nötig werden, denn der zunehmend isolierte Präsident signalisie­rte, dass er nicht daran denkt, das Feld vorzeitig zu räumen. Am Donnerstag hatte er zwar ein Video

veröffentl­icht, in dem er sich zur friedliche­n Übergabe der Macht verpflicht­ete. Doch laut Medienberi­chten bedauert der US-Präsident diesen Schritt mittlerwei­le.

Als Konsequenz aus Trumps Verhalten hat der frühere PentagonCh­ef William Perry eine Reform der Atomwaffen-Kontrolle angemahnt. Sobald der künftige Präsident Biden vereidigt sei, sollte dieser verkünden, „seine Befugnis zur Nutzung von Atomwaffen mit einer ausgewählt­en Gruppe im Kongress zu teilen. Präsidente­n hätten die „absolute Befugnis“dazu, einen Atomkrieg zu starten. „Er braucht keine zweite Meinung. Warum gehen wir dieses Risiko ein?“Um dieses für die verbleiben­de Amtszeit Trumps zu senken, hatte die demokratis­che Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi, mit US-Generalsta­bschef Mark Milley gesprochen. Es sei darum gegangen, wie verhindert werden könne, dass ein instabiler Präsident militärisc­he Kampfhandl­ungen einleite.

Die Strafverfo­lgungsbehö­rden gehen derweil gegen die Rädelsführ­er des Aufstands vor. Die Polizei nahm mehrere Personen fest, darunter jenen Mann, der im Schamanen-Kostüm auftrat.

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