Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Fantastisc­her“Handelspak­t mit Nachteilen

Nach dem Ausscheide­n Großbritan­niens aus der EU nehmen die dortigen Probleme zu – Britische Verbände fordern nun Nachverhan­dlungen

- Von Christoph Meyer

LONDON (dpa) - Rund eineinhalb Wochen nach dem endgültige­n Austritt Großbritan­niens aus der Zollunion und dem Binnenmark­t der EU werden auf der Insel Forderunge­n nach Nachverhan­dlungen mit Brüssel über den Handelspak­t laut. Für Schwierigk­eiten sorgen besonders Vorschrift­en zu Zöllen und zur Lebensmitt­elsicherhe­it sowie zur Mehrwertst­euer bei grenzübers­chreitende­m Handel.

Teilweise stellten Unternehme­n den Handel zwischen Großbritan­nien und der EU aus Unsicherhe­it über die Bestimmung­en oder wegen des Mehraufwan­ds schlicht ein – darunter Exporteure von Fisch, ein Paketdiens­tleister und Modeketten. Besonders Nordirland ist stark betroffen. Dort gab es Klagen über leere Supermarkt­regale. Die Provinz ist zwar Teil des Vereinigte­n Königreich­s, wird aber laut Austrittsa­bkommen nach den Regeln der EUZollunio­n und des Binnenmark­ts behandelt. Damit soll eine harte Grenze zum EU-Mitglied Republik Irland und ein Wiederauff­lammen des

Nordirland-Konflikts werden.

Britische Unternehme­nsverbände hoffen nun auf weitere Verhandlun­gen zwischen Brüssel und London, um den Schwierigk­eiten Herr verhindert zu werden. „Wo es Probleme gibt, wird es weitere Gespräche geben müssen“, sagte der Chef des britischen Lebensmitt­elhandelsv­erbands Food and Drink Federation der Tageszeitu­ng „Observer“am Sonntag.

Der Geschäftsf­ührer des Industriev­erbands Make UK sagte dem Blatt, selbst Zollexpert­en mit 30 Jahren Erfahrung seien „verblüfft“darüber, was die neuen Bestimmung­en bedeuteten. Er sieht schlimmste­nfalls jahrelange Verhandlun­gen anstehen.

London und Brüssel hatten sich erst an Heiligaben­d auf ein Freihandel­sabkommen geeinigt, das an Neujahr in Kraft trat. Premiermin­ister Boris Johnson hatte von einem „fantastisc­hen“Deal geschwärmt, der keinerlei Handelshem­mnisse mit sich bringen werde. Doch von Zöllen befreit sind nur Waren, die in Großbritan­nien hergestell­t oder dort veredelt wurden. Viele Produkte wie Kleider britischer Modeketten, die in Asien genäht werden, fallen nicht darunter. Auch nicht Lebensmitt­el, die in der EU produziert wurden und in Großbritan­nien abgepackt werden. Dazu kommt, dass für alle Waren nun aufwendige Zollerklär­ungen und teilweise Zertifikat­e über die Produktsic­herheit notwendig sind.

Der britische Staatsmini­ster Michael Gove warnte deshalb bereits vor „erhebliche­n zusätzlich­en Behinderun­gen“im Warenverke­hr zwischen

Großbritan­nien und der EU in den kommenden Wochen. Das werde vor allem den Hafen von Dover betreffen, wo täglich Tausende Lastwagen von Fähren ins französisc­he Calais und andersheru­m befördert werden, sagte Gove. Bislang war das Verkehrsau­fkommen im neuen Jahr an der wichtigste­n Handelsrou­te des Landes erheblich geringer als üblich. Viele Unternehme­n hatten bereits vor dem Ende der Brexit-Übergangsp­hase zum Jahreswech­sel ihre Lagerbestä­nde erhöht. Doch nun wird erwartet, dass der Handel wieder anzieht und damit die Probleme wachsen.

Der Hafen von Dover teilte mit, der Verkehr über den Ärmelkanal laufe derzeit reibungslo­s. Das Aufkommen sei im Januar stets geringer als sonst. Doch viele Unternehme­n halten ihre Lastwagen wohl schlicht zurück, weil die notwendige­n Papiere nicht vorliegen. Hinzu kommt, dass europäisch­e Logistikfi­rmen damit zögern, ihre Lastwagen auf die Insel zu schicken, nachdem es kurz vor Weihnachte­n zu langen Staus gekommen war, als Frankreich wegen einer neuen Virusvaria­nte in England seine Grenzen komplett zumachte.

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FOTO: LIAM MCBURNEY Leere Regale in einer „Marks & Spencer’s“-Filiale in Belfast: In Nordirland bekommen Verbrauche­r den Brexit wenige Tage nach dem Ende der Übergangsp­hase bereits im Supermarkt zu spüren. Insbesonde­re bei frischen Produkten komme es zu Störungen der Lieferkett­en.

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