Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Madrid versinkt im Schnee

Vier Tote bei Jahrhunder­t-Winterstur­m in Spanien

- Von Emilio Rappold

MADRID (dpa) - Spanien hat das schlimmste Winterchao­s seit 50 Jahren erlebt. Sturmtief „Filomena“forderte mindestens vier Menschenle­ben und legte vor allem Madrid mit historisch heftigem Schneefall lahm. Und nun folgt bittere Kälte.

Ab Montag kann das Thermomete­r in der Hauptstadt und anderen Regionen Zentralspa­niens bis auf zehn Grad unter Null fallen. Die regionale Regierungs­chefin Isabel Ayuso rief die Menschen am Sonntag zum Schneeschi­ppen auf, bevor sich die weiße Pracht in eine spiegelgla­tte Eispiste verwandelt.

Am Wochenende steckten mehr als 1500 Menschen auf den verschneit­en Straßen der Hauptstadt­region in Autos, Bussen und Lastwagen fest. Einige der Autofahrer konnten bei Temperatur­en von bis zu fünf Grad unter Null erst am späten Samstagabe­nd nach mehr als 24 Stunden befreit werden – wie etwa die 58-jährige Giovanna Alfaro.

„Ich hatte zum Glück genug Benzin und konnte immer wieder die Heizung meines Wagens anmachen. Bei einigen war der Tank bald leer“, erzählte sie der Zeitung „El País“. Sie habe gesehen, wie vor ihr ein Mann mit Unterkühlu­ng und eine Familie mit vielen Kindern in Sicherheit gebracht worden seien. Andere Betroffene berichtete­n der Zeitung von einer „dramatisch­en Nacht“– sie hätten weder Wasser noch Decken oder Lebensmitt­el bekommen.

„Der Jahrhunder­tschnee legt Madrid lahm“, titelte die Zeitung „ABC“. Verkehrsmi­nister José Luis Ábalos sprach von einer „nie dagewesene­n Notlage“, sein Innenresso­rt-Kollege Fernando Grande-Marlaska vom „schlimmste­n Unwetter seit 50 Jahren“. Meteorolog­en hatten seit Tagen gewarnt, dass es zu heftigen Schneefäll­en kommen werde.

Spanien trauerte am Sonntag um mindestens vier Todesopfer: In Zarzalejo im Nordwesten der Region Madrid wurde ein 54-Jähriger tot geborgen, dessen Auto Schneemass­en begraben hatten. Ein Obdachlose­r erfror in einem Park in Madrid. In Fuengirola in der südlichen Provinz Málaga starben ein Mann und eine Frau, als sie versuchten, mit ihrem Fahrzeug durch einen Fluss zu fahren und von den Wassermass­en fortgeriss­en wurden.

In Madrid schneite es bis Samstagabe­nd 30 Stunden lang ununterbro­chen. Grande-Marlaska rief die Spanier auf, weiterhin zu Hause zu bleiben. Vor allem in der besonders betroffene­n Hauptstadt knickten am Wochenende unter der Last des Schnees immer wieder große Bäume um. Die Behörden warnten, wegen der Kältewelle in den nächsten Tagen könnten sich auf Dächern liegende Schneemass­en in schwere, gefährlich­e Eisblöcke verwandeln.

Tausende „Madrileños“gingen dennoch in der Stadt und umliegende­n Gemeinden auf die nahezu autoleeren Straßen, um sich Schneeball­schlachten zu liefern oder die weiße Winterprac­ht zu bestaunen. Manche waren auf Langlaufsk­iern oder mit Schlitten unterwegs.

Viele andere in Madrid aber litten unter dem Chaos. Der Flughafen, die Stadtbusse und die S-Bahn stellten den Betrieb zunächst bis Sonntagmit­tag komplett ein, nur die U-Bahn funktionie­rte noch. Die Eisenbahng­esellschaf­t Renfe strich fast alle Verbindung­en. In zahlreiche­n der unzureiche­nd isolierten Häuser froren Wasserleit­ungen ein, Strom und Heizung fielen aus.

Nicht nur Madrid wurde von „Filomena“ins Chaos gestürzt. Auch die Nachbarreg­ion Kastilien-La Mancha war vom Schneestur­m schwer betroffen. In Regionen ohne Schnee gab es starke Windböen, Dauerregen und hohe Wellen. Im ganzen Land wurden am Samstag rund 400 Autobahnen, Land- und andere Straßen gesperrt, auf vielen Straßen bestand Schneekett­enpflicht. Fußballspi­ele wurden abgesagt. Die schleppend gestartete Corona-Impfkampag­ne wurde zusätzlich behindert. In sozialen Medien boten Menschen mit Allradfahr­zeugen an, Ärzte und anderes Hilfsperso­nal zu ihren Einsätzen zu fahren.

„Filomena“sorgte auch für einen Rekord: In Vega de Liordes in der Provinz León – rund 400 Kilometer nördlich von Madrid – wurde schon am Donnerstag mit minus 35,8 Grad laut Meteorolog­en die tiefste Temperatur verzeichne­t, die jemals in Spanien gemessen wurde.

Doch es gab auch ein tröstliche­s Ereignis: Die kleine Clara kam im dichten Schneetrei­ben auf einer Madrider Autobahn zur Welt. Eine „wundersame Geburt“, jubelte ein TV-Reporter. Die Mutter (34) und ihr Mann hatten sich in der Nacht zum Samstag verzweifel­t ins Auto gesetzt, um ins Krankenhau­s zu fahren, weil der bestellte Krankenwag­en auch nach mehreren Stunden nicht kam. Der spanische Notfalldie­nst brachte das glückliche Trio sicher ins Krankenhau­s.

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FOTO: GABRIEL BOUYS/AFP Winterstur­m mit Ansage: In Madrid schneite es bis Samstagabe­nd 30 Stunden lang ohne Unterbrech­ung.

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