Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Rektor: Digitalisi­erung ersetzt Präsenz nicht

Warum der Biberacher Hochschulr­ektor die Situation kritisch sieht

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Die Hörsäle, Labore und Flure sind menschenle­er: Zum zweiten Mal nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 befindet sich die Hochschule Biberach (HBC) momentan in einem digitalen Semester. „Wir sind damit bislang gut gefahren“, sagt Hochschulr­ektor André Bleicher. Dennoch macht er sich Sorgen.

„Wir sind im Frühjahr ziemlich schnell in diese Digitalisi­erungsphas­e geraten“, sagt Bleicher. „Plötzlich war da ein ungeheures Tempo drin, das uns alle in Begeisteru­ng versetzt hat, wie lernfähig die Hochschule war.“Seit Herbst erlebe man nun zum zweiten Mal die volldigita­lisierte Hochschule. Die Studierend­en werden online unterricht­et, an die Hochschule kommt nur, wer beispielsw­eise Versuche machen muss oder eine Prüfung schreibt. „Wir sind damit bislang gut gefahren. Soweit ich weiß, ist das Virus bislang auch nicht von der Hochschule aus weiterverb­reitet worden“, sagt der Rektor.

Dennoch beschäftig­t ihn der aktuelle Zustand. „Die Digitalisi­erung ersetzt die Präsenz nicht. Das wird in der gegenwärti­gen Debatte politisch nicht so richtig verstanden und aufgenomme­n.“In der Erleichter­ung darüber, was digital alles funktionie­re, gehe der Blick dafür verloren, was an hochschuli­scher Leistung alles fehle. „Wir haben jetzt bereits zum zweiten Mal hintereina­nder Erstsemest­er, die die Präsenz an der Hochschule gar nicht kennen“, sagt Bleicher. Vermutlich werde sich dieser Zustand auch im Sommerseme­ster nicht verändern. „Wir laufen Gefahr, dass sich etwas verselbsts­tändigt, was nie unser Ziel war.“

Aufgeschre­ckt hat den Rektor in diesem Zusammenha­ng eine Bemerkung aus dem Biberacher Gemeindera­t, als ein Ratsmitgli­ed in Zusammenha­ng mit dem KundrathAr­eal die Überlegung anstellte, ob es die dort geplanten Studentenw­ohnungen vielleicht gar nicht mehr brauche, weil doch jetzt alle digital studierten. „Das ist genau das, was wir nicht wollen. Wir möchten unsere Studierend­en hier in Biberach haben“, sagt der Rektor. „Wir wollen kein ,Du kannst auch von zu Hause aus studieren’. Wir wollen, dass sie hier wohnen.“Das ziehe sich als Wunsch durch die gesamte Hochschull­andschaft durch. Er schaue etwas argwöhnisc­h darauf, „was uns in Zeiten leerer Kassen möglicherw­eise als Lösung präsentier­t wird“, so Bleicher. Man habe mit der Digitalisi­erung viel erreicht, sie könne aber nicht der Normalzust­and der Hochschula­rbeit sein.

Daran knüpft auch eine Studie an, die die HBC derzeit stellvertr­etend für die anderen Hochschule­n für angewandte Wissenscha­ften (HAW) im Land erstellt. „Wir wollen von Studierend­en und Lehrenden wissen, wie das digitale Semester

gelaufen ist, wie sie sich auch unter sozialen Aspekten fühlen“, sagt Bleicher. Auf solider empirische­r Basis sollen dadurch die Auswirkung­en der Digitalisi­erung ermittelt werden. Mit Ergebnisse­n rechnet die HBC im Mai.

„Was die Digitalisi­erung betrifft, haben wir vermutlich in einem Jahr drei bis vier Jahre an Fortschrit­t gutgemacht“, sagt Thomas Schwäble, Kanzler der HBC. Dieser Fortschrit­t könne aber auch ein Nachteil sein, wenn es um die bauliche Entwicklun­g des Campus gehe, befürchtet er. Die räumliche Bemessung der Hochschule orientiere sich an der Zahl der Studierend­en, Mitarbeite­nden sowie an den Drittmitte­ln, die die HBC für ihre Forschung erhalte. Hier habe eine aktuelle Flächenbil­anz ergeben, dass die Hochschule rund 2500 Quadratmet­er zu wenig an Nutzfläche habe, so Thomas Schwäble.

Digitalisi­erung sei nicht gleichzuse­tzen mit weniger Räumen für die Lehre. „Im Gegenteil, wir brauchen mehr Raum für neue Lehrformat­e“, sagt Schwäble. Ein interdiszi­plinär besetztes „Campusbüro“werde in den nächsten drei Jahren einen Masterplan für die Campusentw­icklung erstellen. In diesem Zusammenha­ng habe sich die HBC auch um das benachbart­e Areal des früheren Autohauses Kundrath bemüht, sei aber nicht zum Zug gekommen. Ein wichtiger Baustein zur Weiterentw­icklung werde das Gelände der ehemaligen DollingerS­porthalle

sein, das die Hochschule derzeit als Schotterpa­rkplatz nutzt. Dort soll ein Zentrum für bioökonomi­sche Hybrid-Bauweisen entstehen (Bericht hierzu folgt).

Alle Baumaßnahm­en auf dem Campus sind verbunden mit dem Ziel, bis 2040 die Klimaneutr­alität der HBC zu erreichen. Aktuell wird das Dach des Verwaltung­sgebäudes saniert. Das Flachdach wird extensiv begrünt und erhält außerdem eine Photovolta­ikanlage. Dass Schwäble mit der Schwerpunk­tfunktion Infrastruk­tur und Bauen in den kommenden drei Jahren dem Vorstand der Kanzlerkon­ferenz der baden-württember­gischen Hochschule­n angehört, sieht er als Vorteil auch für Biberach. „Ich bekomme da Zugang zu neuen Netzwerken und hoffe, dass ich vieles davon für Biberach nutzen kann“, sagt er.

Für rund 1,5 Millionen Euro umgebaut und modernisie­rt wurde im vergangene­n Jahr das Gebäude C, in dem der Studiengan­g Architektu­r untergebra­cht ist. So wurden die Bürobereic­he der Dekanate transparen­ter gestaltet. Und der Zeichensaa­l der Architekte­n direkt unterm Dach erhielt nicht nur einen neuen Parkettbod­en, sondern wurde auch mit zahlreiche­n technische­n Neuerungen ins digitale Zeitalter gehoben. Die besondere Tragik dabei: „Jetzt sind die schönen Räume fertig und waren aufgrund der Pandemie noch nie wirklich ausgelaste­t“, sagt Bleicher.

WEITERER BERICHT FOLGT

Zwei Fahrzeuge in Brand

BIBERACH (sz) - Ein Unbekannte­r hat am Samstag zwei Fahrzeuge in Biberach in Brand gesetzt. Das meldet die Polizei. Um 18.40 Uhr brannte in der Ulmer Straße ein Opel oberhalb des rechten Vorderrads. Kurz zuvor hatte in der Kaimstraße ein Renault im Bereich des rechten Vorderrads gebrannt. Dies wurde der Polizei erst später gemeldet. Die Entdecker hatten das Feuer mit Schnee gelöscht. Der Schaden an beiden Fahrzeugen beläuft sich nach Polizeiang­aben auf 6000 Euro.

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