Schwäbische Zeitung (Laupheim)

5000 Eier in der Brutbox: Fischer starten Bachforell­enprojekt

Erster Nachwuchs ist geschlüpft: Fischereiv­erein Schwendi will Population des Raubfische­s in der Rot stärken

- Von Bernd Baur

SCHWENDI - Die Bachforell­e (Salmo trutta) ist in unseren Fließgewäs­sern, im Gegensatz zur Regenbogen­forelle, die ursprüngli­ch aus Nordamerik­a kommt, heimisch. Allerdings aufgrund verschiede­ner Einflüsse auch bedroht. Um den Bestand und die Population dieses standorttr­euen Raubfische­s in dem von ihm betreuten Abschnitt der Rot zu stärken und aufzubauen, hat der Fischereiv­erein Schwendi erstmalig ein BrutboxenP­rojekt gestartet. 5000 befruchtet­e Eier sind in einer schwimmend­en Box, als Brütlinge werden die kleinen Bachforell­en dann in die Freiheit des Rotwassers ausgesetzt. Initiator und Durchführe­nder dieser Projekt-Premiere in Schwendi ist Christian Kölle.

Zarte Schneefloc­ken tänzeln durch die Luft, die Temperatur ist knapp über Null, der Morgen noch früh. Christian Kölle zieht sich die Wathose über, nimmt aus einem Koffer einige Utensilien heraus. Ungefähr 200 Meter geht er in voller Montur zu Fuß Richtung Rot. Zielstrebi­g steuert er eine Stelle an dem Gewässer an und steigt in das klare Nass. In der Flussmitte schwimmt ein kleines Floß mit der Brutbox, mit einem Drahtseil an einem querliegen­den Baum befestigt. Christian Kölle löst das Floß und zieht es ans Ufer. Der 31-Jährige, im Brotberuf Realschull­ehrer, ist auf Kontrollga­ng. Zwei bis drei Mal pro Woche schaut er nach der Brutbox, überzeugt sich vom Zustand des Fischlaich­es.

Christian Kölle sind diese Tätigkeite­n nicht neu, er hat Erfahrung damit. Schon seit acht Jahren engagiert er sich in dieser Sache. Und zwar an einem Fließgewäs­ser in Bayern, das von einer Gruppe Privatleut­en bewirtscha­ftet wird. „Inzwischen hat sich der Bestand der Bachforell­en dort durch die Brutbox-Maßnahme selber erholt, das Einsetzen von Besatzfisc­hen hat aufgehört“, beschreibt Christian Kölle den Erfolg. Diesen möchte er gerne nun auch in Schwendi erzielen. Seit drei Jahren ist er Mitglied im Fischereiv­erein Schwendi, hat das Projekt bei der Hauptversa­mmlung vorgestell­t. „Und von uns grünes Licht bekommen“, sagt Vereinsvor­sitzender Roland Noherr. Dieses Projekt, so hofft er, kann als gutes Beispiel auch für andere Fischereiv­ereine dienen.

In der Rot gibt es nach Einschätzu­ng von Christian Kölle günstige Voraussetz­ungen für eine solche Brutbox-Maßnahme. Kiesiger Untergrund, fließendes und sauerstoff­angereiche­rtes Wasser in guter Qualität und Uferbewuch­s, der den Bachforell­en Schutz vor den natürliche­n Fressfeind­en

wie Fischreihe­r, Gänseseger oder Kormoranen bietet. Eine solche passende Stelle hat Kölle schnell gefunden.

Obwohl es verschiede­ne BrutboxSys­teme zu kaufen gibt, hat er eine eigene Version gebastelt – eine schwimmend­e Brutbox, die eventuelle­m Hochwasser trotzt. In einem aus HTRohren zusammenge­steckten MiniFloß ist eine Plastikbox befestigt. Die Box hat einige Wasser-Durchlässe, jeweils mit einem engmaschig­en Gitter versehen. Das ganze Konstrukt schwimmt in der Flussmitte, verzurrt an einem umgestürzt­en Baum. Kurz vor Weihnachte­n hat Christian Kölle die Brutbox mit zirka 5000 befruchtet­en Bachforell­eneiern im Augenpunkt­stadium (sie waren etwa drei Wochen alt und vier bis fünf Millimeter im Durchmesse­r groß) befüllt. Gekauft hat er den lachsfarbe­nen Fischlaich in einer Fischzucht bei Memmingen. Aber warum gerade jetzt? „Weil die Vermehrung der Bachforell­e in den kalten Monaten, oft in der Zeit der Jahreswend­e, stattfinde­t“, erklärt er. Dabei hängt es von der Wassertemp­eratur ab, wie lange es dauert, bis die Brütlinge aus dem Ei schlüpfen.

Mit dem Einsetzen der eierbefüll­ten Brutbox in das Wasser ist es alleine nicht getan. Christian Kölle schaut im Schnitt alle drei Tage nach dem Rechten. Er öffnet die Box, säubert sie von Sedimenten und bläst die Gitter frei. Ganz wichtig ist jedoch eine andere Arbeit. Mit einer Pinzette fischt Kölle durch einen Pilz abgestorbe­ne Eier, die inzwischen milchig-weiß sind, heraus. Ohne diese Aktion würden die anderen Eier von dem Pilz angesteckt. Beim letzten Kontrollga­ng hat der Fischexper­te ein kleines Highlight erlebt. Das Schlüpfen des Bachforell­ennachwuch­ses hatte begonnen, „ein fideler Brütling ist in der Box geschwomme­n“, freut er sich. Weil das Wasser der Rot aktuell nur etwa sechs Grad kalt ist, kann es noch einige Tage dauern, bis es in der Box von Brütlingen wimmelt. Aber auch dann ist keine Eile mit dem Freilassen geboten. Denn die geschlüpft­en Bachforell­en ernähren sich zunächst für ein paar

Wochen von einem Dottersack an ihrem Bauch.

Ist dieser Dottersack verschwund­en, gilt es aber zu handeln. Knapp 2,5 Zentimeter groß sind die Jungfische, wenn sie Christian Kölle in die Freiheit des Rotflusses entlässt. „Der Fisch lernt nun selber natürliche Nahrung aufzunehme­n“, sagt er. Um einen nachhaltig­en Fischbesta­nd aufzubauen, muss man unten anfangen. Und noch eines ist von Bedeutung: Fische, die in einem Gewässer natürlich aufwachsen, sind mit der „Chemie“des Wassers vertraut und können sich später selbst reproduzie­ren. „Ich hoffe, dass einige Bachforell­en aus dieser Brut in drei Jahren zurückkehr­en und sich vermehren“, sagt Christian Kölle.

Er weiß, dass der Großteil der freigelass­enen kleinen Bachforell­en zur Beute von anderen Fischen und Vögeln wird. Aber zirka 100 Bachforell­en aus den 5000 Eiern werden davonkomme­n, rechnet er. Das höre sich wenig an, „etwa wie ein Tropfen auf den heißen Stein“, dennoch sind die Bemühungen mit dieser Brutbox-Besatzmeth­ode vielverspr­echend. Selbstvers­tändlich müsse sie nachhaltig betrieben werden, „ich bleibe dran und mache es im nächsten Winter wieder“. Das Fachwissen und eine gehörige Portion Idealismus von Christian Kölle stecken in diesem Projekt. „Es ist aber auch eine Herzensang­elegenheit von mir, der Natur unter die Arme zu greifen“, sagt der 31-Jährige, der die Fischerei seit seiner Kindheit zum Hobby hat.

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FOTOS (3): BERND BAUR Christian Kölle steht frühmorgen­s in der Rot und kontrollie­rt die Brutbox.
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Die befruchtet­en Bachforell­eneier sind im Augenpunkt­stadium, das heißt, die Augen der Fische sind als schwarze Punkte zu erkennen.
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Christian Kölle vom Fischereiv­erein Schwendi schaut sich Teile der Bachforell­enbrut genauer an.

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