Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Von „Teflon“-Mark bis Tigray-Krise
Das internationale Wahljahr 2021 - In etliche Staaten stehen entscheidende Abstimmungen an
an den Westen und insbesondere seinem Atomdeal mit den USA, China, Frankreich, Großbritannien und Russland rechtfertigen. Nun funktioniert die politische Formel so: Gelingt mit dem gewählten US-Präsidenten Biden bis zur Wahl keine Einigung zu den Atomfragen und den Sanktionen, dürften die Hardliner beste Chancen auf den Wahlsieg haben. Andernfalls gibt es für die Moderaten durchaus eine Siegchance. Gewählt wird Mitte Juni.
Russland
Der Kreml und seine Partei Geeintes Russland wollen im nächsten Jahr ihre wichtigste Schlacht für die nächsten fünf Jahre schlagen. Doch bei der Parlamentswahl am 19. September wird es nach allgemeiner Einschätzung schwer für die Machtbasis von
Präsident Wladimir Putin, die bisherige Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma zu verteidigen. Nicht erst seit der Corona-Krise sinken die Einkommen, nehmen Arbeitslosigkeit, Armut – und damit die Unzufriedenheit massiv zu. 450 Sitze in der Staatsduma sind neu zu besetzen. Zwar unternimmt die Regierungspartei schon jetzt viel – etwa mit immer schärferen Gesetzen, um es Konkurrenten so schwer wie möglich zu machen, an der Wahl überhaupt teilzunehmen. Trotzdem erwarten Politologen bis zu sechs Parteien in der Duma. Gesetzt sind demnach Geeintes Russland, die nur so genannte Liberaldemokratische Partei des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski und die Kommunisten. Chancen haben zudem Kräfte, die sich mit dem Kreml arrangieren. Doch die Opposition um den vergifteten Kremlgegner Alexej Nawalny, dessen Anhänger kandidieren wollen, weil er selbst wegen Vorstrafen nicht darf, sowie auch die liberale Partei Jabloko wollen trotzdem kämpfen, um das Machtmonopol von Geeintes Russland zu brechen.
Niederlande
Darf „Teflon-Mark“weiter regieren? Im März wählen die Niederländer ein neues Parlament – und Ministerpräsident Mark Rutte hat beste Chancen auf eine weitere Amtszeit. Seit zehn Jahren steht der immer muntere und charmante 53-Jährige an der Spitze der niederländischen Regierung, Kritik gleitet von ihm ab wie das Spiegelei in einer beschichteten Pfanne. Seine rechtsliberale VVD liegt bei den Umfragen mit rund 29 Prozent deutlich vorne. Auf Platz zwei folgt die
Partei für die Freiheit des Rechtspopulisten Geert Wilders mit etwa 14 Prozent. Unklar ist noch, ob die bisherige Mitte-Rechts-Koalition aus vier Parteien fortgesetzt werden kann. Der geplante Wahltag (17. März) wird wegen der Corona-Maßnahmen vermutlich um zwei weitere Tage (15. und 16. März) ergänzt.
Bulgarien
Bulgarien erwartet 2021 ein „SuperWahljahr“: Über ein neues Parlament soll im Frühjahr abgestimmt werden, im Herbst über einen neuen Präsidenten. Regierungskritische Demonstranten schafften es 2020 nicht, mit monatelangen Protesten und Korruptionsvorwürfen Ministerpräsident Boiko Borissow zu stürzen. Tomaten, Eier, Schweineohren und tote Fische flogen am Regierungssitz in Sofia, zu den geforderten Neuwahlen kam es aber nicht.
Der 61-jährige Borissow regiert das ärmste EU-Land mit kurzer Unterbrechung seit 2009. Das Balkanland wurde seitdem vor allem dank der EU-Förderung enorm modernisiert. Es gibt aber viel Reformbedarf – etwa bei der Justiz, der Korruptionsbekämpfung und im Gesundheitswesen. Die turbulenten Proteste haben Borissows Image international angeschlagen, seine bürgerliche Partei GERB liegt aber in Umfragen knapp vorne. Borissow deutete an, dass er selbst auf eine vierte Amtszeit verzichten wolle.
Äthiopien
Die Wahlen für ein neues Parlament und somit einen Regierungschef in Äthiopien sind wegweisend für das Land sowie die gesamte Region. Sie gelten nicht nur als Lackmustest für die Regierungsführung von Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed, der 2018 nach dem Rücktritt seines Vorgängers an die Macht kam und mit etlichen Reformen das Land aufgewühlt hat – im Guten wie im Schlechten. Doch nun steht noch viel mehr auf dem Spiel: Die Einheit Äthiopiens. Denn der im November nach einer Attacke auf eine Militärbasis ausgebrochene Konflikt in Tigray zwischen der dortigen Führung und der Zentralregierung droht in einen Bürgerkrieg auszuarten.
Schottland
Bei der anstehenden Wahl in Schottland im Mai geht es um weit mehr als darum, wer künftig die Regierung des Landes stellen wird. Noch immer brodelt das Bedürfnis vieler Schotten nach Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich – erst recht nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU. In Umfragen zeichnete sich bereits ab, dass bei einem neuen Unabhängigkeitsreferendum die Mehrheit der Schotten für eine Abkoppelung vom Rest Großbritanniens stimmen würde. 2014 war das Votum dagegen ausgefallen. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon trommelt bereits für ein neues Referendum im Fall eines Wahlsiegs ihrer Scottish National Party (SNP). Der britische Premier Boris Johnson will ein solches Votum unbedingt verhindern.