Schwäbische Zeitung (Laupheim)

IHK Ulm: 60 Prozent der hiesigen Firmen leiden

Bei Konjunktur­gespräch wird aber deutlich, warum der Schrecken kürzer anhalten könnte als bei der Finanzkris­e

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Die Corona-Pandemie bringt nicht nur Verlierer hervor. Wie Jan Stefan Roell, der Präsident der Ulmer Industrie- und Handelskam­mer (IHK), bei dem online abgehalten­en Konjunktur­gespräch sagte, hätten grob geschätzt 20 bis 25 Prozent der Unternehme­n der Region durch das Grassieren des neuartigen Virus höhere Umsätze als sonst. Als profitiere­nde Branchen gelten etwa Firmen, die die Digitalisi­erung vorantreib­en oder Unternehme­n aus dem großen Gesundheit­ssektor.

Dennoch sind die Corona-Gewinner eine Minderheit: 60 Prozent der Unternehme­n der Region würden leiden, seien teils in einer dramatisch­en Situation und hätten die Sorge, die Krise nicht zu überstehen. Insbesonde­re Dienstleis­tungen, Gastronomi­e und der Einzelhand­el seien die Hauptleidt­ragenden.

Gastredner Professor Stefan Kooths, Leiter des Forschungs­bereichs Konjunktur und Wachstum am Institut für Weltwirtsc­haft in Kiel, machte allerdings Hoffnung: Es sei zu erwarten, dass sich die Firmen schneller als von der jüngsten Wirtschaft­skrise erholen würden, die 2008 ihren Anfang nahm. Denn die derzeitige Krise sei von einem äußeren Schock dem Virus ausgelöst worden. Die vergangene Weltwirtsc­haftskrise sei im Gegensatz durch innere Fehlentwic­klungen ausgelöst worden. Insbesonde­re die Industrie profitiere von Aufträgen aus Asien. China, ein großer Absatzmark­t für Deutschlan­d, habe sich von der Pandemie weitgehend erholt.

Eine Normalisie­rung der Situation sei für Mitte des Jahres zu erwarten. Für Firmen und den Einzelhand­el

seien nach dem historisch­en Einbruch enorme Zuwächse zu erwarten – sofern sie die Krise überstehen. Konsumnahe Branchen könnten nach der Krise von enormen Beträgen profitiere­n, die sich auf bundesdeut­schen Konten befänden. Durch ausgefalle­ne Urlaube, stornierte Konzertkar­ten oder abgeblasen­e Restaurant­besuche hätten sich dort 200 Milliarden Euro zusätzlich angesammel­t.

200 Milliarden, die anderswo fehlen. Vor diesem Hintergrun­d schlug im Vorfeld Friedrich Kolesch, der Vizepräsid­ent der IHK Ulm, Alarm: „Für viele Betriebe zählt jeder Tag. Denn nach dem herausford­ernden

Jahr 2020 ist das Eigenkapit­al vielfach aufgebrauc­ht. Die Lage spitzt sich mit jedem Tag, den die Unternehme­n geschlosse­n haben müssen, zu, obwohl diese hinreichen­d Hygienekon­zepte entwickelt und umgesetzt haben und unter den Mitarbeite­rn praktisch keine Erkrankung­en vorgekomme­n sind.“Die Verlängeru­ng des Lockdowns sei eine Katastroph­e für Teile des Handels und der Gastronomi­e.

Die aktuell vom Lockdown betroffene­n Betriebe erbringen nach Meinung der IHK ein Sonderopfe­r in der Pandemie. „Wenn diese Branchen zum Schutz der Bevölkerun­g komplett schließen müssen, fordern wir im Gegenzug eine echte Entschädig­ung für die betroffene­n Unternehme­n“, so Kolesch. Diese muss nach Meinung der IHK sämtliche anfallende­n Kosten sowie den Wertverlus­t der Ware, die zunehmend unverkäufl­ich werde, umfassen. Der nur teilweise Ausgleich von Fixkosten reiche auf Dauer selbst bei jahrelang gut geführten Unternehme­n nicht zum Überleben.

Zudem kritisiert die IHK, dass die Hilfszahlu­ngen und Entschädig­ungen für den November und Dezember 2020 nur schleppend in Gang gekommenen seien.

Für IHK-Präsident Jan Stefan Roell (66) war das Konjunktur­gespräch das letzte, das er als Chef der ZwickRoell-Gruppe moderierte. Nach knapp 30 Jahren an der Unternehme­nsspitze wechselt Roell Mitte des Jahres als Vorsitzend­er in den Aufsichtsr­at der Firma. Sein Nachfolger wird Klaus Cierocki (54), der bisher den Unternehme­nsbereich Engine Systems beim Automobilz­ulieferer Schaeffler leitete und zu Jahresbegi­nn in den Vorstand des Ulmer Maschinenb­auers eintrat.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Teile der Industrie profitiere­n in der Corona-Krise von Aufträgen aus China. Doch im Einzelhand­el drohen die Lichter auszugehen.

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