Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gefühlschaos im katholischen Jugendcamp
Teenagerfilm mit feinen Zwischentönen: „Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht“
Auch wenn „Yes, God, Yes” bereits aus dem Jahr 2019 stammt, ist die Veröffentlichungsgeschichte des Films eng mit der Corona-Pandemie verbunden. Da letztes Jahr die meisten großen Produktionen verschoben wurden, fanden hierzulande mehrere reizvolle kleine Indie-Filme den Weg ins Kino. „Yes, God, Yes“wurde aber kurz vor dem für Anfang November geplanten Start durch die erneuten Kinoschließungen ausgebremst. Nun erscheint der Film über das Erwachsenenwerden vor dem Hintergrund einer streng katholischen Erziehung auf Amazon Prime Video.
In dem Streaming-Umfeld ist die Produktion nicht schlecht aufgehoben, schließlich wurde Hauptdarstellerin Natalia Dyer vor allem durch ihre Rolle als Nancy Wheeler in „Stranger Things“bekannt. Während die Netflix-Erfolgsserie als Hommage die 1980er-Jahre feiert, ist „Yes, God, Yes“um das Millenium herum angesiedelt. Und so läuft in den Radios Christina Aguileras „Genie in a Bottle“, Teenanger Alice (Dyer) spielt auf ihrem Mobiltelefon „Snake“und vertreibt sich die Zeit nach der Schule im AOL-Internetchat. Dort bekommt das recht naive Mädchen plötzlich anzügliche Nachrichten und Bilder zugeschickt. Alice, die Sexualität bislang vor allem mit der hinter beschlagenen Scheiben ablaufenden Liebesszene aus „Titanic“in Verbindung gebracht hat, ist schockiert – aber auch neugierig.
Um mit solchen unkeuschen Gedanken besser umgehen zu können, meldet sich Alice mit ihrer Freundin
Laura (Francesca Reale, ebenfalls bekannt aus „Stranger Things“) bei dem viertägigen „Kirkos“-Camp ihrer katholischen Highschool an. Abseits vom Alltag sollen die Teenager dort über ihre Beziehung zu Jesus und sich selbst reflektieren. All das geschieht unter dem strengen Blick von Father Murphy (Timothy Simons aus „Veep“) – allerdings auch unter Mitwirkung attraktiver männlicher Gruppenleiter.
Der Ablauf des Camps ist eng an das insbesondere in Amerika beliebten „Kairos“-Programm für junge Katholiken angelehnt. Regisseurin Karen Maine ist wie ihre Hauptfigur im amerikanischen Mittleren Westen aufgewachsen und verarbeitet in dem Film ihre eigene katholische Erziehung. Das Resultat ist dabei weder eine kompromisslose Anklage an die katholische Kirche noch eine deftige Teenager-Komödie im Stile von „American Pie“geworden.
Vielmehr überzeugt die an sich schlichte Geschichte durch ihre Zwischentöne, für die vor allem die Hauptdarstellerin sorgt. Dyer hat ein sehr ausdrucksstarkes Gesicht, in dem sich gut nachvollziehbar das Wechselbad ihrer Gefühle und Hormone widerspiegelt. Auch wenn sie jetzt erstmal erneut bei einem Streaming-Angebot gelandet ist, empfiehlt sie sich damit auch für künftige Einsätze auf der großen Kinoleinwand.
Regie: Karen Maine. Mit Natalia Dyer, Timothy Simons, Wolfgang Novogratz. USA 2019. 79 Minuten. Ab 18. Januar auf Amazon Prime Video, ab Februar auf DVD/Blu-Ray.