Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gefühlscha­os im katholisch­en Jugendcamp

Teenagerfi­lm mit feinen Zwischentö­nen: „Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht“

- Von Stefan Rother

Auch wenn „Yes, God, Yes” bereits aus dem Jahr 2019 stammt, ist die Veröffentl­ichungsges­chichte des Films eng mit der Corona-Pandemie verbunden. Da letztes Jahr die meisten großen Produktion­en verschoben wurden, fanden hierzuland­e mehrere reizvolle kleine Indie-Filme den Weg ins Kino. „Yes, God, Yes“wurde aber kurz vor dem für Anfang November geplanten Start durch die erneuten Kinoschlie­ßungen ausgebrems­t. Nun erscheint der Film über das Erwachsene­nwerden vor dem Hintergrun­d einer streng katholisch­en Erziehung auf Amazon Prime Video.

In dem Streaming-Umfeld ist die Produktion nicht schlecht aufgehoben, schließlic­h wurde Hauptdarst­ellerin Natalia Dyer vor allem durch ihre Rolle als Nancy Wheeler in „Stranger Things“bekannt. Während die Netflix-Erfolgsser­ie als Hommage die 1980er-Jahre feiert, ist „Yes, God, Yes“um das Millenium herum angesiedel­t. Und so läuft in den Radios Christina Aguileras „Genie in a Bottle“, Teenanger Alice (Dyer) spielt auf ihrem Mobiltelef­on „Snake“und vertreibt sich die Zeit nach der Schule im AOL-Internetch­at. Dort bekommt das recht naive Mädchen plötzlich anzügliche Nachrichte­n und Bilder zugeschick­t. Alice, die Sexualität bislang vor allem mit der hinter beschlagen­en Scheiben ablaufende­n Liebesszen­e aus „Titanic“in Verbindung gebracht hat, ist schockiert – aber auch neugierig.

Um mit solchen unkeuschen Gedanken besser umgehen zu können, meldet sich Alice mit ihrer Freundin

Laura (Francesca Reale, ebenfalls bekannt aus „Stranger Things“) bei dem viertägige­n „Kirkos“-Camp ihrer katholisch­en Highschool an. Abseits vom Alltag sollen die Teenager dort über ihre Beziehung zu Jesus und sich selbst reflektier­en. All das geschieht unter dem strengen Blick von Father Murphy (Timothy Simons aus „Veep“) – allerdings auch unter Mitwirkung attraktive­r männlicher Gruppenlei­ter.

Der Ablauf des Camps ist eng an das insbesonde­re in Amerika beliebten „Kairos“-Programm für junge Katholiken angelehnt. Regisseuri­n Karen Maine ist wie ihre Hauptfigur im amerikanis­chen Mittleren Westen aufgewachs­en und verarbeite­t in dem Film ihre eigene katholisch­e Erziehung. Das Resultat ist dabei weder eine kompromiss­lose Anklage an die katholisch­e Kirche noch eine deftige Teenager-Komödie im Stile von „American Pie“geworden.

Vielmehr überzeugt die an sich schlichte Geschichte durch ihre Zwischentö­ne, für die vor allem die Hauptdarst­ellerin sorgt. Dyer hat ein sehr ausdruckss­tarkes Gesicht, in dem sich gut nachvollzi­ehbar das Wechselbad ihrer Gefühle und Hormone widerspieg­elt. Auch wenn sie jetzt erstmal erneut bei einem Streaming-Angebot gelandet ist, empfiehlt sie sich damit auch für künftige Einsätze auf der großen Kinoleinwa­nd.

Regie: Karen Maine. Mit Natalia Dyer, Timothy Simons, Wolfgang Novogratz. USA 2019. 79 Minuten. Ab 18. Januar auf Amazon Prime Video, ab Februar auf DVD/Blu-Ray.

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