Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Warum Müller komplett aufhaben darf

Betreiberi­n eines Spielwaren­geschäfts hatte sich beschwert – Jetzt spricht der Minister

- Von Oliver Helmstädte­r

BLAUSTEIN/ULM - Dass der Konzern des Ulmer Milliardär­s Erwin Müller trotz der Corona-Beschränku­ngen sämtliche Bereiche seiner zahlreiche­n Kaufhäuser öffnen darf, stößt bei seiner Konkurrenz auf – nett formuliert – Verwunderu­ng. Die Betreiberi­n eines Spielwaren­geschäfts in Blaustein hatte sich persönlich an das baden-württember­gische Wirtschaft­sministeri­um gewandt. Nun kam die Antwort. Das Ergebnis: Selbst eine jüngst in Kraft getretene Verschärfu­ng der CoronaVero­rdnung kann Müller bislang nicht stoppen.

Das Ministeriu­m könne „nachvollzi­ehen“, dass Kristina Nußbaumer, die Inhaberin des Geschäfts Spielburg in Blaustein, sich gegenüber den großen Drogerieke­tten benachteil­igt fühle. Weiter heißt es: „Leider zwingt uns die aktuelle Krisensitu­ation zu schwierige­n Entscheidu­ngen, in denen unter Berücksich­tigung des Infektions­schutzes nicht immer alle gesellscha­ftlichen Interessen adäquat in Ausgleich gebracht werden können.“

Die Untersagun­g des Betriebs von Einzelhand­elsgeschäf­ten für den Publikumsv­erkehr ziele darauf ab, das Zusammentr­effen von Kunden, Beschäftig­ten, Besuchern und anderen Personen an einem bestimmten Ort auszuschli­eßen. Ein erhöhtes Besucherau­fkommen in den Innenstädt­en und das damit verbundene Aufeinande­rtreffen

einer Vielzahl von Personen im öffentlich­en Personenna­hverkehr solle möglichst unterbunde­n werden. Dass Drogeriemä­rkte auch Artikel anbieten können, die über das zulässige Sortiment hinausgehe­n, begründe sich damit, dass untersagte Sortiments­teile dann verkauft werden können, wenn der Anteil des erlaubten Sortiments überwiegt. Nun kommt der Teil, der allerdings viele Händler mit Erstaunen zurückläss­t, die etwa auf das mehrgescho­ssige Müller-Kaufhaus in Ulm blicken: Denn die kurzfristi­ge Absperrung beziehungs­weise Umräumung von Sortiments­teilen stelle die betroffene­n Mischsorti­mentsbetri­ebe vor große Herausford­erungen, da beispielsw­eise Lagerkapaz­itäten bereits anderweiti­g verplant oder belegt waren.

Außerdem müsste eine artikelgen­aue Abgrenzung von erlaubtem und untersagte­m Sortiment vorgenomme­n werden, die in der Praxis nur schwer umzusetzen beziehungs­weise zu kontrollie­ren wären.

Was dabei Händlern wie etwa dem Ulmer Spielwaren­händler Jürgen Gänßlen aufstößt: All das mag für einzelne Müller-Märkte zutreffen, nicht aber für das Kaufhaus in der Ulmer Hirschstra­ße.

Wohlwissen­d ergänzt das Ministeriu­m die Vorteile einer laxen Gesetzgebu­ng, die eine über Drogeriear­tikel hinausgehe­nde Warenwelt ermöglicht. Denn gerade für die ältere und digital weniger affine Kundschaft biete sich durch den Verkauf von zusätzlich­en Sortimente­n die Möglichkei­t, jenseits des Onlinehand­els

Waren zu erstehen, die zwar nicht unmittelba­r der Grundverso­rgung dienen, aber dennoch benötigt würden.

Um zu verhindern, dass ein möglicherw­eise verstärkte­r Kundenzust­rom zu einer Überfüllun­g der Drogeriemä­rkte führt und damit der eigentlich­en Zielsetzun­g – der Kontaktred­uzierung der Bevölkerun­g – zuwider läuft, müssten die Betreiber gewährleis­ten, dass die Beschränku­ng der Kundenanza­hl pro Quadratmet­er Verkaufsfl­äche eingehalte­n wird. Im großen Müller-Kaufhaus in der Hirschstra­ße wäre das ein Kunde pro 20 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche.

Gleichwohl sei es dem Wirtschaft­sministeri­um sehr bewusst, dass eine Vielzahl von stationäre­n Einzelhänd­lern in dieser Regelung einen Wettbewerb­svorteil für die Mischsorti­menter wie Müller sehen. In der jüngsten Änderung der Corona-Verordnung wurde deshalb eine Verschärfu­ng der Mischsorti­menteregel aufgenomme­n. Derzeit dürfen zusätzlich­e Sortiments­teile nur noch dann verkauft werden, wenn der erlaubte Sortiments­teil mindestens 60 Prozent des Umsatzes oder der Verkaufsfl­äche beträgt. Bislang waren als Schwellenw­ert 50 + x Prozent ausreichen­d. Für Müller hatte das bislang keine Folgen. Sämtliche Etagen in Ulm waren Ende der Woche komplett geöffnet. Passend zum Motto auf den Einkaufstü­ten des Drogeriekö­nigs: „Mehr für mich.“

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Immer wieder gerät Müller in die Schlagzeil­en, weil der Drogeriema­rkt in Ulm trotz Lockdown-Lage komplett geöffnet ist.

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