Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Sabbatical zwischen Sonne und Sehnsucht nach der Ferne
Lehrer- und Musikerehepaar reist derzeit durch Europa – Über die Flexibiliät beim Reisen und ein Jahr (fast) ohne Termine
ÖPFINGEN/EHINGEN/LAUPHEIM Ein Jahr (fast) ohne Termine. Ein Traum, den sich aktuell David Berken und seine Frau Eva-Maria Schaz erfüllen: Die beiden Lehrer touren mit ihrem Wohnmobil einmal quer durch Europa. Während es in unserer Region, die die Beiden gut kennen – er lebte schon in Öpfingen, Ehingen und Laupheim; sie wiederum arbeitete lange in Laupheim, wo sich das Paar kennenlernte –, reichlich schneit, herrschen zum Zeitpunkt des Gesprächs mit der SZ bei ihnen ganz andere Temperaturen. Die Reisenden waren an diesem Tag viel unterwegs, ehe sie in Motril in der Provinz Granada in Südspanien angekommen sind. „Wir sind jetzt bei der Halbzeit und insgesamt schon 13 600 Kilometer gefahren“, erklärt Berken. Los ging es im Juli vergangenen Jahres – inmitten der Pandemie.
Da die Wohnung bereits gekündigt, das Sabbatical-Jahr bereits fest vorgesehen war und die Planungen seit zweieinhalb Jahren auf Hochtouren liefen, wurde es kurz vor der Abfahrt für die beiden Lehrer noch einmal stressig: In den Schulen musste vieles neu organisiert und umgesetzt werden. Aber die Vorfreude überwog und so ging es von Deutschlands Süden in den Norden, über Dänemark, Norwegen, Finnland und Estland, Richtung Polen, Tschechien, Österreich und Italien nach Spanien. Da Corona zumindest große Planungen nicht zulasse, reisen die Beiden recht flexibel, schauen von Woche zu Woche.
„Uns packt schon immer das Fernweh“, sagt der 34-jährige Berken, der mit seiner 37-jährigen Frau schon etliche Urlaube im eigenen Wohnmobil verbracht hat. „Wir haben vor der Reise damals gedacht, wir wollen damit nicht bis zu unserer Rente warten“, erklärt Eva-Maria Schaz die Motivation hinter dem Trip. Denn wer könne denn sagen, dass man in 30, 35 Jahren noch so fit sei, um die Möglichkeit überhaupt in die Tat umzusetzen?
Und so genießen sie aktuell ihre große Freiheit, dort zu bleiben, wo es schön ist und sie sich wohlfühlen – „und wenn es nicht passt, dann fahren wir weiter“. Um Corona-konform zu reisen, checken sie beinahe täglich die Reisehinweise des Auswärtigen Amts und die landesspezifischen Nachrichten. „Wir meiden größere Menschenansammlungen und besuchen zum Beispiel keine Märkte oder Innenstädte, wo viel los ist“, sagen sie.
Begegnungen mit „hochinteressanten“Menschen, etwa digitalen Nomaden, die ortsunabhängig arbeiten und leben, seien immer wieder Highlights. Doch die beiden sind selbst auch nicht ganz untätig: Schließlich dokumentieren sie in einem Reiseblog ihre Erlebnisse. „Zunächst
für uns als Erinnerung und auch für Familie und Freunde, damit die wissen, was wir machen“, erklärt sie. Da mittlerweile die Adresse ihrer Internetseite auch als Aufkleber auf ihrem Wohnmobil prangt („Wir machen das aber nicht kommerziell.“), komme man auch dadurch mit anderen Reisenden ins Gespräch.
Und dann ist da noch die Musik: Er ist Schlagzeuger bei „The Monkey Riot Gang“sowie Gitarrist bei „NoFrills“, sie ist bei erstgenannter Band Gastsängerin und bei zweitgenannter Sängerin. Und so muss das Wohnmobil auch als mobiles Tonstudio herhalten. „Wir haben das schon im ersten Lockdown so gemacht, dass jeder meiner Bandkollegen für sich daheim Tonspuren eingespielt hat und ich diese zusammenmische“, erklärt Berken. Und wenn es die Zeit zulasse, sagt er, dann ist auch geplant, auf der Reise noch ein Album aufzunehmen. Geplant sei es außerdem, zu zweit Straßenmusik zu machen und auf lokalen Bühnen zu spielen, das aber sei jetzt undenkbar.
Man habe schon vieles erlebt, schildert das Paar, und dabei habe jeder für sich auch schon einiges gelernt, wie es auf Nachfrage bestätigen. „Mir wurde ganz bewusst und deutlicher, was ich ohnehin schon gefühlt habe“, erklärt er. „Wenn man selbst offen und freundlich auf die
Menschen zugeht, dann wird einem in 99 Prozent der Fälle weitergeholfen.“Seine Frau wiederum hat die Erkenntnis gewonnen, dass auch andere Arten, das Leben zu leben, funktionieren. „Das ist eine Bereicherung“, sagt sie und fügt hinzu: „Für mich ist es auch sehr interessant zu sehen, wie man mit wenig auskommt, egal ob es Geld oder Materielles ist.“Und Beide sind sich sicher, dass die Redewendung, die beste Schule sei die Welt, uneingeschränkt zutreffe.
Und weil noch ein halbes Jahr (fast) ohne Termine – abgesehen von einem langen Telefonat mit der Zeitung – vor ihnen liegt, soll es bald schon weitergehen. Entlang der Küste Richtung Portugal, so der Plan des Paars. In der Überlegung spielen auch die Kanaren eine Rolle. „Wir spinnen immer rum, was geht und wollen uns viele Optionen offenhalten“, sagt Berken. Auch hier spiele der Grundsatz mit rein: Wann, wenn nicht jetzt? Wann gebe es nämlich überhaupt für sie die Möglichkeit, mal mit dem eigenen Wohnmobil auf den Kanaren die schönsten Plätze zu erkunden?
Die Beiden dokumentieren ihre Reise durch Europa in ihrem Blog unter
https://keep-on-rolling.net/