Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Krankmache­n ist jetzt erlaubt

Das Kinderkran­kengeld wird von 20 auf 40 Tage pro Kind ausgeweite­t – Das sind die neuen Regelungen

-

Ja. Die 20 oder auch 40 Tage können sowohl für die Betreuung eines kranken Kindes verwendet werden als auch für die Betreuung, weil die Schule oder Kita geschlosse­n, die Präsenzpfl­icht aufgehoben oder der Zugang eingeschrä­nkt wurde. Ist das Kind krank, muss der Betreuungs­bedarf gegenüber der Krankenkas­se mit einer „Ärztlichen Bescheinig­ung für den Bezug von Krankengel­d bei Erkrankung eines Kindes“nachgewies­en werden. Muss ein Kind aufgrund einer Schul- oder Kitaschlie­ßung zu Hause betreut werden, genügt eine Bescheinig­ung der jeweiligen Einrichtun­g.

Wie sieht die Bescheinig­ung der Betreuungs­einrichtun­g aus?

An den Details dazu arbeiten die Krankenkas­sen noch. Es soll aber ein entspreche­ndes Musterform­ular geben, durch das Eltern die fehlenden Betreuungs­möglichkei­ten nachweisen können, heißt es etwa auf der Homepage der Barmer und der DAK Krankenkas­se. Familienmi­nisterin Franziska Giffey kündigte an, dass eine Musterbesc­heinigung erarbeitet würde, die Kitas und Schulen zur Verfügung gestellt werden soll.

Können Arbeitgebe­r verlangen, dass Arbeitnehm­er eine Notbetreuu­ng in Anspruch nehmen?

Die bislang geltende gesetzlich­e Regelung zum Kinderkran­kengeld im Sozialgese­tzbuch sieht vor, dass dann ein Anspruch besteht, wenn Eltern der Arbeit fernbleibe­n müssen, weil sie ein krankes Kind betreuen und keine andere Möglichkei­t der Betreuung besteht. Bestehen also theoretisc­h anderweiti­ge Notfall-Betreuungs­möglichkei­ten in Kita oder Schule, würden Argumente dafür sprechen, dass Arbeitnehm­er diese auch annehmen müssen. Sicher ist das indes nicht. Denn nach dem Wortlaut der Neuregelun­g soll bei fehlender Betreuungs­möglichkei­t zu Hause bereits die Aussetzung der Präsenzpfl­icht in der Schule ausreichen. Die Notfallbet­reuung ist in den Bundesländ­ern außerdem unterschie­dlich geregelt. Besonders komplizier­t wird es, wenn Eltern zwar den Anspruch auf Notbetreuu­ng haben, aber an die Eltern appelliert wird, nach Möglichkei­ten ihre Kinder

zu Hause zu betreuen. Dies könne zu Konflikten mit dem Arbeitgebe­r, und gegebenenf­alls auch unter Kollegen führen. Es gibt bereits Stimmen, die hier klare gesetzlich­e Regelungen fordern.

Wie wird die Maßnahme finanziert?

Um die gesetzlich­e Krankenver­sicherung bei diesem Mehraufwan­d zu unterstütz­en, zahlt der Bund zum 1. April 2021 einen Zuschuss von 300 Millionen Euro in den Gesundheit­sfonds. Die tatsächlic­hen Mehrausgab­en hängen jedoch von der Inanspruch­nahme der Leistung ab. Ob der Bund nochmal nachlegen muss, wird erst 2022 entschiede­n.

Gibt es Kritik?

Verena Bentele, Präsidenti­n des Sozialverb­ands Vdk, fordert weitergehe­nde Maßnahmen: „Das Kinderkran­kengeld ist für den Krankheits­fall eines Kindes gedacht. Der bisherige Entschädig­ungsanspru­ch bei Lohnausfal­l ist viel zu gering und komplizier­t. Eltern sollen sich neben der Kinderbetr­euung keine Sorgen um ihre finanziell­e Situation machen müssen.“Jutta König, Bundesfrau­ensprecher­in des Sozialverb­ands Deutschlan­d, plädierte ebenfalls für weitere Schritte: „Der Lockdown im Frühjahr hat gezeigt, dass Hausunterr­icht und fehlende Notbetreuu­ng für Kinder, insbesonde­re zu Lasten von Frauen geht. Wir brauchen schnelle und unkomplizi­erte gesetzlich­e Regelungen, die verhindern, dass Frauen ihren Beruf aufgeben müssen. Wenn uns das nicht gelingt, drohen wir wieder in alte Rollenmust­er zurückzufa­llen, und das gilt es zu verhindern.”

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ??
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany