Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mehr Cybermobbing in der Pandemie
Mit verschiedenen Projekten wollen Schulen dem Problem entgegenwirken
LAUPHEIM/WAIN - „Wer sagt, dass es Mobbing an seiner Schule nicht gibt, lügt.“Andreas Trögele ist bei dem Thema erbarmungslos. Der Schulleiter der Friedrich-UhlmannSchule (FUS) Laupheim beschäftigt sich seit Jahren mit Mobbing, den Auswirkungen und der Prävention. Er ist überzeugt: An jeder Schule gibt es Fälle von Mobbing. „Auch wenn es sich zunehmend ins Internet verlagert – gerade in der CoronaPandemie.“Vor allem Messengerdienste wie Whatsapp oder Plattformen wie Facebook und Instagram spielen dabei eine Rolle. Mit verschiedenen Projekten versuchen die Laupheimer Schulen deshalb dem Problem entgegenzuwirken. Dabei sind die Herangehensweisen gar nicht so unterschiedlich.
Nicht immer, wenn ein Schüler geärgert wird, sei das auch Mobbing, stellt Trögele klar. Schüler und auch Eltern wüssten oftmals nicht, was Mobbing überhaupt ist. Dem stimmt Astrid Elsner-Gäbel zu. Sie ist Schulsozialarbeiterin am Carl-LaemmleGymnasium (CLG). „Im Sprachgebrauch ist das so präsent, dass viel zu leichtfertig von Mobbing gesprochen wird.“Erst wenn eine Person wiederholt und über längere Zeit von seiner sozialen Gruppe ausgegrenzt oder terrorisiert wird, könne von Mobbing die Rede sein. Die Mobbenden wollen außerdem mit ihren Taten dem Opfer schaden. Auch das ist ein wichtiger Bestandteil der Begriffsdefinition.
Die Opfer würden sich zurückziehen und abschotten, erklärt Elsner-Gäbel. „Die Kinder sind niedergeschlagen und kaum mehr fröhlich. Manche von ihnen haben auch Ängste und Schlafstörungen.“Das könne sie aus der Schule heraus aber nicht immer feststellen. Auch den Lehrern würde vieles nicht auffallen. Denn Mobbing passiere meist nicht offen. Die Betroffenen selbst würden sich häufig nicht trauen, darüber zu berichten. Astrid ElsnerGäbel baut deshalb darauf, dass jemand aus dem Umfeld sich an sie wendet – bestenfalls aus der Klasse. Sie ist überzeugt: „Wenn schon zwei bis drei Kinder aufpassen und sich drum kümmern, was gerade passiert, kann kein Mobbing stattfinden.“
Der Sozialarbeiterin fällt aber ein Unterschied bei den Kindern auf: „Schüler, die die Schulsozialarbeit aus der Grundschule kennen, haben weniger Berührungsängste. Die kommen wie selbstverständlich.“Bei den anderen sei eine größere Hemmschwelle zu beobachten. Das liege vor allem an den Vorurteilen, sagt Elsner-Gäbel: „Die Kinder denken, wenn sie zur Schulsozialarbeit gehen, haben sie einen Knacks oder Ähnliches.“Grundschulen wie die Anna-von-Freyberg-Grundschule oder die Grundschule Bronner Berg haben bereits eine Schulsozialarbeit.
An der Grundschule in Wain setzt sich Schulleiterin Angelika Audehm ebenfalls mit dem Thema auseinander. Doch sie ist sich sicher, dass sich eine Stelle bei den 70 Kindern an ihrer Schule nicht lohne. Die kleine Schule habe aber ihre Vorteile: „Jeder Lehrer kennt jeden Schüler.“Auch für die Eltern sei die Schwelle deshalb niedriger. Denn auch sie ist darauf angewiesen, dass
Eltern und Schüler sich bei Problemen an sie wenden. Es gebe zwar immer mal wieder Ansätze von Mobbing an der Schule. Doch das Kollegium könne dem durch sensibles und schnelles Handeln entgegenwirken. Auch die Gewaltprävention helfe gegen Mobbing. Denn die Kinder würden lernen, sich zu wehren.
Stefanie Schwöble ist Schulsozialarbeiterin an der Friedrich-Uhlmann-Schule. Auch sie profitiert davon, dass die Schule kleiner ist als das CLG. „Ich kenne alle unsere 270 Schülerinnen und Schüler, kenne ihre Klassenkonstellationen und deren Probleme.“Sie merke deshalb eher, wenn es einem Kind nicht gut gehe. Um den Kindern den Weg zur Schulsozialarbeiterin einfacher zu machen, gebe es außerdem in den Mittagspausen einen Schülertreff, bei dem auch Stefanie Schwöble anwesend ist. Oft würden sich aber auch die Lehrer an sie wenden, wenn ihnen etwas auffällt.
Doch was im Internet geschieht, passiere in der Freizeit, sagt Schulleiter Trögele. Das könne die Schule nicht überwachen. „Eigentlich fällt das nicht in unseren Aufgabenbereich und es ist auch nicht unser Job. Aber wir kommen darum nicht herum.“Denn oftmals wirke sich Cybermobbing auf die Schule aus. Wenn es den schulischen Frieden stört, sei die Schule verpflichtet, einzugreifen. Mobbing im Internet werde immer mehr zum Problem – vor allem in der Corona-Pandemie: „Im Moment verlagert sich ja alles ins Internet.“Stefanie Schwöble sieht darin einen großen Unterschied zu früher: „Da gab es Mobbing in der Schule. Wenn die Kinder nach Hause gegangen sind, war es vorbei. Heute geht es im Internet weiter. Die ständige Erreichbarkeit hat da auf jeden Fall ihre Nachteile.“
Die weiterführenden Schulen versuchen deshalb, den Schülerinnen und Schülern den richtigen Umgang mit dem Internet beizubringen. Besonders zwei Projekte stehen dabei im Mittelpunkt: „Verklickt“von der Polizei und „MAUS“, Medien-Agenten für UnterstufenSchüler, vom Regionalen Bildungsbüro des Landkreises Biberach. Schüler der Klassenstufe neun werden dabei zu Medienagenten ausgebildet und sprechen in den fünften Klassen einen Vormittag über das richtige Verhalten im Internet – was erlaubt ist und was nicht. „Die Kinder müssen lernen, mit der Digitalisierung umzugehen“, sagt Trögele. Das geht über die richtigen Umgangsformen hinaus: „Wenn ich Handys im Schulhaus erlaube, muss ich auch über Themen wie Recht am eigenen Bild aufklären.“
„Unser Auftrag ist es, die Kinder zu informieren“, sagt Elsner-Gäbel. „Eigentlich sollte das ein eigenes Schulfach sein: Medienbildung.“Es gebe aber zu wenige Leute, die sich mit dem Thema wirklich auskennen und Kurse geben könnten. Ein weiteres Problem: Die Schnelllebigkeit des Internets. „Einmal im Jahr bekommen wir Schulsozialarbeiter einen Auffrischungskurs. Aber die Entwicklung ist zu schnell, als dass wir da mithalten könnten.“
Auch andere Maßnahmen gegen Gewalt und Mobbing helfen bei der Bekämpfung von Cybermobbing. Am CLG spricht die Polizei mit den Schülerinnen und Schülern der sechsten Klassen über Gewaltprävention. Die FUS setzt auf ein Projekt zusammen mit dem Behindertensport des TSV Laupheim, bei dem Berührungsängste abgebaut werden. Streitschlichter bilden die beiden Schulen außerdem aus. Klassenstunden sollen helfen, Probleme direkt anzusprechen. Dort werde mit den Kindern auch über Internetmobbing
Schulsozialarbeiterin an der Friedich-Uhlmann-Schule
Schulsozialarbeiterin am Carl-Laemmle-Gymnasium (CLG)
geredet, sagt Trögele. Außerdem treffen sich die sechs Schulsozialarbeiter der Laupheimer Schulen regelmäßig, um über Neuerungen und wichtige Fälle zu sprechen.
Auf Elternabenden werden auch die Erziehungsberechtigten über die digitalen Medien informiert – am CLG gemeinsam mit der Polizei. „Die gibt den Eltern dann auch den Auftrag, das Handy der Kinder zu kontrollieren – auch Whatsapp. Denn das ist eigentlich erst ab 16 Jahren erlaubt“, sagt Elsner-Gäbel. Der Messengerdienst Whatsapp werde auch in den Klassenstunden heiß diskutiert. „Die Schüler wissen zum Teil gar nicht, dass sie noch nicht alt genug sind und dass die Eltern das Recht haben, die Nachrichten zu lesen. Deswegen sage ich immer: Schreib’ nur das, was auch die Eltern der anderen lesen dürfen.“Andreas Trögele ist sich sicher: „Wenn die Eltern ein Auge auf die Internetaktivitäten ihrer Kinder haben, funktioniere das ganz gut.“
Um gegen Cybermobbing vorgehen zu können, sind die Schulsozialarbeiterinnen von FUS und CLG auf die Eltern angewiesen, die die Handys ihrer Kinder kontrollieren und sich bei Auffälligkeiten melden. Besonders in der Corona-Pandemie werde das deutlich. Während des Fernunterrichts sei es schwieriger, mit den Schülerinnen und Schülern in Kontakt zu treten, auch wenn alle die Telefonnummern und E-MailAdressen der Schulsozialarbeiterinnen hätten. Doch an einer gewissen Stelle ende auch die Verantwortung der Schule, sagt Trögele. „Die Schule ist ja auch nur Erziehungspartner. Das heißt, wir teilen uns den Job mindestens 50/50.“Manche Eltern würden aber wesentlich mehr von ihm erwarten. Doch letztendlich liege es an den Eltern, etwas zu unternehmen, wenn ihr Kind gemobbt wird. „Denn Beleidigung ist eine Straftat und die kann zur Anzeige gebracht werden. Das kann aber nicht ich als Lehrer tun. Das muss der Erziehungsberechtigte übernehmen.“
„Die ständige Erreichbarkeit hat da auf jeden Fall ihre Nachteile.“
„Im Sprachgebrauch ist das so präsent, dass viel zu leichtfertig von Mobbing gesprochen wird.“