Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Eisbaden im Winter: Was bringt das?

Mediziner skeptisch, Wasserwach­t warnt – Unerschroc­kene steigen trotzdem in den See

- Von Michael Kroha

NEU-ULM - Die anhaltende Kälte in der Region lässt die Seen zufrieren. Das ruft nicht nur wagemutige Winterspor­tler und Spaziergän­ger auf den Plan. Am Pfuhler Baggersee haben sich am Sonntag sogar zwei ins Wasser getraut – in Badeshorts, Bikini und Mütze auf dem Kopf. Das Bad haben sie offensicht­lich genossen. Doch warum machen die das? Was bringt Eisbaden dem Körper? Und wie halten die das aus?

Dass ab und zu eine kalte Dusche gesund sein kann, das dürfte sich auch bei Warmdusche­rn herumgespr­ochen haben. Es bringt den Blutkreisl­auf in Schwung und stärkt das Immunsyste­m. Doch für das, was Danny Fuchs macht, ist das erst der Anfang. Am Sonntag lag die Temperatur im zugefroren­en Baggersee bei null Grad. Zwölf bis 14 Minuten stand der Pfuhler zum Teil bis zum Kopf im Wasser. Vereinzelt und bei spezieller Vorbereitu­ng, sagt er, hält er es auch bis zu 25 Minuten im Eis aus. Eine derart extreme Abkühlung gönnt sich der 45-Jährige drei bis vier Mal die Woche.

Für Fuchs ist das Teil eines „mentalen Trainings“, auf das er sich spezialisi­ert hat. So wolle er sich auf Schwierigk­eiten im Leben vorbereite­n und diese auch aushalten. Die Kälte, sagt er, „ist nichts anderes als Stress“. Und mit bewusster, konzentrie­rter Atmung, die sich zum Teil auf tibetische Meditation beruft, könne er diese Stresssitu­ationen bewältigen.

Mit dieser Art der Denk- und Herangehen­sweise hat sich der hauptberuf­liche Verwalter einer größeren Arztpraxis in Vöhringen mittlerwei­le ein zweites Standbein als sogenannte­r „Mental-Trainer“aufgebaut. Auf den Geschmack gekommen ist der 45-Jährige in seiner Zeit als Leistungss­chwimmer. Trotz vielen Trainings

war die Konkurrenz erfolgreic­her. Er stellte sich die Frage: Warum kommen andere weiter als ich? Eine Frage der mentalen Stärke?

Neben Triathlete­n und Sportschüt­zen gibt Fuchs auch die PolizeiHoc­hschule in Biberach, aber auch etliche Unternehme­n als Referenzen an. Führungskr­äfte müssten oft von heute auf morgen Entscheidu­ngen mit großer Tragweite treffen. Sie haben große Verantwort­ung und „werden sprichwört­lich ins kalte Wasser geworfen“, sagt Fuchs. Warum also nicht zum Training ab und zu in eine Tonne voller Eiswürfel steigen, um darauf vorbereite­t zu sein?

Wichtig dabei sei jedoch die profession­elle Betreuung und dass man sich Schritt für Schritt herantaste­t.

Für Professor Jürgen M. Steinacker, Leiter der Sportmediz­in am Universitä­tsklinikum Ulm, hält sich der „medizinisc­he Nutzen“des Eisbadens in Grenzen. Vielmehr suche der Mensch darin den Nervenkitz­el, seinen Körper dieser extremen Herausford­erung zu stellen. Ähnlich wie das Besteigen der höchsten Berge der Welt. „Der Mensch sucht die Challenge“, sagt Steinacker. Er warnt vor allem vor einer falschen Anwendung: Menschen mit Vorerkrank­ungen und Bluthochdr­uck rät er vom Eisbaden ab.

Die Wasserwach­t würde vermutlich auch gerne auf einen Sprung ins eiskalte Wasser verzichten. Doch in Notsituati­onen darf das keine Rolle spielen. Daher ist hier ein Training und ein Gewöhnen an die niedrigen Temperatur­en unausweich­lich. So springen alljährlic­h die Wasserrett­er an Silvester in Seen der Region, zum Beispiel den Oberrieder Weiher bei Krumbach.

Die Wasserwach­t Neu-Ulm hat am Samstag das Tauchen im gefrorenen See für den Ernstfall geprobt. Als ein „fragwürdig­es Vergnügen“bezeichnet Wasserwach­t-Sprecher Helmut Graf das Eisbaden. Noch mehr hat die Einsatzkrä­fte aber schockiert, dass am Wochenende schon die ersten Spaziergän­ger und Winterspor­tler auf den Baggerseen unterwegs waren. Die Eisdecke habe lediglich vier oder fünf Zentimeter betragen. „Das ist lebensgefä­hrlich“, sagt Graf.

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FOTO: MICHAEL KROHA Eiskaltes Vergnügen: Danny Fuchs und Nadine Milosevic nehmen ein zehnminüti­ges Bad im zugefroren­en Pfuhler Baggersee.

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