Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Viel Aufwand für ein wenig Kundenkontakt
Wie „Click & Collect“im Biberacher Einzelhandel funktioniert und welche Sorgen vorherrschen
BIBERACH - Per Anruf oder online bestellen und die Ware dann zu einer vereinbarten Zeit im Laden abholen: Seit Montag ist diese als „Click & Collect“bezeichnete Form des Handels auch den Geschäften erlaubt, die im Lockdown nicht öffnen dürfen. Auch der Biberacher Einzelhandel nutzt dieses Instrument zum Teil.
Ein Tischchen samt Klingelknopf hat Flavia Gutermann vor dem Eingang ihres Haushalts- und Eisenwarengeschäfts „Gutermann zum Blumenstrauß“am Marktplatz aufgebaut. Wer eine bestellte Ware abholen will, klingelt. Daraufhin kommt das Verkaufspersonal an das Tischchen vor der Ladentür und händigt die Ware aus. Auch eine kleine Form von Beratung bietet Gutermann an. „Wenn jemand eine Kaffeemaschine kaufen möchte, können wir dem Kunden auf einem Tisch hinter der Glastür einige Modelle zeigen und er entscheidet sich dann, welches er haben möchte.“
Zwischen 20 und 40 Kunden kommen auf diese Weise pro Tag zu Gutermann. Gekauft werden eher nicht Kaffee-Vollautomaten, sondern kleinere Dinge wie Pfannen, Kuchenformen oder Pflegemittel für die Kaffeemaschine. Auch der Schlüsseldienst sei sehr gefragt, sagt Flavia Gutermann.
Großer Umsatz sei damit allerdings nicht zu machen. „Mir geht es eher darum, den Kundenkontakt nicht zu verlieren.“
Während Flavia Gutermann ihr Geschäft geschlossen lassen muss, ist nur wenige Meter weiter die Filiale des Drogeriemarkts Müller geöffnet und verkauft ebenfalls Haushaltswaren. „Ich mache denen keinen Vorwurf. Wenn ich Müller wäre, würde ich auch aufmachen“, sagt sie. Im Übrigen sei es ja nicht nur der Drogeriemarkt, sondern auch Supermärkte und Discounter, die beispielsweise Bekleidung verkaufen, während Modehäuser geschlossen sind, so Gutermann. „Ich ärgere mich über die Politik in Land und Bund.“Die halte sie für nicht durchdacht und plädiert für ein Öffnen der Geschäfte unter Auflagen. „Wenn das bis Ostern im Lockdown weitergeht, dann können wir unsere Innenstadt zusperren“, meint sie.
Modehändler Günter Warth auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes teilt ihre Sorgen. Auch er bietet seinen Kunden die Möglichkeit des „Click & Collect“an. „Bis vorige Woche haben wir Artikel nur zugeschickt, jetzt wird auch das Abholen vermehrt genutzt.“Wobei ein solches Angebot nicht so ganz einfach ist, wenn es um Bekleidung geht. „Wir haben aber in vielen Fällen den Vorteil, dass sich Kunde und Verkäufer kennen“, sagt Warth. Eine Kundin oder ein Kunde rufe in der Regel an und erläutere, was er oder sie gerne hätte und der Verkäufer stellt dann eine Auswahl zusammen. „In vielen Fällen haben wir da eine Trefferquote“, sagt Warth. Das Ganze sei aber mit erheblichem Aufwand verbunden und rechne sich finanziell eigentlich nicht. „Aber wir sind froh, dass wir so überhaupt Kundenkontakt haben und nicht ganz vergessen werden.“
Dass ein verlängerter Lockdown etwas bringt, stellt Warth infrage. Er registriere das Ganze zunehmend mit Kopfschütteln und Unverständnis. Im Moment gehe es nur noch um Schadensbegrenzung, „verbunden mit der Hoffnung, dass wir adäquat entschädigt werden“. Sein Unternehmen habe bislang keinen Euro Fördermittel erhalten, weil es bislang die Kriterien nicht erfüllt habe. Für den Dezember könne er erstmalig Hilfsgelder beantragen, müsse dafür vom Steuerberater aber ein 82seitiges Dokument bearbeiten lassen. „Mit dem Geld rechne ich nicht vor Ostern“, sagt Warth.
Er könne die Besorgnis der Politik angesichts der Corona-Zahlen nachvollziehen, „aber ich muss doch auch im Blick haben, welche wirtschaftlichen Konsequenzen das hat“. Er rechne mit noch mehr Leerständen
quer durch alle Branchen in der Stadt, sagt Warth, der auch im Vorstand der Werbegemeinschaft Biberach ist. Sein Vorschlag: „Die Geschäfte sobald wie möglich wieder öffnen lassen mit klaren Regeln.“
Auch das Modehaus Kolesch, das flächenmäßig größte Geschäft am Marktplatz, muss seine Pforten seit 16. Dezember geschlossen lassen und bietet seit dieser Woche die Möglichkeit des „Click & Collect“. „Wobei das mit dem ,Click’ bei uns nicht so einfach ist, wie in anderen Branchen“, sagt Friedrich Kolesch. „Es ist immer eine Kommunikation zwischen Kunde und Verkäufer notwendig, damit das Ergebnis zufriedenstellend ist.“Er und seine Mitarbeiter machten das Angebot gerne. „Wir freuen uns über jeden, der sich meldet, auch wenn es nur ein Bruchteil unseres normalen Umsatzes darstellt.“
Ähnlich wie Warth treibt ihn die Sorge um eine faire Entschädigung um. Die nicht verkaufte Winterware fülle noch immer den Laden und schon bald komme die Frühjahrsware, die schon im vergangenen Jahr bestellt werden musste und die jetzt zur Bezahlung ansteht. Auch Kolesch könnte einen verlängerten Lockdown nicht verstehen. „Wir haben gezeigt, dass es mit unserer Ladenfläche und den Regeln funktionieren kann“, sagt er. Unter seinen Mitarbeitern habe es bislang null Corona-Fälle gegeben. Das sei auch in anderen Bereichen des Handels so. „Wenn wir im Februar nicht wieder aufmachen dürfen, dann wird es existenziell“, so Kolesch.
Auch Martin Bornheft, Geschäftsführer des Schuhhauses Hepfer bietet „Click & Collect“an. Seit dieser Woche laufe das Geschäft damit ganz gut, sagt er. „Aber das liegt vermutlich am Schnee. Für uns Schuhverkäufer ist das ein super Wetter.“Er sei deshalb gottfroh, das er Ware nun zum Abholen anbieten dürfe. Finanziell sei das Ganze allerdings bestenfalls ein Tröpfchen auf den heißen Stein. „Ich bin der Letzte, der jammert, aber allmählich wird die Situation schwierig.“Mitleid habe er vor allem mit jungen Kollegen, die ein Geschäft frisch eröffnet und viel investiert haben.
Zufrieden mit dem Geschäft ist Hanspeter Huchler von der Stadtbuchhandlung. „Wir haben keine Einbußen und haben viele Neukunden gewonnen, die in der CoronaZeit das Lesen für sich entdeckt haben.“Sowohl der hauseigene Liefer-, als auch der Abholservice hätten sich bewährt. „Click & Collect“sei in der Bücherbranche natürlich leichter zu realisieren als in anderen. Die Stadtbuchhandlung werde die Krise überstehen, sagt Huchler, „aber wir leiden mit den anderen Händlern in der Stadt. „Wir sind auf einen funktionierenden Einzelhandel angewiesen, sonst ist die Stadt nicht mehr attraktiv.“