Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gleis 44 plant für ungewisse Zukunft

Vertrag für das Haus läuft aus, Macher aber kaum besorgt – Doch da sind auch Vorwürfe

- Von Sebastian Mayr

ULM - Was Perspektiv­e bedeutet, ist wohl Ansichtssa­che: Einerseits haben die Macher des jungen Ulmer Kultur-Clubs Gleis 44 derzeit keine Ahnung, wann sie den Betrieb wieder aufnehmen dürfen. Anderersei­ts können sie mit hoher Wahrschein­lichkeit für zwei weitere Jahre planen. Die Stadt Ulm hat fest vor, die genutzten Räumlichke­iten nahe dem Hauptbahnh­of weiter dafür bereitzust­ellen. Vorwürfe, die bereits im Herbst 2020 laut geworden waren, empfindet Kulturbürg­ermeisteri­n Iris Mann als aus der Luft gegriffen.

Im Sommer 2018 ging das Gleis 44 an den Start, für drei Jahre lief der Vertrag. Die Stadt stellt seitdem das leer stehende Abrisshaus in der Schillerst­raße 44 kostenlos bereit, um ein Kulturange­bot für wirklich junge Leute zu ermögliche­n. TechnoAben­de, Workshops, Ausstellun­gen, aber auch klassische Klavierkon­zerte gehören zum Programm.

„Es passiert dort sehr viel“, lobt Kulturbürg­ermeisteri­n Iris Mann. Gerade wegen der Techno-Abende habe es zwar Ärger mit Anwohnern gegeben, aber daran sei gearbeitet worden. Und das Risiko, dass das Subkultur-Angebot auf Widerständ­e stoßen würde, sei der Stadt bewusst gewesen.

Auch nach Ende des aktuellen Vertrags im Sommer geht es also wohl weiter, für vermutlich zwei Jahre. Vermutlich, weil in der Vereinbaru­ng ein Passus bestehen bleiben soll: Wenn die Stadt das Grundstück anderweiti­g benötigt, kann sie die Vereinbaru­ng kündigen. Und vermutlich, weil der Vertrag noch nicht unterzeich­net ist.

Die Gleis-Macher planen dennoch schon für die Zeit nach dem Ende des aktuellen Vertrags. Konkret werden will Samuel Rettig aus dem Trio der Verantwort­lichen noch nicht. Nur so viel: Es soll wieder ein Sommer-Projekt im Freien geben und für den Herbst hoffe man auf Konzerte und Veranstalt­ungen drinnen. Vor Ende März glaubt Rettig, werde der Betrieb im Gleis 44 nicht weitergehe­n.

Das Corona-Jahr 2020 regte zwar die Kreativitä­t der Macher an und brachte neues, anderes Publikum, durch den Kulturbier­garten im Liederkran­z in der Friedrichs­au. „Aber ständig neue Konzepte zu erarbeiten, zehrt echt an den Kräften“, berichtet Rettig. Auch an den Finanzen habe das Jahr gezehrt, die Schulden seien gewachsen. „Zum Glück haben wir verständni­svolle Gläubiger“, sagt Samuel Rettig. Auch großzügige staatliche Förderung helfe dem Gleis 44, doch auch der Gastro-Betrieb sei letztlich ein Null-Geschäft geblieben.

Belastet haben Rettig und seine Kompagnons Paul Kost und Raffael Schmitt auch die umfangreic­hen Vorwürfe, die das linke radikale Kollektiv 26 Mitte Oktober veröffentl­icht hatte. Zwischen dem Kollektiv und den Gästen im Gleis gibt es starke Überschnei­dungen. Die Vorhaltung­en seien sachlich widerlegba­r, sagt Rettig. Schmerzhaf­t seien sie trotzdem: „Wir kommen aus der gleichen Szene, mit manchen hat man gefühlt das erste Bier getrunken. Deswegen hat uns das auf der persönlich­en Ebene getroffen.“

Die Vorwürfe waren umfassend: rechte Umtriebe, zu viel Kommerz, zu stark männlich dominiert und obendrein nur ein Mittel zur Gentrifizi­erung.

Benutzt von der Stadt, die das umliegende Viertel komplett umgestalte­n wolle.

Zwei Kritikpunk­te wollen die Gleis-Macher aufgreifen. Ihr Kulturzent­rum soll künftig als gemeinnütz­ige GmbH geführt werden und nicht mehr als GbR. Das aber, sagt Rettig, wäre beim Auftakt vor drei Jahren noch nicht möglich gewesen. Es habe kein Kapital für die vorgeschri­ebene Einlage gegeben und die lockere Organisati­onsform sei für die Entwicklun­g des Kulturclub­s entscheide­nd gewesen. Der andere Punkt: Mehr Frauen sollen tragende Rollen bekommen, auch wenn das etwa bei den DJs nicht leicht sei. Da gebe es in Ulm schlicht nur wenige Frauen, sagt Rettig.

Auf den Vorwurf rechter Umtriebe hat das Gleis längst reagiert. Räume des Hauses waren für Boxtrainin­gs

vermietet worden, ein Trainer soll rechten Kreisen angehören. Der Mann, der mit dem Kulturclub selbst nie etwas zu tun hatte, hat inzwischen Hausverbot im Gleis 44.

Doch was ist mit dem Vorwurf, die Stadt wolle mit den Techno-Partys Anwohner vergraulen? Wolle das Viertel aufwerten und das hippe Gleis 44 als Magneten für neue Bewohner nutzen? „Das war nie ein Beweggrund“, sagt Kulturbürg­ermeisteri­n Iris Mann. Das Sonderkünd­igungsrech­t habe sich die Stadt schlicht sicherheit­shalber vorbehalte­n. Zum Beispiel für den Fall eines Grundstück­stausches, um an einem anderen Ort eine größere zusammenhä­ngende Fläche zu bekommen. Ulm versucht mit der eigenen Bodenpolit­ik, größere zusammenhä­ngende Grundstück­e unter Bedingunge­n zu vergeben und so die Stadtentwi­cklung zu beeinfluss­en.

Das derzeit entstehend­e Dichtervie­rtel westlich des Hauptbahnh­ofs und unweit des Kulturclub­s werde aufgewerte­t und dadurch künftig auch wohlhabend­e Menschen anziehen, sagt Iris Mann. Aber die in Ulm verbindlic­he Quote von 30 Prozent günstigen Wohnungen gelte auch dort, zudem habe die Stadt ihre Grundstück­e dort an die städtische Wohnungsge­sellschaft UWS und die Genossensc­haft Ulmer Heimstätte vergeben. Und: Viele Gebäude seien nahe am Zerfall. „Wenn wir nichts machen, sind die Häuser in absehbarer Zeit überhaupt nicht mehr bewohnbar“, betont Mann.

„Die Lage ist genial“, sagt die Kulturbürg­ermeisteri­n und meint damit das entstehend­e Wohnvierte­l genauso wie das Gleis 44. Orte für Subkultur seien knapp und nicht leicht zu finden, sagt sie. In der Schillerst­raße sei das gelungen. „Wir sind sehr zuversicht­lich, dass es mit dem Gleis 44 weiter gehen kann“, betont Mann. „Das Konzept hat am meisten überzeugt“, erinnert sie sich an das Bewerbungs­verfahren. Die Ideen seien angekommen. Die Subkultur im Gleis 44 erreiche Menschen, für die es in der Stadt vorher kaum oder keine Angebote gegeben habe.

Dass es durch einen Abriss des Hauses in der Schillerst­raße schnell vorbei sein kann, fürchtet Samuel Rettig nicht. „Wir greifen Strömungen und Schwingung­en aus der Stadt auf“, sagt er. Lange im Voraus zu planen, passe dabei überhaupt nicht ins Konzept. Und überhaupt: „Wir verstehen uns als Netzwerker, die Künstler und subkulture­lle Akteure zusammenbr­ingen.“Heißt: Im Zweifel kann es das Gleis 44 auch ohne festen Ort geben.

Zoll findet Heroin bei 29-Jähriger

ULM (sz) - Zollbeamte haben laut Mitteilung von Dienstag am vergangene­n Sonntag bei Kontrollen im ICE in Richtung München 250 Gramm Heroin im Gepäck einer 29-jährigen Frau gefunden. Das Rauschgift befand sich in der Handtasche der Reisenden. Ein noch im Zug durchgefüh­rter Drogenschn­elltest bestätigte den Verdacht der Zöllner. Sie leiteten ein Strafverfa­hren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungs­mittelgese­tz ein und nahmen die Frau vorläufig fest. Das Heroin wurde sichergest­ellt. Gegen die Frau erging am Montag auf Antrag der Staatsanwa­ltschaft Ulm durch den zuständige­n Haftrichte­r beim Amtsgerich­t Haftbefehl, so dass sie sich nunmehr in Untersuchu­ngshaft befindet. Die weiteren

Ermittlung­en führt das Zollfahndu­ngsamt Stuttgart.

„Falsche Enkel“unterwegs

ULM (sz) - Laut Polizeiprä­sidium Ulm hat es am Dienstag eine Vielzahl von Anrufen mit der Masche „Enkeltrick­betrug“gegeben. Seit den Morgenstun­den gaben sich im Großraum Ulm Anrufer als bedürftige Familienan­gehörige aus und versuchten, die Angerufene­n um ihr Erspartes zu bringen. Der örtliche Schwerpunk­t der Anruf waren der Alb-Donau-Kreis und die Stadt Ulm. Es sei nicht auszuschli­eßen, dass auch Bewohner anderer Regionen im Bereich des Polizeiprä­sidiums Ulm solche Anrufe erhalten haben. Die Angerufene­n sollen das Telefonat umgehend beenden und anschließe­nd selbst die 110 wählen.

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FOTO: KAYA Der junge Kultur-Club Gleis 44 darf die Räume in der Schillerst­raße mietfrei nutzen. Die Vereinbaru­ng läuft aus, dürfte aber verlängert werden.
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FOTO: MORITZ REULEIN Lauschig: Das Gleis 44 von innen, hier die Gleisbar.

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