Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Langzeitfolgen können jede Altersgruppe betreffen“
Was wir bisher über die Langzeitschäden nach einer Corona-Infektion wissen und was nicht
BIBERACH - Auch wenn uns das Coronavirus nun schon fast ein ganzes Jahr begleitet – über die Langzeitschäden weiß die Medizin noch relativ wenig. Alwin Nuber ist Chefarzt der Medizinischen Klinik und Pneumologie am Sana-Klinikum Biberach. Der Facharzt für innere Medizin, Pneumologie, Schlafmedizin und Allergologie leitet zudem die pneumologische Praxis Biberach. Er hat zusammengefasst, was bisher über die Langzeitschäden des neuen Virus bekannt ist. Die Fragen stellte Redakteurin Katrin Bölstler.
Herr Nuber, was wissen wir aktuell bereits über Langzeitschäden? Wen kann es treffen? Welche Langzeitfolgen beobachten Sie besonders häufig?
Da das Krankheitsbild nach wie vor relativ neu ist und bekanntermaßen mit sehr unterschiedlichen Symptomen einhergeht, ist es schwer, überhaupt schon von echten Langzeitfolgen zu sprechen. Auch gibt es nach aktuellen Angaben des Robert-KochInstituts (RKI) bislang noch keine einheitliche Definition von Langzeitfolgen, zudem fehlen derzeit noch verlässliche, repräsentative Daten zum Anteil der Erkrankten mit Langzeitfolgen. Klar ist zwischenzeitlich jedoch, dass die Lungenkrankheit Covid-19 auch schon in der Akutphase zu einem sogenannten Multisystemleiden führen und quasi alle Organsysteme befallen kann. Dies definiert letztendlich auch die Vielfältigkeit möglicher Langzeitfolgen.
Haben Sie Kontakt zu Patienten mit Langzeitschäden?
Dies erleben wir so auch in unserer pneumologischen Praxis, denn neben der stationären Versorgung in den Covid-Bereichen des Biberacher Klinikums betreuen wir unsere Patienten auch im Rahmen einer ambulanten Sprechstunde. Dort sehen wir vermehrt Menschen, die eine akute Corona-Infektion überstanden haben, aber auch Wochen oder Monate danach noch nicht wieder vollständig genesen sind beziehungsweise sich nur sehr langsam erholen. Das betrifft grundsätzlich nicht nur Menschen, die schwer erkrankt waren und stationär versorgt wurden, sondern auch Patienten, die einen milderen Verlauf hatten und nicht im Krankenhaus behandelt werden mussten. Betroffen sind zum Teil auch Menschen, die vor der Infektion körperlich gesund waren und keine bekannten Vorerkrankungen hatten. Die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion können grundsätzlich auch jede Altersgruppe betreffen.
Was bedeutet das konkret für jene, die auch Wochen nach ihrer Erkrankung noch nicht wieder gesund sind?
Es handelt sich hierbei quasi um ein gänzlich neues Krankheitsbild – das sogenannte Post-Covid. Es ist dabei oft unklar, ob die Symptome wieder komplett verschwinden. Das heißt, die Folgen der Erkrankung sind derzeit noch nicht vollständig zu überblicken. Dabei ist die Liste möglicher Folgen lang und reicht von Geschmacksund Geruchsverlust, dauerhaften Schäden/Vernarbungen an der Lunge mit konsekutiver Kurzatmigkeit beziehungsweise Atemnot sowie persistierendem (Reiz-)Husten, Schlafstörungen, Muskelschwäche, Kreislaufproblemen, Schwindelgefühlen, über eine verminderte Leistungsfähigkeit/Belastbarkeit und eine starke andauernde Müdigkeit/Erschöpfung (FatigueSyndrom) bis hin zu gravierenden neurologischen Störungen wie Polyneuropathie sowie demenziellen Schäden mit Gedächtnislücken, massiven Konzentrationsproblemen und Wortfindungsstörungen. So scheinen die Folgeschäden aktuell vorwiegend im pneumologischen und neurologischen Bereich zu liegen, doch bleibt der weitere Verlauf und die Entwicklung abzuwarten – natürlich auch hinsichtlich hoffentlich zu erwartender spezifischer Therapiemöglichkeiten.