Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Posttraumatische Briefzusteller-Affäre
In Zeiten von E-Mails und Videokonferenzen ist es fast schon eine nostalgische Nachricht, dass die Polizei in Schleswig-Holstein etwa 13 000 nicht zugestellte Briefe gefunden hat. Aber nicht im Briefkasten der Wache, sondern zufällig während einer Durchsuchung in der Wohnung sowie einer Gartenlaube eines Paares, das eigentlich selbst in der Postzustellung tätig ist. Die Staatsanwaltschaft wählt dafür den unschönen Begriff der Unterschlagung. Außerdem wird dem Duo die Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses vorgeworfen.
Warum der 62-jährige Mann und seine 34-jährige Angebetete es vorzogen, die ungeöffneten Kuverts nicht einfach zuzustellen, sondern in jede Ritze ihrer privaten Räume zu stopfen, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Vielleicht handelt es sich um frenetische Briefmarkensammler, deren philatelistische Neigung aus dem Ruder gelaufen ist. Möglicherweise hat das Paar in jungen Jahren einen eklatanten Mangel an für sie bestimmte Briefe erlebt, sodass das Horten der Post Kompensation ist. Oder aber die Frau und ihr Mann haben selbst so viel schlechte
Post erhalten – etwa Rechnungen und Mahnungen – dass sie aus Nächstenliebe anderen Menschen derlei Lektüre ersparen wollten.
Jetzt jedenfalls – nach diesem posttraumatischen Ereignis – wird das Paar Post vom Amtsgericht bekommen. Und wahrscheinlich vom Arbeitgeber. Denn das Nichtzustellen der Post ist für einen Postboten der maximale Sündenfall. Zum Glück haben die beiden noch sich und die Chance, sich gegenseitig Liebesbriefe zu schreiben. (nyf )