Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Fast am Ziel
Den Satellitenbauern von Airbus am Bodensee winkt mit Galileo 2 ein prestigeträchtiger Großauftrag
RAVENSBURG/IMMENSTAAD - Der Raumfahrt- und Verteidigungssparte von Airbus mit seinem Standort Immenstaad am Bodensee winkt ein dringend benötigter Großauftrag: Zusammen mit dem italienisch-französischen Unternehemen Thales Alenia Space soll das Konsortium die zweite Satellitengeneration des Navigationssystems Galileo bauen. Der Konkurrent in dem EU-Bieterwettbewerb, der Bremer Satellitenbauer OHB, ist demnach leer ausgegangen. Die drei beteiligten Unternehmen seien informiert, hieß es in Brüssel. Offiziell werde die Entscheidung, die auf Empfehlung der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA getroffen wurde, aber erst Ende Januar mitgeteilt.
OHB bestätigte am Mittwoch, mit seinem Angebot nicht erfolgreich gewesen zu sein. Airbus Defence and Space hingegen wollte sich auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit Verweis auf das noch laufende Verfahren nicht äußern. Zumal vor der finalen Entscheidung die unterlegene Partei gegen das Votum auch noch Einspruch einlegen kann.
Gleichwohl wäre der Zuschlag nicht nur ein Prestigeerfolg für Airbus und den Standort Immenstaad sondern hätte auch eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Denn das Auftragsvolumen für den Bau von zunächst zwölf Satelliten liegt Insidern zufolge bei 1,47 Milliarden Euro, wovon ein guter Teil auf die Satellitenspezialisten am Bodensee entfallen dürfte.
Für die Beschäftigten am Standort Immenstaad sind das gute Nachrichten. Denn die Niederlassung leidet, wie die gesamt Airbus-Sparte Defence and Space, seit geraumer Zeit unter einer Flaute bei Neuaufträgen. Im Dezember 2019 hatte Standortchef Dietmar Pilz deutlich klar gemacht, dass das Unternehmen für Immenstaad unbedingt neue Aufträge
gewinnen muss, um keine Hightech-Arbeitsplätze zu verlieren. Vor allem im Raumfahrtbereich, hieß es damals, seien einige Großaufträge der vergangenen Jahre nahezu abgearbeitet. Zuvor hatte Spartenchef Dirk Hoke wegen der angespannten finanziellen Situation bei Defence and Space ein Sparpaket angekündigt, dem 2362 Stellen, davon 148 am Bodensee, zum Opfer fallen sollen. Der Abbau soll bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein.
Aktuell beschäftigt Airbus Defence and Space am Bodensee noch 2140 Mitarbeiter wovon zwei Drittel im Raumfahrtgeschäft tätig sind. Zusammen mit den im September und Dezember 2020 gewonnen Aufträgen für das Erdbeobachtungsprogramm der EU, Copernicus, dürfte der Galileo-Zuschlag daher für entspanntere Minen bei den Standortverantwortlichen sorgen.
Die EU will die ersten Satelliten der zweiten Galileo-Generation Ende 2024 ins All schießen und gleichzeitig aktualisierte Bodensysteme zur Unterstützung der neuen Satelliten in Betrieb nehmen. Der zuständige EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hatte das Datum um zwei Jahre vorgezogen, um im Wettbewerb mit dem amerikanischen GPS und dem chinesischen Beidou nicht ins Hintertreffen zu geraten. Galileo 2 soll einen stärkeren und genaueren Empfang ermöglichen. So sollen auch für private Nutzer eine Genauigkeit von fünf Zentimetern und weniger möglich sein.
Für den unterlegenen Bieter OHB ist die Entscheidung aus Brüssel ein herber Rückschlag. Denn der börsennotierte Familienbetrieb aus Bremen hat Galileo aufgebaut und ist damit bekannt und groß geworden. Die Aktie verlor am Dienstag zehn Prozent an Wert und lag auch am Mittwoch mit mehr als drei Prozent im Minus. Der nach eigenen Angaben drittgrößte europäische Raumfahrtkonzern hinter Airbus Defence and Space und Thales Alenia hatte sich seit 2010 bereits in drei Ausschreibungsrunden durchgesetzt und war mit Entwicklung, Bau und Test von insgesamt 34 Galileo-Satelliten beauftragt worden. Davon befinden sich aktuell bereits 22 im Weltraum. Die verbliebenen zwölf sind in unterschiedlichen Produktionsund Teststadien und laut OHB von der aktuellen Entscheidung nicht betroffen.
Noch im August 2020 hatte sich OHB-Chefstratege Lutz Bertling optimistisch gezeigt, die Ausschreibung für die Galileo-2-Satelliten zu gewinnen. „Wir sehen die Wahrscheinlichkeit eines Zuschlags für OHB bei deutlich über 50 Prozent“, sagte Bertling damals. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass OHB mit seiner Erfahrung bei Galileo bei dieser Ausschreibung leer ausgehen würde. Demgegenüber verwies Philippe Pham, der bei Airbus für die Erdbeobachtung zuständige Manager, im Gespräch mit „SpaceNews“damals auf die technologischen Unterschiede der Galileo-2-Satelliten. Diese seien nicht vergleichbar mit den Satelliten der ersten Generation. Pham kündigte ein wettbewerbsfähiges Angebot an, mit dem nur „sehr wenige mithalten“könnten.
Der in Brüssel von Industrievertretern geäußerte Verdacht, der Franzose Breton habe bei der Vergabe des Auftrags Unternehmen mit französischer Beteiligung bevorzugt, wurde von der EU-Kommission strikt zurückgewiesen.
Das Angebot von OHB sei in mehrfacher Hinsicht klar schlechter als die Angebote der beiden Konkurrenten gewesen. Das habe die von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA erstellte unabhängige Analyse klar ergeben.