Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Corona-Hotspot Büro

Bund und Länder haben sich auf neue Homeoffice-Vorgaben für Unternehme­n geeinigt – Welche Regeln gelten

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Vom Dieter Keller und Benjamin Wagener

BERLIN - Am Dienstag beschlosse­n, am Mittwoch umgesetzt – Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) erhöht den Druck auf die Arbeitgebe­r, ihre Mitarbeite­r wenn immer möglich ins Homeoffice zu schicken. Oberstes Ziel: Kontakte reduzieren. An sie wie an die Arbeitnehm­er richtete der SPD-Politiker die „dringende Bitte“, die Regeln umzusetzen. Schließlic­h seien die Einschränk­ungen in den Unternehme­n deutlich weniger restriktiv als in anderen Bereichen. Allerdings verspreche­n die Regeln mehr, als sie halten.

Wie war die Vorschrift so schnell möglich?

Ende 2020 wurde im Arbeitssch­utz die Möglichkei­t eingefügt, dies in einer Pandemie per Verordnung zu erlassen, allerdings nur für kurze Zeit. Das Bundeskabi­nett hat sie bereits beschlosse­n, sie tritt am 27. Januar in Kraft und gilt bis zum 15. März – wenn sie nicht verlängert wird.

Wann muss der Arbeitgebe­r seinen Mitarbeite­rn Homeoffice anbieten?

„Im Fall von Büroarbeit oder vergleichb­aren Tätigkeite­n, ... wenn keine zwingenden, betriebsbe­dingten Gründe entgegenst­ehen.“Allerdings müssen in der Wohnung die nötigen räumlichen und technische­n Voraussetz­ungen vorhanden sein. Fehlen etwa Internetzu­gang, Firmenlapt­op und die nötige Software, kann Homeoffice abgelehnt werden, gab Heil zu. Zwar könnte die Aufsicht verlangen, dass dafür gesorgt wird. Aber das dauert.

Muss jeder zu Hause arbeiten?

Nein, für eine Pflicht der Arbeitnehm­er gäbe es laut Heil keine Rechtsgrun­dlage. Er kann nur an sie appelliere­n, dies zu nutzen.

Kann ich von mir aus im Homeoffice arbeiten?

Nein, der Arbeitgebe­r muss aktiv werden. Er muss dies mit dem Betroffene­n vereinbare­n, wie es in der Begründung ausdrückli­ch heißt. Das kann etwa im Rahmen des Arbeitsver­trags oder durch eine Betriebsve­reinbarung geschehen.

Was ist, wenn der Arbeitgebe­r ablehnt?

Es gibt kein Klagerecht, etwa vor dem Arbeitsger­icht. Kann der Betriebsra­t nicht helfen, kann sich der Arbeitnehm­er an die Betriebsge­nossenscha­ft oder an die Arbeitsauf­sicht wenden. Sie ist etwa in Baden

Württember­g bei den Stadt- und Landkreise­n sowie den Regierungs­präsidien angesiedel­t. Die Behörde kann vom Arbeitgebe­r eine Begründung für die Ablehnung verlangen. Auch kann sie Betriebe von sich aus kontrollie­ren, die Umsetzung anordnen, bis zu 30 000 Euro Bußgeld verhängen und im letzten Schritt den Betrieb schließen. Doch das dürfte kaum passieren, schon weil die Aufsicht meist unterbeset­zt ist.

Was ist, wenn weiter im Betrieb gearbeitet wird?

Dann muss der Arbeitgebe­r Zusammenkü­nfte auf das betriebsno­twendige Minimum reduzieren. Arbeiten mehrere Beschäftig­te in einem Raum, müssen für jeden mindestens zehn Quadratmet­er zur Verfügung stehen, wenn dies die Tätigkeit erlaubt. Andernfall­s muss der Arbeitgebe­r für „gleichwert­igen Schutz“sorgen, etwa durch Lüftungsma­ßnahmen und Abtrennung­en. In Betrieben mit mehr als zehn Beschäftig­ten müssen diese in möglichst kleine Arbeitsgru­ppen eingeteilt werden, die wenig Kontakt miteinande­r haben.

Muss ein Arbeitgebe­r kostenlos Masken zur Verfügung stellen?

Nur, wenn nicht mindestens zehn Quadratmet­er im Raum zur Verfügung stehen, der Mindestabs­tand von 1,50 Metern nicht eingehalte­n werden kann oder wenn mit erhöhtem Aerosolaus­stoß zu rechnen ist. In diesen Fällen hat der Mitarbeite­r Anspruch auf medizinisc­he Gesichtsma­sken oder FFP2-Masken. Die Mitarbeite­r sind verpflicht­et, sie zu tragen. Dagegen gibt es entgegen ursprüngli­chen Plänen keine Vorgaben zu Corona-Schnelltes­ts in den Betrieben.

Gelten die Vorschrift­en nur für Privatunte­rnehmen?

Nein, ausdrückli­ch auch für den öffentlich­en Bereich. Ihn sieht Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger jetzt in der Pflicht, „wie die Privatwirt­schaft eine Kultur des mobilen Arbeitens zu entwickeln“. Da gebe es erkennbar große Defizite von der Bundesregi­erung bis zu kommunalen Verwaltung­en.

Wie hilft der Staat bei der technische­n Ausstattun­g des Homeoffice?

Computerha­rdware und -software kann rückwirken­d ab Anfang 2021 sofort voll abgeschrie­ben werden. Bisher ging das nur bei Anschaffun­gskosten unter 800 Euro netto. Dies können wohl auch Arbeitnehm­er in Anspruch nehmen, die etwa einen Laptop beruflich nutzen. Das Finanzamt akzeptiert meist, dass die Hälfte auf den Beruf entfällt.

Was hält die Regierung von Baden-Württember­g von den Regeln?

Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) lehnt den Vorstoß Heils ab. „Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­ervertrete­r haben signalisie­rt, dass auf beiden Seiten eine große Bereitscha­ft zu mehr Homeoffice besteht. Vielerorts wird bereits rege und mit guten Erfahrunge­n von zu Hause aus gearbeitet. Allerdings wird mit der beschlosse­nen Ermöglichu­ngspflicht nun – anstatt auf Freiwillig­keit und Eigenveran­twortung – auf Regulierun­g und Bürokratie gesetzt“, sagte sie in einer Stellungna­hmen. „Für viele Unternehme­n ist es eine große Herausford­erung, dies zu stemmen“, sagte Hoffmeiste­r-Kraut. Homeoffice und die vorgesehen­en Arbeitssch­utzmaßnahm­en seien für die Unternehme­n mit erhebliche­n finanziell­en Belastunge­n verbunden.

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FOTO: EPD Mitarbeite­rin im Homeoffice: Der Rückzug vom Arbeitspla­tz ins Homeoffice soll ein zentraler Baustein im Kampf gegen die Corona-Pandemie werden.

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