Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Möglichst Bio, aber vor allem billig
Während Verbraucher nachhaltige Lebensmittel fordern, protestieren Bauern für höhere Preise – Bund verbietet Kükenschreddern
BERLIN - Sie dauert nur zwei Tage und findet nur im Internet statt. Doch auch die 95. Grüne Woche wird zum Forum für den Streit um den richtigen Weg für die Landwirtschaft. Grüner soll sie werden. Nur das „wie“ist dabei umstritten. Die Verbraucher haben sich anscheinend schon entschieden. „Die Nachfrage nach regionalen Produkten hat zugenommen“, sagt der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied. Auch Bioprodukte und nachhaltige Lebensmittel erfreuen sich in der Pandemie einer wachsenden Beliebtheit. Die Industrie hat sich dem Geschmack der Kunden angepasst. „Es gibt neue nachhaltige Produkte und das Angebot ist erweitert worden“, erläutert Stefanie Sabeth, Chefin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungswirtschaft (BVE).
Der Trend bedeutet jedoch noch keine Wende in der Agrarpolitik, wie sie die Grünen oder auch Biolandwirte fordern. Denn es geht an mehreren Stellen zunächst ums Geld. So wird die europäische Agrarförderung gerade neu verhandelt. Ein knappes Drittel der direkten Förderung
soll an Nachhaltigkeitskriterien gekoppelt werden. Das können blütenreiche Grünstreifen neben den Feldern sein oder Investitionen in den Tierschutz oder mehr Energieeffizienz. Der exakte Katalog wird gerade zusammengestellt. Einfach ist das nicht. Landwirte in bergigen Bundesländern haben ganz andere Interessen als ihre Kollegen im Flachland mit großen Flächen oder jenen mit großer Tierzucht.
Um das Einkommen der Bauern geht es auch beim aktuell größten Konfliktherd, den Erzeugerpreisen, die der Handel bezahlt. Auch vor Beginn der Grünen Woche blockierten erzürnte Landwirte wieder aus Protest ein Lager des Handels. Die vier größten Filialisten vereinen 85 Prozent des Lebensmittelhandels auf sich und spielen diese Einkaufsmacht immer wieder durch Preisdruck auf die Bauern aus. Rukwied fordert deshalb einen „DeutschlandBonus“für Erzeugnisse von deutschen Höfen. „Bauern brauchen Wertschätzung auch durch einen höheren Preis“, sagt der Bauernpräsident. Mit einem freiwilligen Aufpreis könnte beispielsweise mehr Tierwohl bezahlt werden. Allerdings will der Handel da nicht mitspielen.
Wie angespannt die finanzielle Lage vieler Bauern ist, zeigt ein Blick auf den Schweinepreis. Rukwied zufolge bringt ein Ferkel derzeit 23 Euro ein. Die Aufzuchtkosten beziffert er auf 50 bis 60 Euro. „Da legen die Bauern drauf“, kritisiert er. Auch die Preise für Milch oder Getreide seien zu niedrig.
Die Schweinezüchter leiden nicht nur unter der Corona-Krise. Auch die afrikanische Schweinepest vermasselt das Geschäft, weil einige asiatische Länder keine Exporte aus Deutschland mehr zulassen. So stehen laut DBV derzeit rund eine Million schlachtreifer Schweine in den Ställen. Dagegen ist die Lage der Ernährungsindustrie trotz Pandemie weitgehend stabil. Der Umsatz ging im vergangenen Jahr nur leicht auf rund 185 Milliarden Euro zurück.
Pünktlich zur Grünen Woche brachte Bundeslandwirtschaftsministerin
Julia Klöckner (CDU) ein lange gefordertes Gesetz auf den Weg. Das Bundeskabinett beschloss ein Verbot des Tötens männlicher Küken zum Jahresende 2021. Inzwischen gibt es technische Möglichkeiten, das Geschlecht der Küken schon im Ei zu bestimmen und die Küken gar nicht erst schlüpfen zu lassen.
Die männlichen Küken von Legehennen sind für die Aufzucht von Hähnchen nicht geeignet. Deshalb werden sie bisher getötet. Auf diese Weise landen in Deutschland jährlich 45 Millionen Küken im Abfall. Von 2024 an sollen dann Technologien zum Einsatz kommen, die das Geschlecht schon sehr früh bestimmen können. Damit können Schmerzen für die Embryonen weiter verringert werden.
Das Bundeskabinett hat zudem ein Gesetz Klöckners für eine bessere Kontrolle von Tierversuchen gebilligt. Versuche, die bisher nur anzeigepflichtig sind, bedürfen künftig einer amtlichen Genehmigung. Die Prüfung der Anträge soll „angemessen detailliert“erfolgen. Auch sollen die Kontrollbehörden einen Teil ihrer Besuche in den Tierversuchseinrichtungen nicht mehr vorher ankündigen.