Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Luchs kommt aus der Küche
Weil das Halten einer Raubkatze als Haustier nicht artgerecht ist, muss ein Wüstenluchs wohl in den Zoo
WEIDEN (dpa) - Eine kleine Küche in einer Mietwohnung in der Oberpfalz, auf dem Heizungssims sitzt ein Wüstenluchs und faucht lautstark – für Polizisten und Amtstierärzte kein alltäglicher Anblick. Selbst der Halterin scheint ihr Haustier nicht ganz geheuer gewesen zu sein. Als die Behörden die Raubkatze beschlagnahmten, habe die 44-Jährige ein wenig erleichtert gewirkt, berichtet Barbara Bäumler vom Veterinäramt in Weiden. Künftig soll der ein Jahr alte Wüstenluchs Philipp in einem Zoo leben.
Eine anonyme Anzeige machte die Behörden in Weiden auf das Jungtier aufmerksam. Die Information sei so konkret gewesen, dass sie umgehend die Polizei eingeschaltet und Kontakt mit dem Tiergarten Nürnberg aufgenommen habe, sagt Veterinärin Bäumler. Daraufhin sei sie mit einer Kollegin und der Polizei sofort zu der 44 Jahre alten Frau gefahren. Wenn es um gefährliche Tiere gehe, etwa auch bei Kampfhunden, sei die Polizei immer dabei.
Die Halterin habe jedoch bereitwillig die Türe geöffnet und ihr Tier gezeigt. Der Wüstenluchs habe gefaucht und seine fünf bis sechs Zentimeter langen Eckzähne gezeigt. „Da bekommt man Respekt. Wir kümmern uns ja sonst eher um Hunde, Katzen, Kühe und Schweine.“
In dem Raum habe es nur eine mit Folie abgedeckte Küchenzeile gegeben und keine Sitzecke. Um es dem
Luchs ein wenig wohnlich zu machen, stellte ihm die Frau eine Hundehütte auf, dazu eine Kuschelecke und ein Katzenklo. Das Tier sei seinem Frauchen gegenüber wohl nicht aggressiv gewesen, aber auch nicht wirklich zahm. „Sie haben eher nebeneinanderher gelebt.“Die Frau habe sich ihrer Aussage nach nur zum Kochen in der Küche aufgehalten, dann sei Philipp in der Ecke gelegen. Zu fressen bekam er Innereien und halbe Gockel.
Neben dem Wüstenluchs habe die Frau mehrere Hauskatzen besessen, die sie manchmal in ein Zimmer sperrte, damit der Luchs zwischendurch aus der Küche konnte und in der Wohnung Auslauf hatte, so Bäumler. Die Raubkatze sei nicht verwahrlost und die Wohnung für das wärmeliebende Tier stark geheizt gewesen. Der Versuch, Philipp mit Futter in eine Transportbox zu locken, sei gescheitert. „Er hatte kurz zuvor was gefressen und war satt.“Ihre Kollegin habe das auf dem Heizungssims sitzende Tier mit einem Pfeil aus einem Blasrohr betäubt. Die Feuerwehr brachte es weg. „Es ist sicher kein schönes Leben für einen Wüstenluchs in einer Küche.“
Warum sich die Frau ausgerechnet einen Caracal caracal, so der
Fachbegriff, als Haustier ausgesucht hatte, sei nicht ganz klar geworden, sagt die Amtstierärztin. Unter anderem habe die 44-Jährige angegeben, mit dem Tier in ihre ukrainische Heimat zurückkehren und dort ein Zuchtprogramm starten zu wollen. Stattdessen erhielt sie eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Wüstenluchse zählen nicht zu den bedrohten Tierarten.
Als Haustier sei die Raubkatze sicher nicht geeignet, sagt auch Jörg Beckmann, stellvertretender Leiter des Tiergartens Nürnberg. In dessen Außenstelle in Schwaig befindet sich der Wüstenluchs in einer 30-tägigen Quarantäne. Über den Europäischen Zooverband soll eine Lösung gefunden werden. Ganz selten seien Wüstenluchse in Zoos nicht. Das Tier benötige eine beheizte Unterkunft mit einer Außenanlage.
Beckmann betont, dass der Tiergarten Nürnberg keine Auffangstation für Fund- und Haustiere sei. Im Fall dieser Raubkatze, die nicht in einem Tierheim untergebracht werden könnte, habe der Tiergarten Amtshilfe geleistet, sagte Beckmann.
In freier Wildbahn kommen Wüstenluchse in weiten Teilen Afrikas, in Iran, Indien und auf der arabischen Halbinsel vor. Sie bevorzugen Steppen und trockene Wälder und ernähren sich von Kleinsäugern und Vögeln. Um einen Vogel zu schnappen, können sie aus dem Stand bis zu drei Meter hoch springen. In herkömmlichen Küchen ist das allerdings nur schlecht möglich.