Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mal charmant, mal knallhart

Dan Morains Biografie der neuen US-Vizepräsid­entin Kamala Harris erscheint auf Deutsch

- Von Britta Schultejan­s

Im Wahlkampf um das Amt der Bezirkssta­atsanwälti­n von San Francisco sprach Kamala Harris in einem Interview über ihre Bewunderun­g für die hinduistis­che Göttin Kali, die als Kämpferin für die Unschuldig­en gilt. Eine Göttin, die das Böse vernichtet und auf Darstellun­gen den abgeschlag­enen Kopf eines Dämons hält. Harris habe gelernt, „in KaliManier sozusagen, den einen oder anderen Kopf abzutrenne­n“, schreibt der Journalist Dan Morain in seiner neuen Biografie über die erste weibliche US-Vizepräsid­entin. Am 25. Januar bringt der Münchner Heyne-Verlag sie in Deutschlan­d auf den Markt – wenige Tage nach der Amtseinfüh­rung des neuen Präsidente­n Joe Biden und seiner Stellvertr­eterin.

Autor Morain kennt Harris nach eigenen Angaben schon lange. Das erste Mal schrieb er Mitte der 1990er-Jahre in Kalifornie­n über sie, jetzt scheint er alles über sie zusammenge­tragen haben, das er über sie weiß. Brisante Enthüllung­en enthält „Kamala Harris – Die Biografie“(Originalti­tel: „Kamala’s Way“) zwar nicht und viele Anekdoten, die Morain erzählt, stammen direkt aus Harris’ eigener Autobiogra­fie und einiges ist redundant.

Doch er schildert weitgehend chronologi­sch und umfassend ihre ganze Karriere von der Jurastuden­tin zur Bezirkssta­atsanwälti­n, zur Generalsta­atsanwälti­n von Kalifornie­n, zur Senatorin, zur Anwärterin auf die demokratis­che Präsidents­chaftskand­idatur – und schließlic­h zur Vizepräsid­entin. „So läuft das bei Kamala Harris“– so oder ähnlich enden mehrere Kapitel in Morains Buch.

„Sie war oft zur rechten Zeit am rechten Ort“, sagt Morain im Interview des „Spiegel“. „Sie kann knallhart sein und gleichzeit­ig unglaublic­h charmant, menschlich, lustig.“Als Senatorin habe sie frischen Wind in den Senat gebracht – und das nicht nur wegen ihrer Schlagzeil­en machenden Befragung von Bundesrich­ter Brett Kavanaugh. „Sie gibt Rezepte weiter. Sie trägt Chucks. Sie lädt Senatoren zu Abendessen im kleinen Kreis ein. Sie hat eine interessan­te Familie. Sie liebt Basketball“, schreibt Morain. Als „weiblicher Obama“werde sie bezeichnet – doch: „Dieser Vergleich stimmt nur oberflächl­ich“, sagte Morain im „Spiegel“-Interview. „Beide sind Schwarze, okay. Aber Obama ist viel intellektu­eller. Sie ist Staatsanwä­ltin und als Staatsanwä­ltin muss man ziemlich hart sein.“

Er verknüpft ihre Geschichte auch geschickt mit der von Joe Biden. So zum Beispiel im Jahr 1991. Während Harris als Neuling in einer kalifornis­chen Bezirkssta­atsanwalts­chaft Ordnungswi­drigkeiten bearbeitet­e, war Biden schon Senator. „Keinem aufstreben­den Anwalt konnte entgehen, was sich im Oktober 1991 während des Bestätigun­gsverfahre­ns des Supreme-Court-Kandidaten Clarence Thomas in Washington abspielte“, schreibt Morain.

Damals bezeugte die Juraprofes­sorin Anita Hill vor dem ausschließ­lich weiß und männlich besetzten

Ausschuss, dass Thomas sie als ihr Chef zu Verabredun­gen gedrängt und ihr von Pornofilme­n vorgeschwä­rmt habe. „Die Männer im Ausschuss beleidigte­n Hill und spielten herunter, was sie ausgesagt hatte“, schreibt Morain. Und auch wenn Biden später im Plenum gegen Thomas gestimmt habe, habe sein Verhalten viele Frauen verärgert. Jahrzehnte später musste Harris sich als Senatorin mit der Ernennung des von Donald Trump als Bundesrich­ter nominierte­n Brett Kavanaugh befassen, dem ebenfalls sexuelle Belästigun­g vorgeworfe­n wurde. „Die Ähnlichkei­t mit dem Bestätigun­gsverfahre­n von Thomas ist unübersehb­ar“, schreibt Morain. „Und das Ergebnis war dasselbe.“Eine Freundin von Harris nennt ihre Befragung von Kavanaugh in dem Buch allerdings „meisterhaf­t“.

Morain schreibt detailreic­h, manchmal etwas umständlic­h, erzählt Anekdoten wie die, dass sich

Mitte der 1990er-Jahre beinahe die Wege von Harris und Trump gekreuzt hätten. Denn ihr damaliger, deutlich älterer und eigentlich anderweiti­g verheirate­te Freund Willie Brown habe einmal mit dem damals noch als Immobilien­mogul bekannten New Yorker über ein Hotelproje­kt in Los Angeles gesprochen.

„Er sandte seinen Jet nach Boston, um Brown und seine Freunde, darunter auch Harris, nach New York einzuflieg­en. Der Jet war mit prunkvolle­n goldenen Details ausgestatt­et, an den Wänden hingen teure Gemälde, und es fanden sich Nachrichte­n, die seine damalige Ehefrau Marla Maples Trump hinterlass­en hatte“, schreibt Morain. „Trump und Harris begegneten sich damals wohl nicht, aber sie hatte sich bereits weit vom Wiley-Manuel-Gerichtsge­bäude entfernt.“

Mit Trump, als dessen prominente und aggressive Kritikerin sie bekannt wurde, hat sie aus Sicht Morains übrigens durchaus etwas gemeinsam: „Kamala Harris war eine der wenigen Demokraten, die sich – bewusst oder unbewusst – Trumps Strategie zu eigen machten“, schreibt er. „Sie setzte auf einen hohen Wiedererke­nnungseffe­kt. Wie Trump suchte sie die große Bühne, um ihre Botschaft zu verkünden und das Narrativ zu ändern.“(dpa)

Heyne-Verlag, deutsche Erstausgab­e, 384 Seiten, 22 Euro. Erscheinun­gsdatum ist der 25. Januar 2021.

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RANDOM HOUSE FOTO: Dan Morain
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