Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Blumiges für die Taufe
Dieser Tage wurde bei uns zu Hause zu unserem großen Bedauern eine verblühte weiße Amaryllis entsorgt, die über die Weihnachtszeit neben dem Christbaum ihren eigenen prachtvollen Akzent gesetzt hatte. Ihren Namen bekam diese allerdings meist tiefrote Pflanze von einer antiken Schönheit. Wobei sich die Quellen in der griechischen und römischen Dichtung widersprechen: Entweder war sie eine Nymphe, die einen verliebten Hirten zurückwies, oder aber sie war selbst eine Hirtin, die in unglücklicher Liebe zu einem Jüngling entbrannte. Als sie nicht erhört wurde, entleibte sie sich durch einen Stich ins Herz, und an der Stelle, wo die Blutstropfen auf den Boden fielen, wuchs ein wunderschöner roter Blütenkelch …
Wie auch immer: In der Schäferlyrik der Renaissance und des Barock tauchte der Name Amaryllis gelegentlich auf, etwa in Madrigalen aus England. Aber als Vorname hat er sich nicht durchgesetzt, weder dort noch bei uns. Glaubt man einschlägigen Internetportalen, so wird in Deutschland nur eines von rund 100 000 Mädchen Amaryllis getauft. Eigentlich schade für einen so poetischen Namen – persönlich angemerkt.
Aber wer seinem Kind einen blumigen Namen geben will, hat ja keine Not. Die internationale Auswahl ist groß. Oft gibt die Blume selbst den Namen vor. Man denke an Rose, Rosa oder Rosalie. Das Veilchen lebt in Viola, Violet oder Violetta fort. Auch bei Dahlia – unvergessen die israelische Sängerin Daliah Lavi – liegt der Fall ähnlich. Und Daisy, wie die Gespielin Donald Ducks aus Entenhausen heißt, kommt vom englischen Wort für Gänseblümchen. Manchmal war aber auch zuerst ein Name da, der dann auf eine Blume überging. Iris wurde die griechische Göttin des Regenbogens genannt und später die Schwertlilie. Der Vorname Hortense geht auf das lateinische hortensia, die zum Garten Gehörende, zurück, und danach wurde im 18. Jahrhundert die Pflanze getauft. Eine berühmte Namensträgerin war Hortense, die Stieftochter Napoleons und Herrin auf Schloss Arenenberg am schweizerischen Bodenseeufer. Bei Erika liegt der Fall etwas komplizierter: Es ist einerseits die weibliche Form von Erich, andererseits gab es ein altgriechisches Wort ereike für das Heidekraut, woraus sich dann über lateinisch erice durch Angleichung an Erika unser Blumennamen entwickelte. Schließlich bedeuten manche weiblichen Namen nichts anderes als Blume: Jasmin geht auf ein persisches Wort für Blume zurück, Zahra auf ein arabisches, und bei Flora, Florence oder Fleur stand wieder das Latein Pate.
Wohlklang allüberall. Dass ein Blumenname Unbehagen auslöst, ist fast ausgeschlossen. Fast. Da gibt es eine Blume mit dem unappetitlichen Namen Stinkende Hoffart. Und weil sie
Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jede Woche greifen wir hier solche Fragen auf.
hierher passt, sei eine alte Geschichte aufgewärmt: Als vor etlichen Jahren ein großer Gartenmarkt in Wangen eröffnet wurde, prangte auf der SZ-Extraseite in großen Lettern folgendes Sonderangebot: Da geht es ab 75 Pfennig. Was da abging, erschloss sich erst nach längerem Nachdenken: Die Anzeige war telefonisch durchgegeben worden, angepriesen werden sollten Tagetes.
Und diese Tagetes oder Studentenblume wird auch Stinkende Hoffart genannt. Dafür verantwortlich ist ihr unangenehmer Geruch.
Tagetes scheidet also aus bei der Mädchentaufe. Aber es gibt ja auch noch Heide, Lilly, Alissa, Linnea, Magnolia, Marguerite, Myrta, Clivia …
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