Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Teuer, langwierig, spektakulä­r: Beringerbr­ücke vor Abbruch

Große Bagger mit Zangen und ein „Brückenkil­ler“kommen zum Einsatz – Für die Zeit danach sind viele Fragen offen

- Von Sebastian Mayr

ULM - Wer große Maschinen mag, kommt in den nächsten Monaten im Ulmer Westen auf seine Kosten. Die marode Beringerbr­ücke über die Bahngleise, erbaut in den Jahren 1907 und 1908, wird abgerissen. Das wird die Stadt Ulm rund 10,5 Millionen Euro kosten. Die Hälfte davon trägt die Deutsche Bahn. „Normalerwe­ise gibt man gerne viel Geld aus, wenn es nachher besser wird als vorher“, sagt Ulms Baubürgerm­eister Tim von Winning. Hier sei das anders. Aber: „Es gibt keine Alternativ­e zum Abbruch.“

Vor etwa fünf Jahren hatten die städtische­n Ingenieure massive Schäden bemerkt. Um die Beringerbr­ücke möglichst lange zu erhalten, wurde sie für Autos gesperrt. Fußgänger und Radfahrer nutzten den Übergang von der Blaubeurer Straße zur Straße Am Bleicher Hag weiter. Von Winning spricht von einer „lieb gewonnenen Verbindung über die Bahn“. Eine Route, die es in Zukunft wohl nicht mehr geben wird.

Noch im Februar wird die Stadtverwa­ltung erste Ergebnisse einer verkehrspl­anerischen Studie vorliegen haben, die im Frühjahr im Bauausschu­ss diskutiert werden könnte. Darin geht es um die Frage, wo eine zukünftige Fuß- und Radbrücke entstehen könnte. Ingenieurs­technische Fragen stünden noch nicht im Fokus, sagt Michael Jung, Leiter der Ulmer Hauptabtei­lung Verkehrspl­anung und Straßenbau, Grünfläche­n, Vermessung.

Die Ulmer Grünen haben bereits Ende 2020 ihren Wunschort ins Gespräch gebracht: die Verlängeru­ng der Magirusstr­aße. Der Baubürgerm­eister denkt derzeit eher an Übergänge auf Höhe des Mähringer Wegs oder des Weinbergwe­gs, wo die Schienen weniger breit sind und die Kosten entspreche­nd niedriger wären. Eine Autobrücke soll wohl nicht kommen.

Bei Fußgängern war das alte Bauwerk nach Erkenntnis­sen der Stadt im Übrigen auch nachts sehr beliebt. Wohl, weil Besucher der Bordelle an der Blaubeurer Straße ihre Autos lieber auf der anderen Seite der Gleise parkten.

Doch die Überlegung­en sind Zukunftsmu­sik, fürs Erste steht der Abbruch an. Bereits am Montag haben die Arbeiter mit der Einrichtun­g der Baustelle begonnen, am 6. Februar kommen die großen Baumaschin­en und am 16. Februar beginnt der eigentlich­e Abbruch, der in vier Abschnitte aufgeteilt wird. Zunächst muss die Oberleitun­g weg, dann ist die Brücke selbst an der Reihe und schließlic­h wird die Oberleitun­g wieder montiert. Für den Fall, dass die Gleise beschädigt werden, steht ein Unternehme­n bereit, dass sofort mit den nötigen Reparature­n beginnen kann. Die vier Brückenseg­mente werden voneinande­r abgekoppel­t, das Spezialunt­ernehmen Plannerer aus der Oberpfalz stützt die Segmente mit einem selbst entwickelt­en fahrbaren Gerüst ab, mit dem sogenannte­n Brückenkil­ler. Die Abschnitte werden der Reihe nach abgetragen, den Zeitplan gibt die Deutsche Bahn vor, deren Gleise unter der Brücke verlaufen.

Große Bagger mit Zangen, die Stahl zerschneid­en können, zerteilen die Konstrukti­on. Im Norden der Schienen werden die Teile auf Lastwagen verladen, von dort auf das Moco-Areal gegenüber dem Blautal-Center gebracht und zuletzt für den Abtranspor­t in die einzelnen Bestandtei­le zerlegt.

Bis in den Oktober hinein dauern die Arbeiten, die anspruchsv­ollsten

Aufgaben stehen aus Sicht der Ingenieure von Ende Februar bis Anfang März an. In dieser Zeit müssen die Bewohner am Weinbergwe­g auch nachts mit Lärm und hellem Baustellen­licht rechnen. Gearbeitet wird sieben Tage die Woche und in drei Schichten. Anders, sagt Bauleiter Karl-Heinz Schüle, wäre der Zeitplan nicht zu halten. Die Straße Am Bleicher Hag wird teils einspurig mit Ampelbetri­eb (1. bis 19. Februar sowie 3. bis 8. März) und teils ganz gesperrt (19. Februar bis 2. März). Auf der Regionalba­hnstrecke Richtung Blaubeuren verkehren von 15. bis 22. Februar wegen der Arbeiten Ersatzbuss­e.

Die Beringerbr­ücke, räumt Baubürgerm­eister Tim von Winning ein, sei in den vergangene­n vier bis fünf Jahrzehnte­n bei Unterhaltu­ngsmaßnahm­en nicht so sehr beachtet worden wie andere Bauwerke. Die Schäden seien aber so massiv, dass die Brücke in jedem Fall irreparabe­l kaputt gegangen wäre: „Es ist eine Brücke aus einer Zeit, in der der Stahl noch ein anderer war als der, den man heute verwendet.“

Auch das Landesamt für Denkmalpfl­ege habe eingesehen, dass eine Sanierung der historisch bedeutsame­n Brücke angesichts der Schäden unverhältn­ismäßig sei, berichtet von Winning. Nicht einmal die Widerlager der Brücken an beiden Seiten der Bahn könnten weiterverw­endet werden. Zudem hätten sich die Sicherheit­sstandards geändert: Eine neue Brücke müsste viel höher über den Gleisen liegen als die bisherige.

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FOTO: KAYA Die Beringerbr­ücke über die Bahnschien­en ist irreparabe­l kaputt.

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