Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schneller impfen, häufiger testen und hoffentlich bald wieder reisen
Die EU-Staats- und Regierungschefs halten Videogipfel zu Corona-Lage – Maßnahmen zur neuen Virusvariante – Druck auf Pharmafirmen soll erhöht werden
BRÜSSEL - Zum ersten Mal im neuen Jahr haben sich die EU-Spitzen mit der Corona-Lage befasst. Wer klare Entscheidungen erwartet hatte, wurde aber enttäuscht. Eine schriftliche Schlusserklärung gab es nicht. Stattdessen ließ Ratspräsident Charles Michel eine Mitschrift seiner mündlichen Zusammenfassung der Ergebnisse der vierstündigen Videokonferenz per E-Mail an die Presse verschicken. Viel vorzuweisen hat er nicht.
Lage und Maßnahmen: Die Lage ist ernst, darin immerhin sind sich alle Regierungschefs einig. Wünschenswert wäre, wenn die Mitgliedsstaaten „ähnliche“Maßnahmen ergreifen würden, um das Virus einzudämmen und die mutierten Varianten zu finden. Zurückhaltender kann man Einigkeit kaum einfordern. Zentral sei, die Rückverfolgungskapazitäten zu erhöhen. Nicht nur Deutschland scheitert angesichts der hohen Ansteckungsraten daran, den Ursprung neuer Infektionsherde zu finden.
Grenzen und Reisen: Die Grenzen „müssen“offen bleiben. Das betonen sowohl der Ratspräsident als auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Keinesfalls will man sich in derselben Situation finden wie zu Beginn der Krise, als der Güterverkehr und die Bewegungsfreiheit von medizinischem Personal so stark behindert wurde, dass es zu Versorgungsengpässen kam. Die Verantwortlichen denken aber darüber nach, wie sie „nicht notwendige“Reisen beschränken können. Ursula von der Leyen regte an, dass Reisende aus dunkelroten Zonen mit besonders hohen Ansteckungsraten zu einem Test und zur Quarantäne verpflichtet werden könnten.
Impfung und Lieferung: Die Impfungen sollen beschleunigt werden. Diesen Wunsch teilen die Regierungschefs mit einem großen Prozentsatz ihrer Wähler. Wie aber soll er Wirklichkeit werden, ohne politischen Druck auf die Europäische Zulassungsbehörde EMA auszuüben und damit deren Glaubwürdigkeit zu untergraben? Zunächst werden die Pharmafirmen aufgefordert, ihre Zusagen einzuhalten. Bei der Verteilung soll es gerecht zugehen, jedes Mitgliedsland erhält seinen Anteil entsprechend der Bevölkerungsgröße. „Solidarität mit Drittländern“wird betont. Bislang geht der Löwenanteil der produzierten Menge allerdings in die reichen Industrienationen. Die Regierungschefs sagen nicht, wie sie das ändern wollen.
Impfpass und Freiheiten: Der Impfpass der in Deutschland kontrovers diskutiert wird, bewegt auf europäischer Ebene ebenfalls die Gemüter. Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis hatte vergangene Woche angeregt, Personen mit Impfnachweis Reisefreiheit zu gewähren. Malta und Portugal unterstützen den Vorstoß. Dahinter steckt die Sorge, dass andernfalls eine weitere touristische Saison für diese Länder, die auf Ferienreisende angewiesen sind, ausfallen könnte. Frankreich, wo die Impfungen besonders schleppend anlaufen, ist gegen die Idee. Auch die Weltgesundheitsorganisation hält nichts davon, solange der Nachweis fehlt, dass geimpfte Personen die Krankheit nicht weitertragen können. Von der Leyen glaubt, dass ein Impfpass zu einem späteren Zeitpunkt nützlich sein könnte, wenn allen Europäern ein Impfangebot gemacht werden kann.
Alleingänge und Einreise: Die Alleingänge halten unterdessen an. Während Deutschland und Frankreich von Reisenden aus Großbritannien ein negatives Testergebnis und eine Quarantäne verlangen, haben Portugal und die Niederlande weiterhin sämtliche Flüge aus dem von der aggressiveren Corona-Mutation befallenen Land gestrichen. Frankreich wird ab Sonntag von allen aus anderen EU-Ländern kommenden Personen, die keinen zwingenden Grund für ihre Reise vorweisen können, einen 72 Stunden vor Abreise durchgeführten PCR-Test verlangen.