Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Online-Luxusmode für die Reichen dieser Welt
Wie ein Modehändler aus München zum milliardenschweren Börsen-Geheimtipp wurde
FRANKFURT - Auch beim Luxus gibt es Ausverkäufe. So springt den shoppingwilligen Nutzern auf der Webseite ein großes rotes „Sale“an. Mit bis zu 70 Prozent Nachlass schmeißt der Onlinehändler aus Aschheim in der Nähe von München seinen Kunden Auslaufware förmlich hinterher. Der weiße Strohhut mit schwarzem Band, der auf den Namen „Erdem“hört, kostet zum Schnäppchenpreis nur 199 anstatt 665 Euro. Sind Sie schon auf den Geschmack gekommen? Der Geheimtipp heißt My Theresa. Und wenn es nach dem Willen des Managements des Konzerns geht, sind die Aktien seit Donnerstag auch ein Geheimtipp an der Börse. Und zwar an der New Yorker Wall Street.
Dort nämlich hat das – für die meisten bislang wohl eher unbekannte Unternehmen – den Sprung an die Börse erfolgreich absolviert. Der Konzern mit seinen 850 Beschäftigten bringt es am Tag seines Parkettlaufs auf einen Börsenwert von satten 2,2 Milliarden Euro. Damit beginnt ein neues Kapitel für den Luxusmodehändler, dessen Geschichte in der beschaulichen Innenstadt Münchens begann: 1987 eröffneten dort die Modehändler Susanne und Christoph Botschen einen Laden für Damenmode namens Theresa. 2006 starteten die beiden einen Onlineshop unter mytheresa.de. 15 Jahre später ist unter der Adresse ein milliardenschwerer Konzern entstanden, der in aller Herren Länder Luxuswaren versendet. Inzwischen können dort auch Herren online shoppen und für Sohn und Tochter die Haute Couture gleich mitbestellen.
Der Konzern gehört zu den wenigen Beispielen erfolgreicher expandierender Internethändler in Deutschland. Während Zalando sein Wachstum per medialem Glücksschrei laut machte, expandierte My
Theresa in seiner Nische stiller. Die Zahlen sind dafür aber auch beeindruckend: Um rund 30 Prozent sind die Umsätze im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres im Vergleich zu 2019 gewachsen – auf rund 285 Millionen Euro. Dabei spielt natürlich auch die Pandemie eine Rolle. Denn auch Luxus-Shoppingtouren oder gar Shoppingreisen fallen aus, online dagegen gewinnt. „Luxus war bisher deutlich weniger digital als andere Branchen“, sagte My-Theresa-Chef Michael Kliger. „Heute liegt der Anteil von Luxusmode, die online gekauft wird, bei ungefähr zwölf Prozent. Das dürfte auf 30 Prozent steigen.“
Das wiederum ist der Stoff, aus dem die Börsenträume sind – sie sind gewoben und ausgeschmückt mit Wachstumsphantasien. So bringt der Börsengang dem Unternehmen bis zu 467 Millionen Dollar ein. My Theresa selbst fließen davon bis zu 370 Millionen zu, der Rest geht an die Altaktionäre. Mit 200 Millionen Euro will das Management Schulden tilgen, die bei der Pleite der ehemaligen Konzernmutter Neimann Marcus angefallen waren. Die Nobel-Kaufhauskette wiederum hatte My Theresa 2014 übernommen und musste in den USA im vergangenen Mai Insolvenz anmelden. Mittlerweile zählt das Unternehmen rund 570 000 aktive Kunden, die bei einer Bestellung im Durchschnitt rund 600 Euro bezahlen. Nachlesen lassen sich solche Dinge im Werbeprospekt für Investoren im Zuge eines Börsenganges, quasi der Beipackzettel für neue Papiere.
Dort steht auch, dass das Unternehmen um sensible Daten seiner
Klientel besorgt ist. „Wenn sensible Daten unserer Kunden an die Öffentlichkeit gelangen, könnten die unsere Webseite meiden und unsere Reputation würde leiden“, heißt es dort. Was die Preisgabe ihrer Daten angeht, dürften My-Theresa-Kunden in der Tat wohl eher zu den scheuen Rehen unter Zweibeinern gehören. Die Geschäftsfrau in München, London, New York, Saudi-Arabien und Russland oder auch etwaige Sprosse von Königsfamilien dürften kaum amüsiert sein, wenn ihre Daten in falsche Hände gelangten. Glücklicherweise ist über solche Vorfälle bislang aber auch noch nichts bekannt. Und ein Börsenprospekt ist immer eine etwas gruselige Lektüre. Denn dort stehen alle möglichen Risiken drin – so auch die von Betrügereien und Cyberangriffen.
Selbstredend gehört am Aktienmarkt auch immer der mögliche Totalverlust zu den Risiken. Apropos: Obwohl es den Laden in der Maffeistraße in der Münchener Innenstadt noch gibt, sitzen dort natürlich nicht die inzwischen 850 Mitarbeiter des Konzerns.
Sie arbeiten in einem wenig noblen Industriegebiet in Aschheim bei München im Einsteinring 9. Eben dort, nur ein paar Häuser weiter, Hausnummer 35, sezieren gerade die Insolvenzverwalter den Schutthaufen, der vom Zahlungsdienstleister Wirecard geblieben ist. Die gute Nachricht aber lautet: Die Waren von My Theresa mögen für viele Menschen unerschwinglich sein. Im Unterschied zu Wirecard aber ist das Geschäftsmodell nicht annähernd so undurchdringlich.
Deutschland nicht mehr bei Leistungsbilanz vorn
MÜNCHEN (dpa) - Deutschland hat im Corona-Jahr seinen Spitzenplatz beim Leistungsbilanzüberschuss verloren. China löste die Bundesrepublik ab, wie das Münchner Ifo-Institut am Freitag mitteilte. Der deutsche Überschuss sank 2020 demnach um rund 13 Milliarden auf 261 Milliarden US-Dollar (228 Milliarden Euro) beziehungsweise von 7,1 auf 6,9 Prozent der Wirtschaftsleistung. „Der chinesische Überschuss dagegen schnellte hoch um 170 Milliarden auf 310 Milliarden US-Dollar“, sagte Ifo-Forscher Christian Grimme. Das sind 2,1 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung. Den drittgrößten Überschuss hat Japan mit 158 Milliarden US-Dollar und 3,2 Prozent seiner Jahreswirtschaftsleistung.
VW trotz Corona mit zehn Milliarden Betriebsgewinn
WOLFSBURG (dpa) - Der VW-Konzern rechnet für das abgelaufene Jahr trotz erheblicher Absatzverluste durch die Corona-Folgen mit einem Gewinn von rund 10 Milliarden Euro im laufenden Geschäft. Wie die Wolfsburger am Freitag mitteilten, könne dieser Wert für das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen – darunter vor allem weitere Rechtskosten zur Bewältigung der Dieselkrise – auf Basis vorläufiger Zahlen angenommen werden. Angaben zum Nettogewinn machte Volkswagen noch nicht. Auch hier kalkulierte der Autohersteller zuletzt aber damit, 2020 noch in den schwarzen Zahlen abschließen zu können. Die Verkäufe hatten sich im vierten Quartal bereits wieder stabilisiert.