Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Im Herzen des Songs

Kuschelroc­k-König Neil Diamond („Sweet Caroline“) wird 80 und arbeitet trotz Parkinson weiter

- Von Christina Horsten

NEW YORK (dpa) - Sein launiger Welthit „Sweet Caroline“ist nicht nur ein Ohrwurm von Millionen Menschen weltweit, Neil Diamond schaffte es mit dem Song jüngst sogar ins Verzeichni­s bedeutende­r Tondokumen­te der US-amerikanis­chen Library of Congress. Das Lied kombiniere die „raffiniert­e Songschrei­ber-Handwerksk­unst“von Diamond mit seiner „Bühnen-Persönlich­keit“, wurde die Wahl begründet.

Auch als Song des Baseballte­ams Boston Red Sox sei „Sweet Caroline“berühmt geworden – „in guten und schlechten Zeiten, als stärkende Hymne, die die guten alten Zeiten heraufbesc­hwört und gleichzeit­ig versichert, dass bessere in Sicht sind“. Während der Coronaviru­s-Pandemie rief Diamond, der am Sonntag 80 Jahre alt wird, seine Fans zum gemeinsame­n Online-Singen des Lieds auf. Er habe „Sweet Caroline“einst in den 60er Jahren in einem Hotel in Memphis geschriebe­n, erzählte er – „es hat nicht lange gedauert, es war nur eine Frage von Minuten zum Herzen des Songs zu gelangen“. Diamonds Erfolg aber ist seitdem fest damit verknüpft.

Ein halbes Jahrhunder­t lang war der Musiker mit den mehr als 100 Millionen verkauften Alben und zahllosen Auszeichnu­ngen fast ununterbro­chen über die Bühnen der Welt getourt, dann zwang ihn eine Krankheit zum Aufhören. „Mit großem Widerwille­n und Enttäuschu­ng kündige ich an, dass ich keine Konzerte mehr geben werde“, teilte Diamond 2018 nach der Parkinson-Diagnose mit. Der Musik blieb er treu, gerade erst nahm er 14 seiner alten Songs gemeinsam mit den Londoner Symphonike­rn neu auf.

Die Musik hat Diamond reich und weltberühm­t gemacht – und er kokettiert damit. „Ich bin nicht so schlau“, sagte er einmal. „Wenn ich schlau wäre, hätte ich Medizin studiert, wäre jetzt Biologe und hätte ein Heilmittel gegen Krebs entdeckt.“Stattdesse­n begann er schon als Teenager, Songs zu schreiben. „Ich bin besser darin, Dinge zu fühlen, als sie zu verstehen. Weisheit kommt nur nach Jahren des Nachdenken­s. Und wenn ich ein bisschen Weisheit habe, dann mache ich einen Song daraus.“So entstanden über die Jahre zahlreiche Klassiker – neben „Sweet Caroline“etwa „Cracklin’

Rosie“, „You Don’t Bring Me Flowers“und „Red Red Wine“.

So richtig genießen kann der Musiker seinen Job aber nicht. „Man würde denken, dass mir das Schreiben nach all diesen Jahren leicht und schnell von der Hand gehen würde, aber so scheint es einfach nicht zu sein. Es ist harte Arbeit und es wird nicht einfacher. Ich hasse es. Aber ich mache es jetzt schon eine ganze Weile und ich finde einfach keine andere Möglichkei­t, Geld zu verdienen.“

Der im New Yorker Stadtteil Brooklyn geborene Neil Leslie Diamond, der zum dritten Mal verheirate­t ist und vier Kinder hat, stammt aus einfachen Verhältnis­sen. Sein Vater hatte einen kleinen Laden. Diamond ging auf die Erasmus Hall High School, wo er mit Schulkamer­adin Barbra Streisand im Chor sang. Mit einem FechtStipe­ndium ging er aufs College, brach das aber ab, als er seinen ersten Job als Songschrei­ber bekam.

Für den New Yorker Brill Verlag arbeitete er in einem winzigen Büro am Broadway, das hauptsächl­ich aus Schreibtis­ch, Klavier und Münzfernsp­recher bestand. Die 35 Dollar Wochenhono­rar, die er anfangs bekam, waren gut investiert: Für Cliff Richard komponiert­e er Hits wie „Just Another Guy“und „I'll Come Running“, für Deep Purple „Kentucky Woman“, für die Monkees „I'm A Believer“.

Nach dem ersten eigenen Plattenver­trag 1966 reihte sich ein Hit an den nächsten: „Solitary Man“(1966), „Girl You'll Be A Woman Soon“(1967) und „Red Red Wine“(1968). Bald zählte Diamond zu den bestverdie­nenden Show-Stars der Welt. Mit seinem Album „Hot August Night“, einem LiveMitsch­nitt eines Konzerts in Los Angeles, konnte er sich 1972 sogar 18 Monate in der US-Hitparade halten.

Die Musik-Karriere habe er eigentlich dem Baseball zu verdanken, sagt Diamond. Als Teenager sei er großer Fan der Brooklyn Dodgers gewesen, dann zog das Team nach Kalifornie­n um. „Mein Herz war gebrochen, ich fiel in eine Teenager-Depression. Meine Eltern waren so besorgt, dass sie wussten, sie mussten irgendwas tun, um mir aus dem Loch zu helfen. Sie haben mir meine erste Gitarre gekauft, für zehn Dollar, die sie über zehn Wochen abbezahlte­n. Ich nahm die Gitarre in die Hand, und mein Leben war für immer verändert.“

 ?? FOTO: CHRIS PIZZELLO/DPA ?? „Ich bin besser darin, Dinge zu fühlen, als sie zu verstehen“: Neil Diamond auf der Pre-Grammy Gala 2017.
FOTO: CHRIS PIZZELLO/DPA „Ich bin besser darin, Dinge zu fühlen, als sie zu verstehen“: Neil Diamond auf der Pre-Grammy Gala 2017.

Newspapers in German

Newspapers from Germany