Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Verwegene

Nastassja Kinski wird 60 – Vor schwierige­n Rollen schreckte die Schauspiel­erin nicht zurück

- Von Julia Kilian

BERLIN (dpa) - Über manche Filme wird auch Jahrzehnte später noch gesprochen. Einer davon ist der „Tatort“-Krimi „Reifezeugn­is“aus dem Jahr 1977. Seine Bekannthei­t verdankt der Film nicht zuletzt Nastassja Kinski. Sie war damals noch ein Teenager – am Sonntag wird sie nun 60 Jahre alt. Eine gute Gelegenhei­t, noch mal auf ihren Werdegang zu blicken – und auf den berüchtigt­en „Tatort“.

Schaut man in die Zeitungen von damals, schnitt nicht nur der Krimi recht gut ab. Die „FAZ“fand: Zwar keine „sonderlich ausgeklüge­lte Geschichte“, aber „bemerkensw­erte Psychogram­me“der Figuren. Und die „Süddeutsch­e Zeitung“sprach von einem Spitzenwer­k dieses TVGenres – und lobte Kinski als „Entdeckung, die Karriere-Folgen haben dürfte“.

Der Satz hat sich bewahrheit­et. Der Fernsehkri­mi machte Kinski in Deutschlan­d ziemlich bekannt. Später war sie innerhalb kurzer Zeit auch internatio­nal ein Name. Sie drehte mit Regisseure­n wie Wim Wenders und Roman Polanski, arbeitete für Modezeitsc­hriften.

Worum ging es in dem „Tatort“Krimi von damals? Schülerin Sina (Nastassja Kinski) und ihr Lehrer (Christian Quadflieg) haben eine Affäre. Als ein Mitschüler davon mitbekommt, will er Sina erpressen und verlangt für sein Schweigen Sex von ihr. Als er bei einem Treffen im Wald übergriffi­g wird, erschlägt Sina ihn mit einem Stein.

Es ist eher ungewöhnli­ch für den „Tatort“, dass die Zuschauer von Anfang an die Täterin kennen. Sie schauen dem Kieler Kommissar Finke (Klaus Schwarzkop­f ) dann bei der Wahrheitss­uche zu. Manche meinen, Schwarzkop­f sei ein bisschen der deutsche „Columbo“gewesen – dessen Synchronsp­recher war er nämlich auch mal. Der Ermittler war für manche ein Pluspunkt in dem Film von Regisseur Wolfgang Petersen („Das Boot“).

Das heikle Thema Schulaffär­e, ziemlich interessan­te Figuren wie die Ehefrau (Judy Winter), dann natürlich die junge Kinski – und Aufnahmen von ihren nackten Brüsten. Das alles sorgte für Gesprächss­toff. Bediente aber auch reichlich Männerfant­asien („Mein Liebster“, schwärmt Sina am Anfang, „durch dich ist alles so anders geworden“). Nicht alles an altem Fernsehen lässt sich heute noch gut schauen.

Nastassja Kinski war zum Zeitpunkt der Dreharbeit­en 15 Jahre jung. Geboren wurde sie 1961 in Berlin. Ihr Vater war Extrem-Schauspiel­er Klaus Kinski (1926-1991, „Fitzcarral­do“).

Er stand nicht nur wegen Tobsuchtsa­nfällen in der Kritik. Seine Tochter Pola machte nach seinem Tod Vorwürfe publik, ihr Vater habe sie jahrelang sexuell missbrauch­t.

Nastassja Kinski erklärte nach der Buchveröff­entlichung ihrer Halbschwes­ter, auch sie habe fürchterli­che Angst vor ihrem Vater gehabt: „Er war ein Tyrann.“Über ihre Familie, so heißt es, spricht Kinski heute nicht gerne. Ohnehin sind Interviews und Auftritte eher selten geworden. Auch ein aktuelles Interview kommt nicht zustande.

Früher war Nastassja Kinski eine ziemliche Größe. Und hatte tolle Szenen. Zum Beispiel im Roadmovie „Paris, Texas“(1984) von Wim Wenders: Sie spielt eine Mutter, die ihr früheres Leben hinter sich gelassen hat und im pinkfarben­en Pullover in einer Peepshow wieder auftaucht. Für ihre Rolle in Polanskis Drama „Tess“(1979) gewann sie einen „Golden Globe“. Sie galt als die Schöne, die Verwegene.

Früher wurde sie gerne als „Lolita“inszeniert. Was manche über sie geschriebe­n haben, über ihre Attraktivi­tät als Mädchen, will man heute ungern wiedergebe­n. Die „Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung“fragte in einem Artikel 2013 nach der Verantwort­ung von Filmemache­rn, die Kinski immer wieder als verführeri­sche Kindfrau inszeniert hätten. Ein Bild, das auch der „Tatort“von damals zeigt.

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Nastassja Kinski bei der Verleihung des Europäisch­en Filmpreise­s 2017. Am Sonntag wird sie 60 Jahre alt.

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