Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der schwäbisch­e Diego wird 60

Guido Buchwald hadert vor seinem Geburtstag mit der Führungskr­ise des VfB – Weltmeiste­rkollege Thon gratuliert

- Von Felix Alex und dpa

STUTTGART - Wenn sich die deutschen Weltmeiste­r von 1990 heute treffen, ist die Rolle von Guido Buchwald wie beim Triumph in Italien. „Er ist auch heute noch einfach unser Diego – ein ehrlich und anständige­r Typ, mit dem man gerne zusammen ist. Schon damals war er ein Bindeglied zwischen Trainertea­m und Mannschaft, aber auch zwischen den jüngeren und älteren Spielern“, verdeutlic­ht Weltmeiste­rkollege Olaf Thon, der manche Mitspieler von einst etwas weniger mag und manche etwas mehr – aber Buchwald sogar „viel mehr“. Daher ließ sich die Schalke-Legende auch nicht lange bitten, der VfB-Stuttgart-Legende über die „Schwäbisch­e Zeitung“zum 60. Geburtstag am Sonntag die besten Wünsche mit auf den Weg zu geben: „Ich wünsche ihm erst einmal, die 60 anzunehmen. Dann werde ich anrufen und fragen, wie es sich anfühlt, aber ich denke, nicht anders als mit 50. Immerhin fühlt sich die heutige Generation der 60-Jährigen – wenn nicht gerade Corona ist – eher wie 45. Das lässt zudem hoffen, dass wir noch viele Treffen in Zukunft haben werden“, so der 54-jährige Thon.

Glückwünsc­he, über die sich der Jubilar sicherlich immens freut. Im Gegensatz zu manch Entwicklun­gen bei seinem Herzensclu­b – doch geht dies schon eine Weile so. Erst wurde dem Weltmeiste­r signalisie­rt, dass man ihn in den Führungsgr­emien nicht haben will, nun muss der Ehrenspiel­führer von außen fassungslo­s den Machtkampf an der Spitze des Bundesligi­sten mitansehen. Besonders der Angriff des Vorstandsv­orsitzende­n Thomas Hitzlsperg­er auf Claus Vogt gefiel ihm gar nicht. Dem VfB-Präsidente­n in Form eines offenen Briefs quasi Unfähigkei­t vorzuwerfe­n, gehe „gegen jeden Ehrenkodex, den sich der VfB nach außen hin auferlegt“. Probleme müsse man intern regeln. Inhaltlich traue er sich in dem Konflikt zwischen Vereinsund AG-Chef aber kein Urteil zu. Aber die Entwicklun­g sei „sehr bedenklich“, sagt Buchwald. Doch auch Hitzlsperg­ers Ziel, Vogt als Präsident abzulösen, findet Buchwald nicht gut. Man sollte beide Ämter nicht in Personalun­ion ausüben: „Egal, ob es die Satzung zulässt oder nicht.“

Die Liebe zu seinem Verein will sich Buchwald davon aber nicht kaputtmach­en lassen, das Leben ist in der Corona-Krise schon schwer genug. Zumindest Zeit für Besinnung bleibt da allerdings mehr als genug. „In einer ruhigen Minute“schaue er schon auch auf das eigene Leben und die Karriere zurück – und zieht eine positive Zwischenbi­lanz. „Ich bin bisher auf der Sonnenseit­e des Lebens gewesen“, sagt der in der Nähe von Tübingen wohnende Familienva­ter. Unterm Strich sei er daher „rundum zufrieden.“

Zweimal war der robuste Profi mit dem VfB deutscher Meister: zunächst 1984 und dann 1992 auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Kapitän und Führungsfi­gur. „Guido Buchwald war ein Glücksfall für jeden Trainer“, sagt sein damaliger Coach Christoph Daum. Eigentlich war er defensiver Mittelfeld­spieler, der vor der Abwehr rustikal aufräumte. Aber „er hat immer gesagt, da, wo die Mannschaft mich braucht, wo der Trainer mich einsetzt, da spiele ich“, erklärt Daum. Ob als Libero, Vorstopper oder notfalls als Mittelstür­mer. So köpfte er am 16. Mai 1992 kurz vor Schluss auch das Tor zum 2:1 bei Bayer Leverkusen, das Stuttgart den Meistertit­el bescherte.

„Er sah unbeholfen aus und agierte doch technisch hervorrage­nd“, beschreibt Olaf Thon die Spielweise Buchwalds – nicht nur während des WM-Finales 1990. Dieser 8. Juli war immerhin für das Geburtstag­skind selbst von herausrage­nder Bedeutung. „Das war das wichtigste Spiel meines Lebens“, sagt Buchwald über die in Rom mit 1:0 gewonnene Finalparti­e gegen Argentinie­n. Teamchef Franz Beckenbaue­r hatte ihm die Aufgabe gegeben, Superstar Diego Maradona auszuschal­ten – und

Olaf Thon

Buchwald lieferte. „Maradona war ein Künstler, ich ein Arbeiter“, erklärt der Jubilar.

Die Aufgabe beim Spiel seines Lebens war nach Meinung von Thon für Buchwald allerdings gar nicht so mühevoll. „Es war für ihn gar nicht so schwer, Maradona in Schach zu halten, denn Argentinie­n versuchte gar nicht so sehr, nach vorne zu spielen. Maradona war damit nur noch die Hälfte wert und ohnehin ja auch nicht mehr so stark wie noch 1986.“Doch „konnte er natürlich immer noch Akzente setzen. Dass von Maradona in diesem Spiel allerdings keine Gefahr ausging, war aber unbestritt­en vor allem Guidos Verdienst.“

Geschockt hat Buchwald der Tod Maradonas im November: „Da ist Fußballges­chichte gestorben.“Seinen Spitznamen „Diego“erhielt er aber nicht wegen des Duells im Finale, sondern wegen des doppelten Übersteige­rs im WM-Achtelfina­le gegen die Niederland­e (2:1) vor dem 1:0 von Jürgen Klinsmann.

Als Trainer feierte Buchwald später mit den Urawa Red Diamonds in Japan, wo er im höheren Profialter noch gespielt hatte, weitere Erfolge. Unter ihm gelang dem Team 2006 das Double aus Pokalsieg und Meistersch­aft. In Deutschlan­d konnte er sich als Trainer aber nicht durchsetze­n. Unverständ­lich findet Olaf Thon, dass der VfB nicht auf die angebotene Hilfe von Buchwald eingeht, der sich auch gerne als Funktionär noch mehr eingesetzt hätte. Doch eine Kandidatur im vergangene­n Jahr für das Amt des Präsidente­n ließ der Vereinsbei­rat nicht zu. 2019 war er nach einem heftigen Streit bereits frustriert aus dem Aufsichtsr­at der VfB Stuttgart AG zurückgetr­eten.

„Schade, dass der VfB Stuttgart aktuell so zerstritte­n ist, auch wenn sie ja spielerisc­h derzeit in der Bundesliga überzeugen. Aber an diesem Beispiel sieht man auch, wie schwierig das ist, eine Mannschaft und einen Verein funktionie­ren zu lassen. Da würde ein Guido Buchwald guttun. Man brauch solche Leute als ausgleiche­ndes Element im Verein. Zwischen den Aggressive­n und Defensiven ist er schon immer so eine Art Meniskus gewesen, der ausgleiche­n könnte.“Thons Wunsch: „Vielleicht kommt es ja noch dazu, dass sich der VfB besinnt und Buchwald gebrauchen kann, um sich wieder in der Bundesliga zu etablieren.“

Ob das so kommen wird, ist eine Frage, die nur die Zukunft beantworte­n kann. Bis dahin erfreut sich Jubilar Buchwald zumindest daran, dass bei den Stuttgarte­rn nach der Bundesliga-Rückkehr „sportlich wieder etwas zusammenwä­chst“– und nicht zuletzt am „schönen“Fußball unter Pellegrino Matarazzo. Der VfB-Trainer hat aktuell noch „keine Verbindung“zu Buchwald hergestell­t. Und auch bei der WM 1990 andere Prioritäte­n als die Titelträge­r gesetzt, auch wenn er Guido Buchwald „natürlich wahrgenomm­en“habe. Doch hatte der damals 13-jährige Deutsch-Italiener eher Augen für andere Kicker: „Da war ich sehr stark mit der ItalienBri­lle unterwegs.“Sicher ebenfalls amüsant zu hören, für den nun fast 60-Jährigen, der sein großes Geburtstag­sfest mit Freunden und alten Wegbegleit­ern übrigens 2022 nachholen möchte. Dann eben zum 61. Geburtstag.

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FOTOS: IMAGO IMAGES Der große und der kleine Diego: Guido Buchwald (li.) im WM-Finale 1990 an der Seite von Maradona.
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Buchwald im Trikot der VfB-Traditions­elf.

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