Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Work-Life-Balance für Berufsanfä­nger

Wie man die Balance zwischen vollem Einsatz im Job und genug Freizeitau­sgleich schafft

- Von Bernadette Winter

Viele Berufsanfä­nger kennen das Phänomen: Der Arbeitstag war lang, neue Eindrücke wollen verarbeite­t werden. Nach Feierabend ist man zu nichts mehr in der Lage, außer erschöpft ins Bett zu fallen. Sport? Treffen mit Freunden? Fehlanzeig­e.

„Ein neuer Job ist sehr anstrengen­d“, bestätigt Coach Carolin Klaus aus Augsburg. „Es gibt jede Menge Neues zu lernen, was sehr spannend sein kann und zu einem Energiesch­ub führt, aber auch die Freizeit verändert sich.“

Man sei nicht mehr so flexibel wie etwa während des Studiums oder der Ausbildung. Es sei deshalb „okay, abends nur noch ins Bett zu fallen“. Gleichzeit­ig empfiehlt sie, zu lernen, auf den Körper zu hören. Wann bin ich gestresst? „Wenn ich das nicht merke, kann ich keine Pausen einplanen.“

Bei einem Umbruch im Leben sollte man dieser Umstellung in der ersten Zeit ruhig etwas mehr Aufmerksam­keit, Energie und Raum lassen, rät Carolin Pfau, die als systemisch­er Coach arbeitet. Nach den ersten Monaten sei es dann jedoch wichtig, sich davon etwas zu lösen, sodass man wieder in sein Gleichgewi­cht finde.

Ein gewisser Zeitrahmen grenze den eigenen Drang nach Perfektion ein, führt Psychologi­n und Coach Cordula Nussbaum aus. Dabei ginge es nicht darum, keine Überstunde­n zu machen. Wenn es nötig werde, sei man zur Stelle.

„Man kann superengag­iert sein, muss das aber nicht an der Arbeitszei­t festmachen“, erklärt Nussbaum.

Oft läuteten bei Vorgesetzt­en bereits die Alarmglock­en, wenn ein junger Mensch zu Beginn seiner Karriere häufig Überstunde­n schiebe. Das sei heute nicht mehr unbedingt ein Pluspunkt, weiß Nussbaum. Zeit- und Selbstmana­gement seien die wichtigste­n Softskills, die in die Mitarbeite­rbewertung einfließen.

„Gerade am Anfang muss man sich den Stress durch zusätzlich­e Verabredun­gen nicht machen“, sagt Nussbaum. Aber nach einigen Wochen sei das durchaus wieder möglich.

„Wenn man die Dinge sausen lässt, die einem Energie geben, wird man frustriert und hat noch weniger Energie“, erläutert Pfau. Nach der Arbeit erst einmal nach Hause zu gehen, um sich auszuruhen, könne bei manch einem dazu führen, es nicht mehr aus dem Haus zu schaffen.

Hier kann es helfen, die Arbeitszei­t an die Hobbys oder Verabredun­gen anzupassen. Wenn man direkt im Anschluss an die Arbeit dort hingehen kann, holt einen das Tief zu Hause gar nicht erst ein. Außerdem ist es den Expertinne­n zufolge hilfreich,

Carolin Pfau, systemisch­er Coach sich mit Freunden zu verabreden. „Hat man Spaß daran, wird man es machen“, ist sich Klaus sicher. Sie rät aber davon ab, sich für die Freizeit zu große Dinge vorzunehme­n. „Das frustriert, wenn man es nicht schafft.“

Für Freunde und Freizeit könnten am Anfang fest eingeplant­e Zeiten in der Woche oder am Wochenende helfen, sagt Pfau. „Manche engt das wiederum zu sehr ein und sie mögen es lieber spontan.“

„Berufsanfä­nger sollten für sich einen guten Weg finden und sich kennenlern­en: Was stresst mich, was tut mir gut?“, erklärt Klaus. Die einen würden eher durch Aktivitäte­n entspannen, für andere sei das purer Stress.

Doch was tun, wenn trotz aller Planung sich die Überstunde­n dauerhaft häufen? „Man muss nicht alles alleine lösen. Suchen Sie sich einen Mentor oder eine Kollegin, mit dem oder der Sie sich austausche­n“, rät Klaus. Nussbaum zufolge ist es wichtig, die „Miteinande­r-Kultur“im Unternehme­n

kennenzule­rnen. Sind alle so hilfsberei­t? Machen alle Kollegen Überstunde­n? „Dann wird es schwierig sein, sich da rauszuzieh­en“, betont die Beraterin.

Trotzdem sei es möglich, die Arbeitsabl­äufe auf den Prüfstand zu stellen. Nicht gerade in den ersten paar Tagen, aber nach einer gewissen Zeit. „Nur weil man es schon immer so gemacht hat, muss es ja nicht so bleiben.“

Coach Carolin Klaus empfiehlt folgendes Vorgehen: „Schildern Sie, ohne Vorwurf, was das für Sie selbst bedeutet hat, ständig länger zu arbeiten.“

Für ein solches Gespräch könne es sinnvoll sein, die Sicht des Gegenübers einzunehme­n, meinen die Expertinne­n.

Schließlic­h wollen die Vorgesetzt­en ebenfalls, dass die Arbeit gut erledigt wird, die Mitarbeite­r aber gesund bleiben. Pfau ist überzeugt: „Je besser die Work-Life-Balance gelebt werden kann, desto geringer ist die Fluktuatio­n.“(dpa)

„Je besser die Work-Life-Balance gelebt werden kann, desto geringer ist die Fluktuatio­n.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Als Berufseins­teiger bestimmt oft erst einmal der Job das ganze Leben. Zeit mit Freunden sollte man aber nicht vernachläs­sigen.

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