Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Pieks, der Hoffnung macht

Im Seniorenze­ntrum Laupheim hat ein mobiles Team 190 Bewohner, Tagespfleg­egäste, Mieter und Beschäftig­te gegen Corona geimpft

- Von Roland Ray

LAUPHEIM - Nur wenige Sekunden dauert die Prozedur, doch der kleine Pieks in den Oberarm hat für Elfriede Bouslair große Bedeutung: „Auf diese Weise erhalte ich einen Schutz und kann andere Menschen schützen“, sagt die 79-jährige Rentnerin, die im Seniorenze­ntrum Laupheim lebt. Am Montag hat ein mobiles Impfteam dort 190 Bewohner, Tagespfleg­egäste, Mieter und Beschäftig­te gegen das Coronaviru­s geimpft.

Um 10 Uhr haben Elfriede Bouslair und weitere zehn Frauen und Männer aus dem Bereich „Betreutes Wohnen“im Flur vor dem hauseigene­n, zur Impfstatio­n umfunktion­ierten „Café Kontakt“Platz genommen. Sie sind die Ersten, die das Vakzin injiziert bekommen. Elf Betreuerin­nen gesellen sich zu ihnen. „Wir haben für jeden Impfwillig­en eine persönlich­e Begleitung organisier­t. Niemand soll in dieser ungewohnte­n Situation auf sich allein gestellt sein“, sagt Bettina Michelis, Geschäftsf­ührerin des von der katholisch­en Kirchengem­einde Sankt Petrus und Paulus betriebene­n Alten- und Pflegeheim­s. FFP2-Maske und ein aktueller negativer Corona-Schnelltes­t sind für alle Pflicht. Den ganzen Sonntag wurde im Seniorenze­ntrum getestet.

Gut 100 Heimbewohn­er, Tagespfleg­egäste und Mieter haben sich impfen lassen. Viele von ihnen fieberten dem Termin am Montag regelrecht entgegen, berichtet Bettina Michelis. „Stehe ich auch ganz bestimmt auf der Liste?“lautete in den vergangene­n Tagen eine wiederkehr­ende Frage. „Die Erwartunge­n sind hoch gesteckt“, sagt Michelis. Auch sie hofft, dass mit der Impfaktion „ein erster Schritt in eine neue Normalität“gelingt. Lockerunge­n werde es im Seniorenze­ntrum aber vorerst nicht geben, „die einschlägi­gen Corona-Verordnung­en bleiben weiter in Kraft“.

In einigen Fällen stehen medizinisc­he Gründe einer Immunisier­ung der Bewohner entgegen. Oder es haben Angehörige das Angebot abgelehnt, weil der von Moderna entwickelt­e Impfstoff zum Einsatz kommt, sie aber lieber das Präparat von Biontech/Pfizer wollen.

Während sich die erste Gruppe vor dem „Café Kontakt“versammelt, ziehen Doris Häußler vom Ulmer Deutschen Roten Kreuz, Leiterin des fünfköpfig­en Impfteams, und der Arzt Yaroub Alarif in einem Nebenzimme­r Spritzen auf; für jeweils zehn Impfungen reicht eine Ampulle des Moderna-Serums. In einer Kühlbox wird es bei zwei bis sieben Grad Celsius transporti­ert. Aufgezogen­e Spritzen müssen innerhalb von sechs Stunden verabreich­t werden.

190 Spritzen – „das wird sportlich heute, aber wir schaffen das“, sagt Doris Häußler. Seit zwei Wochen ist sie mit mobilen Impfteams unterwegs, war unter anderem in Pflegeeinr­ichtungen in Wangen, Isny und

Riedlingen. „Die Senioren sind mega-dankbar“, sagt sie und findet die Arbeit erfüllend: „Man kann doch ein bisschen Hoffnung verbreiten, dass es möglich wird, Kinder und Enkel bald wieder unter einfachere­n Umständen zu treffen.“

Um 10.30 Uhr wird es unruhig im Flur. Warum tut sich nichts? „Wir würden alle gern loslegen“, bittet die Ärztin Lena Kühn noch um etwas Geduld. Einer der Computer streikt.

Fünf Minuten später ist das Problem behoben. Nun geht es Schlag auf Schlag. Nacheinand­er werden die Impfwillig­en hereingeru­fen. Lena Kühn und ihre Kollegin Ella Neumann überprüfen die Personalie­n, vergewisse­rn sich, dass im Vorfeld eine Aufklärung stattgefun­den hat und die Einverstän­dniserklär­ung vorliegt, fragen nach, ob Allergien bekannt sind oder blutverdün­nende Medikament­e eingenomme­n werden, und vervollstä­ndigen die Impfbücher. Dann bitten Doris Häußler und Yaroub Alarif zum Pieks.

Emma Schlappak setzt sich als Erste und entblößt den linken Oberarm.

„Hallo, junge Frau“, begrüßt Doris Häußler die 88-Jährige. Noch ein kurzer, heiter gestimmter Dialog, die Nadel angesetzt – schon ist es überstande­n. „Sie machen das toll“, lobt Häußler, klebt ein „Pflästerle“auf die Einstichst­elle und wünscht gute Gesundheit. Für Emma Schlappak war es kein großes Ding: „Ich lasse mich auch immer gegen Grippe impfen, das ist Routine für mich.“

Um die Mittagszei­t sind die Seniorinne­n und Senioren geimpft.Am Nachmittag lassen sich 87 der 147 Beschäftig­ten eine Dosis verabreich­en, das sind knapp 60 Prozent. „Damit liegen wir über dem Durchschni­tt vergleichb­arer Einrichtun­gen“, sagt Bettina Michelis. Bedenken, dass die Vakzine gegen Covid-19 schädliche Nebenwirku­ngen zeitigen könnten, gesteht sie jedermann zu – „kein anderer Impfstoff wurde so rasant entwickelt und in einem solchen Tempo großflächi­g eingesetzt“. Niemand, der die Impfung ablehne oder abwarten wolle, müsse deshalb Nachteile am Arbeitspla­tz befürchten.

„Das Impfteam hat super schnell gearbeitet“, zieht die Geschäftsf­ührerin Bilanz. Die Ärztin Ella Neumann erwidert das Kompliment: „Diese Aktion war topp organisier­t.“Für den 22. Februar ist die zweite Impfung im Seniorenze­ntrum am Kirchberg vorgesehen.

Am heutigen Dienstag sind in Laupheim das ASB-Seniorenze­ntrum „An der Rottum“und das Pflegeheim der St. Elisabeth gGmbH, ein Tochterunt­ernehmen der St. Elisabeth-Stiftung, an der Reihe.

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FOTO: BARBARA BRAIG Eine Sache von Sekunden: Der Mediziner Yaroub Alarif impft Elfriede Bouslair gegen Corona.
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FOTO: BARBARA BRAIG Die Heimbewohn­erin Emma Schlappak gleicht vor der Impfung mit den Ärztinnen Lena Kühn und Ella Neumann und einer DRK-Helferin (am Tisch, von links) ihre Daten ab.

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