Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kein Platz für Hetze und Häme
Der Mord an Walter Lübcke ist mit dem Urteil vom Donnerstag juristisch aufgearbeitet. Doch mit der zu Recht verhängten Höchststrafe für diesen perfiden, politisch motivierten Mord darf diese Geschichte nicht enden. Die Geschichte eines Kommunalpolitikers, der die Verfassung und die Werte Deutschlands verteidigte und dafür sterben musste. Denn dieser Staat gründet auf Prinzipien, die auch christliche Wurzeln haben. Das Recht auf Schutz vor Verfolgung gehört zweifelsohne dazu.
Nicht hinnehmbar ist, dass sich Politiker in Deutschland fürchten müssen. Da stellen Corona-Leugner Grablichter vor das Haus eines CDU-Bundestagsabgeordneten am Bodensee. Da patrouilliert die Polizei vor Wohnungen von Abgeordneten, um sie zu schützen. Da lockern Fehlgeleitete Radmuttern am Auto eines AfD-Politikers in Sachsen. Das sind nur drei Fälle aus der deutschen Realität. Nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie steigt die Zahl der Attacken auf Politiker. Das Bundeskriminalamt verzeichnete bereits 2019 mehr als 1450 Fälle, ein Plus um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Jeder, der sich um ein Amt oder Mandat bewirbt, begibt sich sehenden Auges in die Verantwortung. Wer diese trägt, muss Kritik aushalten. Kontrolle durch Opposition, Medien und Bürger ist ebenfalls ein Pfeiler des Rechtsstaats. Doch wer will heute noch Verantwortung übernehmen, wenn Häme, Hetze und körperliche Attacken drohen? Wer will einen Job machen, der zwar gut bezahlt wird, aber solche Nebenwirkungen hat?
Wir können es uns nicht leisten, dass engagierte Menschen sich nicht mehr politisch einbringen. Der Fall Lübcke darf sich unter gar keinen Umständen wiederholen. Verbales Zündeln und erst recht körperliche Angriffe sind kein legitimes Mittel der Auseinandersetzung in diesem Land. Vielleicht hatte Walter Lübcke ja recht. In seiner Funktion als Regierungspräsident hatte der CDU-Politiker jenen die Auswanderung nahegelegt, die humanitäre Errungenschaften wie das Asylrecht grundsätzlich infrage stellen.