Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Das Mautdebakel bleibt für Scheuer folgenlos
Untersuchungsausschuss ohne große Erkenntnis – Schiedsgericht entscheidet über Entschädigung für Betreiber
BERLIN - Der letzte Zeuge war guten Mutes. „Für mich geht die Sonne gerade auf“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bei seiner Befragung im Maut-Untersuchungsausschuss. Ob er damit die Lichtverhältnisse im Saal oder das Ende der Ausschussbefragung einige Stunden später meinte, blieb offen. Scheuer war nach einem Jahr der Aufklärungsversuche der Maut-Pleite durch die Parlamentarier der letzte Zeuge. Fehler will der Minister nicht erkennen. „Fakt ist, dass wir rechtens gehandelt haben“, versicherte er, „ich würde heute wieder so entscheiden.“
Die Opposition sieht es zwar anders, spricht von schweren Verstößen gegen das Vergabe- und Haushaltsrecht und einer organisierten Verantwortungslosigkeit im Verkehrsministerium. Doch reicht das kaum aus, Scheuer zum Rücktritt zu drängen. Viele wichtige Vorwürfe im Zusammenhang mit der Vergabe des Mautvertrages mit einem Betreiberkonsortium konnten die Abgeordneten nicht beweisen. Teils stand Aussage gegen Aussage, teils fehlte Zeugen die Erinnerung.
Damit übersteht Scheuer das von ihm angerichtete Desaster folgenlos. Es geht um einen hohen Schaden für den Steuerzahler. Die Maut, Infrastrukturabgabe, sollte 2020 eingeführt werden. Das entsprechende Gesetz dazu wurde vor Scheuers Amtszeit beschlossen. Er musste es umsetzen. „Der Auftrag war für mich verbindlich“, stellte er klar. So bereitete sein Haus zusammen mit externen Beratern die Einführung vor. Zeitgleich lief eine Klage Österreichs gegen die vor allem Ausländer belastende Maut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Es gab also das Risiko, dass die Richter das Gesetz als europarechtswidrig einstufen.
Trotzdem schloss Scheuer Ende 2018 einen Betreibervertrag mit dem Konsortium ab. Deren Vertreter behaupteten im Ausschuss, sie hätten dem Minister angeboten, mit der Unterschrift bis zu einem Urteil des EuGH zu warten. Daran kann sich Scheuer nicht erinnern. Ein halbes Jahr später kam der Donnerschlag aus Luxemburg. Der EuGH urteilte gegen Deutschland. „Ich war davon völlig überrascht“, sagt der Minister. Warnungen aus dem eigenen Haus hat die Spitze des Ministeriums wohl in den Wind geschlagen. Das legt zumindest die Aussage einer Juristin des Kanzleramts nahe.
Unmittelbar darauf kündigte das Ministerium den Vertrag wieder. Der vorzeitige Abschluss kann für die Steuerzahler teuer werden. 560 Millionen Euro Schadenersatz verlangen die Betreiberfirmen. Diesen Anspruch sieht der Minister nicht. „Wir weisen alle Forderungen klar zurück“, stellte er fest. Nun muss ein Schiedsgericht entscheiden, ob und in welchem Umfang den Firmen eine Entschädigung zusteht.
Viel größer ist der Erkenntnisgewinn des Untersuchungsauschusses nicht. Über viele Vorgänge gibt es keine Aktennotizen, weil Scheuer mündliche Absprachen bevorzugt. So können Entscheidungswege und Verantwortlichkeiten nicht aufgeklärt werden. So wird wohl auch der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses im Mai keine Schuldigen klar benennen.