Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Wenn’s läuft, dann läuft’s“
Rodel-Dominator Felix Loch ist vor der Heim-WM am Königssee zuversichtlich
KÖNIGSSEE - Felix Loch ist dreimaliger Olympiasieger und hat 13-mal die WM und je sechsmal den EM-Titel und den Gesamtweltcup gewonnen. Nach einem eineinhalbjährigen Tief ist der 31-Jährige aus Sonneberg, Sohn des Rodel-Bundestrainers Norber Loch, wieder da. Bei der Heim-WM in Königssee am Wochenende wird Loch der klare Favorit sein. „Ich weiß ganz genau: Ich habe die Sicherheit, die Routine und noch Reserven“, sagt er im Interview mit Klaus-Eckhard Jost.
Herr Loch, Gratulation zum Sieg im Gesamtweltcup mit acht Siegen in acht Rennen. Was würde Ihnen mehr bedeuten – dieser Gesamtweltcupsieg oder WM-Gold, das Sie am Samstag gewinnen können?
Die Weltmeisterschaft ist schon wichtig, und eine WM-Medaille hat die größere Außenwirkung. Aber für mich ist der Gesamtweltcup mindestens gleichwertig. Wer den gewinnt, der war über die gesamte Saison der Beste.
Statt in Whistler, auf der Bahn, auf der Sie zum ersten Mal Olympiasieger geworden sind, finden die Titelkämpfe bei Ihnen zu Hause am Königssee statt. Sind Sie traurig oder froh?
Ich habe ein weinendes und ein lachendes Auge. Ich wäre die WM sehr gerne in Whistler gefahren. Die Bahn liegt mir gut, auch das Umfeld ist sehr schön. Dass wir die WM aufgrund der Corona-Pandemie am Königssee haben, freut mich. Natürlich ist es schade, dass keine Zuschauer vor Ort sein können. Aber es ist eine Heim-WM und ich habe mit Sicherheit den einen oder anderen Vorteil.
Ihre Konkurrenten reden mit Respekt von Ihrer Leistung. Johannes Ludwig sagt, Sie würden sich in einen Rausch fahren. Olympiasieger David Gleirscher meint, Sie würden mit Ihren Konkurrenten spielen. Was sagen Sie selbst dazu?
Bei uns sagt man: Wenn's läuft, dann läuft's. Es passt jede Woche super. Ich weiß ganz genau: Ich habe die Sicherheit, die Routine und noch Reserven. Deswegen gehe ich schon entspannt ans Training. Ich weiß genau, wie ich wo und wann reagieren muss. Wenn auch noch der Schlitten genau das macht, wie ich es will, dann wird das Ganze relativ einfach.
Hat Ihnen dieses Wissen die vergangenen beiden Winter gefehlt?
Definitiv. Ich merke schon, dass wir am Schlitten einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht haben. In den letzten zwei Jahren musste ich mehr ans Limit gehen.
Sie sind also ein höheres Risiko beim Fahren eingegangen?
Nein, beim Schlitten. Ab und zu war ich vielleicht den einen Schritt drüber. Dann passieren einfach leichter Fehler beziehungsweise man kann einen Fahrfehler nicht so korrigieren, wie man dies möchte. Das macht das Ganze schwierig, schnell zu fahren. Heuer ist es genau andersrum. Ich weiß, wenn ich die eine Nummer sicherer fahre, bin ich immer noch richtig schnell. Das ist ein gutes Gefühl.
Erklären Sie bitte mal, was so schwierig ist an einem Schlitten mit einer Sitzschale und zwei Schienen, die durch zwei Böcke miteinander verbunden sind?
Das alles Entscheidende ist die Geometrie der Schiene. Man darf sich nicht vorstellen, dass diese Schiene von vorne bis hinten rund oder scharf ist. Sie ist zu einem gewissen Teil abgerundet, in einem gewissen Teil ist sie sehr scharf, um auf der Geraden nicht zu driften.
Am Start sieht man, dass die Schiene auch noch in sich gebogen ist.
Richtig. Und damit wird es richtig kompliziert und schwierig. Die Verbindung vom Schlitten zum Eis ist sehr wichtig und macht einen Schlitten eben schneller oder langsamer. Ganz entscheidend ist, in welchem Winkel die Schiene zum Eis steht. In die Abstimmung der Schiene auf die Bahn stecken wir, vor allem im Winter, die meiste Zeit rein.
Nur an der richtigen Schlittenabstimmung kann's nicht liegen. Nach vielen Jahren haben Sie kürzlich wieder mal einen Startrekord aufgestellt.
Stimmt, ich habe definitiv mehr trainiert. Aber wahrscheinlich ist es eine Kombination aus allem.
Erleben wir momentan den besten Felix Loch aller Zeiten?
Diese Frage selbst zu beantworten, ist schwierig. Es ist ein Wohlbefinden, das ich am Start, am Schlitten, das ich allgemein habe. Ich kann mich schon an Jahre erinnern, in denen es auch sehr gut lief. Aber dass alles zusammenspielt, das habe ich so noch nie erlebt.
Wie schwer war zum Beispiel die Zeit zwischen Ihrem 39. Weltcupsieg im Februar 2019 und dem nächsten im November 2020?
Die war für die Außenstehenden schlimmer als für mich. Auch in diesen zwei Jahren habe ich im Training und im einen oder anderen Rennen gesehen, dass es richtig gut funktioniert. Das große Problem war, dass ich es nie über zwei Rennläufe hinbekommen habe. Trotzdem haben wir, das muss ich im Nachhinein sagen, sehr viel gelernt.
Auch über sich selbst?
Dass ich mich nicht aus der Ruhe bringen lassen darf. Natürlich habe ich mich manchmal geärgert, das ist wichtig, denn es gehört dazu. Danach habe ich mich aber immer auf das konzentriert, was vor mir liegt. Ich habe versucht weiterzuarbeiten. Im Endeffekt sind die jetzigen Ergebnisse eine Konsequenz aus diesen Jahren.
Für die Öffentlichkeit liegt der Grund für Ihre Durststrecke im vierten Lauf der Olympischen Spiele in Pyeonchang, als Sie durch einen Fahrfehler das sichere Gold aus den Händen gegeben haben. Sehen Sie das auch so?
Nein, auf gar keinen Fall. Klar war das in dem Moment, als ich das erleben musste, die größte Enttäuschung meiner ganzen Karriere. Aber mit großem Abstand betrachtet war das eine Situation, die mich weitergebracht hat. Ob das sportlich ist, ob das menschlich ist. Das hat mich gewaltig geprägt.
Inwiefern?
Weil ich genau wusste, was schiefgelaufen war. Deswegen konnte ich schnell damit umgehen. Denn das Leben ging weiter. Irgendwie gehört das auch zu einer sportlichen Karriere dazu, dass man als Athlet einmal so etwas miterlebt. Für mich war von Anfang an wichtig zu wissen, dass Niederlagen zum Sport mit dazugehören. Ich versuche auch meinen Kindern zu vermitteln, dass man nicht immer gewinnen kann. Das Verlieren gehört dazu, nicht nur im Sport, sondern auch im normalen Leben.